Kennt ihr die Lebensgeschichte eurer Großeltern?

Momentan nutze ich die Zeit um mit meiner Oma regelmäßig zu telefonieren. So versuche ich ihr etwas die Zeit zu vertreiben und ihr den Kontakt in der Selbstquarantäne zu erleichtern. Da wir so ziemlich alle Alltagsthemen schon durch haben hat meine Oma nun begonnen mir von ihrer eigenen Kindheit, Jugend bzw. ihrer gesamten Lebensgeschichte zu erzählen.

Mit ihren 90 Jahren hat sie ja schon einiges spannendes und auch erstaunliches erlebt. Ich höre ihr da sehr gerne zu und manche ihrer Erzählungen erstaunen mich auch sehr. Manche Dinge hätte ich ihr so gar nicht zugetraut bzw. erfahre ich jetzt auch noch sehr viel Neues über das Leben von ihr und meinem verstorbenen Opa.

Im letzten Telefonat hat sie mir zum Beispiel erzählt, dass sie mit meinem Opa zusammen einen Pilotenschein für Sportflugzeuge bzw. Segler gemacht hat. Weil mein Opa zwar großes Interesse dafür hatte, sich aber alleine nicht dazu aufraffen konnte, hat sie einfach selbst auch teilgenommen. Dann hat sie mir auch noch ein paar nette Anekdoten aus ihren Flugstunden erzählt. Sie hatte daran wirklich sehr viel Spaß.

Ich hab auch schon ein mal zu ihr gesagt, dass sie doch ihre Freizeit dazu nutzen solle ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben aber dazu fehlt ihr die Motivation. Sie ist der Meinung, dass sich im Endeffekt doch nicht wirklich jemand für ihre Erlebnisse interessieren wird. Ich persönlich finde das sehr schade denn ich höre ihr da sehr gerne zu und würde auch gerne darüber lesen.

Habt ihr euch mit euren Großeltern schon einmal über deren Leben intensiv unterhalten? Wie fändet ihre es wenn diese ihre Lebensgeschichte auch schriftlich festhalten, würdet ihr das lesen?

Ich habe schon als Kind großes Interesse an der Geschichte meiner Ur Oma gezeigt und eine Geschichte ist mir diesbezüglich wirklich im Gedächtnis geblieben und hat mir die Stärke dieser Frau bewiesen. Das erklärt sicherlich einiges im Alter, wenn man von der Geschichte des Lebens weiß. Mich hat das immer interessiert und ich habe nachgefragt. Auf der anderen Seite hatte ich leider keine Großeltern mehr, also von meiner Mutters Seite. Meine Großeltern väterlicherseits haben auch viel Zeit mit mir verbracht und mir auch einige Geschichten erzählt.

Wobei mein Opa beispielsweise sehr darauf geachtet hat, dass ich dabei meine kindliche Freude habe und die Geschichten altersgerecht sind. So war er ja Kriegsgeneration und hat da auch einige schlimme Dinge mitbekommen. Als ich dann mal die Hausaufgabe hatte etwas über die Kindheit und Jugend der Großeltern zu erzählen, erzählte er mir dann einfach nur von einem Ball, der von einem Panzer überfahren wurde und selbst das erzählte er so, dass ich am Ende auch traurig war.

Er wollte mir so begreiflich machen, dass man einfach nichts hatte und der Ball einen sehr hohen Wert für ihn hatte. Er hat mir nebenbei vermittelt wie schlimm die Zeit war und das mit einer kindgerechten Geschichte. Ich habe später immer mal wieder nachgefragt, immerhin waren die beiden auch über 50 Jahre verheiratet und da hat man doch einige schöne Geschichten in Erfahrung bringen können.

Leider kenne ich die Lebensgeschichte meiner Großeltern gar nicht. Wