Kind gegen seinen Willen zweisprachig erziehen?

vom 30.03.2015, 19:30 Uhr

In unserer Bekanntschaft haben wir eine junge Frau mit amerikanischen Wurzeln und diese spricht mit ihrem 6-jährigen Sohn immer mal abwechselnd und ganz spontan Deutsch oder auch Englisch. Grundsätzlich finde ich das ja gut wenn Kinder zweisprachig aufwachsen, aber bei ihrem Sohn fällt immer wieder auf, dass dieser mal absolut kein Interesse am Englisch hat.

Immer wieder reagiert er gar nicht oder er hält sich die Ohren zu, wenn Mama mit ihm Englisch spricht. Das bringt die Mutter wiederum auf die Palme und sie forciert die „Englischkonversation“ dann noch mehr. Wie würdet ihr denn in solch einer Situation reagieren, wenn ein Kind partout keinen Bock auf eine Zweitsprache hätte? Würdet ihr es auch mit Macht durchdrücken wollen, dem Kind durchaus mal eine Auszeit gönnen oder würdet ihr es ganz lassen?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich bin selbst zweisprachig aufgewachsen und finde es prinzipiell eine tolle Sache und ein netter Vorteil für die Zukunft. Jedoch war es in meinem Fall so, dass ein großer Teil der Familie konsequent nur meine ursprüngliche Muttersprache Vietnamesisch gesprochen hat und ein weiterer geringer Teil (eine Tante und ein Onkel) hat deutsch ausschließlich deutsch mit mir gesprochen. Im Kindergarten und später in der Schule war ich sowieso automatisch mit der hiesigen Landessprache konfrontiert.

So konnte ich beide Sprachen nicht miteinander vermischen und es war für mich auch kein Zwang etwas lernen zu müssen, sondern eher ein ganz selbstverständlicher Teil der Kommunikation mit den jeweiligen Personen.

Ich habe jedoch auch jemanden in der Familie gehabt, bei dem das zweisprachige Aufwachsen eher in die Hose gegangen ist. Eine meiner Tanten war alleinerziehend und hat wie bei deiner Bekannten abwechselnd zwei Sprachen gesprochen. Meinen kleinen Cousin hat das damals wohl ziemlich verwirrt, denn er konnte sehr lange Zeit weder die eine noch die andere Sprache richtig fließend sprechen, obwohl er es in dem Alter eigentlich hätte können müssen.

Ich würde meinen zukünftigen Kindern eigentlich gerne meine Muttersprache weitergeben, allerdings muss ich zugeben, dass ich diese leider nicht mehr ansatzweise so flüssig spreche wie früher. Ich fürchte, es würde in meinem Fall nicht mehr so richtig funktionieren, dass ich mit meinem Kind vietnamesisch spreche und mein Partner deutsch. Ich würde dem Kind wohl mittlerweile zu viele Dinge falsch oder nur lückenhaft beibringen. Außerdem will ich meinen Partner ja nicht ausschließen, weil er kein vietnamesisch versteht.

Dennoch würde ich versuchen, dass es nicht ganz in Vergessenheit gerät. Ich würde meine Eltern bitten, mit ihrem Enkel möglichst viel vietnamesisch zu sprechen und wenn das Kind das Interesse hat, würde ich ihm auch vereinzelte Dinge beibringen. Ich würde aber nichts erzwingen wollen. Nach dem abschreckenden Beispiel von meinem Cousin finde ich es viel wichtiger, dass man die Sprache in dem Land, in dem man lebt sprechen kann um dem Unterricht in der Schule folgen zu können.

In dem Fall deiner Bekannten würde ich es gar nicht so verbissen sehen. Wenn der kleine sich so vehement dagegen wehrt, würde ich es entweder lassen oder versuchen irgendwie spielerisch anzugehen. Natürlich kann ich sie auch irgendwie gut verstehen, aber gerade bei Englisch würde ich mir da eher wenig Sorgen machen. Das lernt er früher oder später sowieso in der Schule und wenn er seine Mutter zu Hause hat, die ihn da unterstützen kann ist es ja schon viel Wert und nichts verloren.

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» Peanut » Beiträge: 444 » Talkpoints: 57,09 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Zur Zweisprachigkeit würde ich generell nur raten, wenn man beide Sprachen fließend und auch akzentfrei sprechen kann. Es macht keinen Sinn, einem Kind eine Sprache beizubringen, welche man selber grammatikalisch nicht richtig spricht. Denn so bringt man dem Kind etwas falsches bei.

Auch wir schauen im Kindergarten darauf, dass wir die Eltern darauf hinweisen, dass wir es toll finden, wenn sie deutsch sprechen, aber dass sie darauf achten sollten, dass mit den Kindern jemand deutsch spricht, der akzentfrei spricht und sonst sollten sie lieber in der Muttersprache sprechen, damit sie wenigstens eine Sprache richtig können.

Denn eine große Barriere ist, wenn man zwei Sprachen nur so halbherzig kann. Also beide Sprachen dann mit Akzent oder grammatikalisch falsch spricht. Das ist meistens so, wenn die Muttersprache noch gar nicht beherrscht wird und das Kind dann auf einmal noch eine Fremdsprache lernen muss.

Sprechen die Eltern aber zwei Sprachen fließend und akzentfrei, bieten sich vor allem die ersten vier Lebensjahre zum Spracherwerb von beiden Sprachen an, denn in diesen Jahren kann eine Zweitsprache wie die Muttersprache akzentfrei erworben werden, es sei denn natürlich, sie wird richtig erlernt. Das wäre allem Voran für die anders sprachigen Kinder mit Migrationshintergrund ein enormer Vorteil in der Schule.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich kenne auch eine Familie, die ihre Kinder zweisprachig erzieht. Aber da ist es konsequent getrennt: Der Vater spricht deutsch (seine Muttersprache) und die Mutter in ihrer Muttersprache. Da können die Kinder schnell differenzieren. Ich könnte mir vorstellen, dass es auf Kinder verwirrend wirkt, wenn ein Elternteil mal so und mal so redet.

Zumindest so lange, bis sie gut genug verstehen und sprechen können, um die Sprachen bewusst zu unterscheiden. Vor allem stelle ich mir die Frage, wie die Mutter es in deinem Beispiel gemacht hat. Hat sie von Geburt an in beiden Sprachen gesprochen, oder hat sie es irgendwann eingeführt, als das Kind schon sprechen konnte?

Dann wäre es für mich kein "zweisprachiges Aufwachsen", sondern schon Fremdsprachen lernen im Kleinkind-/Kindergartenalter. Wenn das Kind Spaß daran hat, man es spielerisch macht, dann finde ich es ok. Aber ein Kind in dem Alter zu zwingen, die Sprache zu lernen, finde ich absolut nicht ok. Dann verliert es doch erst recht die Lust zu lernen und freut sich bestimmt nicht auf die Schule.

» jess » Beiträge: 43 » Talkpoints: 17,77 »



Ich finde es gut, wenn Kinder zweisprachig aufwachsen, da ich selbst auch zweisprachig aufgewachsen bin. Jedoch finde ich den Ansatz der Frau in deinem Beispiel irgendwie verkehrt.

Ich kenne es auch nicht anders, dass bestimmte Sprachen immer bestimmten Personen aus dem Umfeld zugeordnet wurden. So habe ich persönlich irgendwann mit meinen Eltern Deutsch gesprochen, da diese auch immer gewechselt haben und nie konsequent bei einer Sprache geblieben sind.

Bei meinen Großeltern und Großtanten bzw. Großonkeln war ich jedoch gezwungen, meine Muttersprache zu verwenden, da diese sehr sehr schlecht Deutsch können. Auf diese Weise lernt man Sprachen leichter wie ich finde.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich denke, als Kind kann es schon verwirrend, wenn die Mutter mal die eine und dann die andere Sprache spricht. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso es sich "weigert" darauf einzugehen.

Ich bin leider nicht zweisprachig aufgewachsen, aber ich kenne ein paar Leute, die das sind. Dort war es immer so, dass eine oder mehrere Personen ausschließlich die eine Sprache mit ihm oder ihr gesprochen haben und eine andere Person die andere. Genauso läuft es auch bei der Freundin von meinem Bruder.

Der Sohn spricht mit seinen Eltern deutsch und seine Oma spricht ausschließlich englisch mit ihm. Er ist grade mal drei Jahre alt und spricht bereits besser englisch als meine kleine Schwester in der fünften Klasse. Er hat auch immer ein richtig freudiges Grinsen im Gesicht, wenn er und seine Mutter mal zu Besuch sind und wir ihn abfragen. Er sieht dann immer richtig stolz auf sich aus.

Daher denke ich, dass es besser wäre, dass die Mutter sich für eine Sprache entscheidet, mit dem sie mit dem Kind reden will. Es ist einfach zu verwirrend für das Kind, wenn die Mutter in beiden Sprachen spricht.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Wenn man das macht, dann sollte man auch so konsequent sein, dass jeder Elternteil nur in einer Sprache mit dem Kind spricht. So wird es immer empfohlen und ich denke, dann wird das Kind auch erstmal gar nicht auf die Idee kommen, das in Frage zu stellen.

Mein Sohn wurde anfangs konsequent zweisprachig erzogen, sodass sein Vater mit ihm in ersten Jahren nur Englisch gesprochen hat. Viel gebracht hat es zwar nicht, spätestens nachdem er schon eine Zeit lang im Kindergarten war, hat er das Englische vollkommen abgelegt und nur noch deutsch gesprochen, aber immerhin versteht er etwas Englisch und fragt jetzt, mit 6 Jahren, auch immer mal nach, wie bestimmte Dinge auf Englisch heißen.

Ich denke, die Mutter im Ausgangspost hat schon viel falsch gemacht, indem sie mit ihrem Kind eben nicht von Anfang an konsequent Englisch gesprochen hat. Und wenn der Junge jetzt, wo er schon so groß ist, keine Lust darauf hat, dann kann sie das auch nicht ändern und sollte es einfach sein lassen. In der Schule haben die Kids jetzt meines Wissens sowieso schon aber der 1. Klasse Englischunterricht und dadurch kommt vielleicht auch das Interesse, mit der Mutter Englisch zu sprechen.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Kinder zweisprachig zu erziehen ist eigentlich das Beste, was man machen kann, wenn die Möglichkeit vorhanden ist und je ein Elternteil nur eine Sprache spricht. Ich kenne einige Familien, die das konsequent so durchgezogen haben. Vater spricht nur deutsch, Mutter nur französisch oder was auch immer. So weiß das Kind immer genau, woran es ist und es ist selbstverständlich, die Sprache zu wechseln, wenn es mit den unterschiedlichen Elternteilen redet.

Häufig merken die Kinder gar nicht, dass sie zweisprachig erzogen werden, wenn sie noch ganz klein sind. Sie kennen es einfach nicht anders. Ich habe mich mal mit einem vierjährigen Kind unterhalten, dessen Mutter nur spanisch mit ihm gesprochen hat. Der Vater hat nur deutsch geredet, die Mutter eben spanisch. Als ich das Kind gefragt habe, was "Ball" auf spanisch heißt, konnte es mir diese Frage nicht beantworten. Es konnte überhaupt nichts von der einen in die andere Sprache übersetzen, hat aber ganz selbstverständlich beide Sprachen gesprochen.

Das Verständnis dafür kommt erst viel später und deswegen kann ich mir auch nicht vorstellen, dass man ein Kind gegen seinen Willen zweisprachig erziehen kann. Das tut man einfach und dann ist es so - fertig.

Bei dem von dir genannten Beispiel könnte ich mir auch vorstellen, dass die Mutter die zweisprachige Erziehung eben nicht konsequent durchgezogen hat. Wenn sie mal englisch und mal deutsch spricht, kommt das Kind natürlich durcheinander und wer weiß, ob sie das schon von Anfang an so gemacht hat. Vielleicht hat sie erstmal nur deutsch gesprochen und erst mit englisch angefangen als der Junge schon etwas älter war. Dass er dann keine Lust mehr darauf hat, ist verständlich.

» Sandra980 » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 12,41 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wie kann ein Kind diesbezüglich einen Willen haben? Wenn man konsequent nach einer Weile nur noch Englisch mit ihm redet oder einer der beiden Eltern, bleibt dem Kind nichts als mit dem Elternteil eben in der anderen Sprache zu reden.

» Tritonus » Beiträge: 134 » Talkpoints: 36,24 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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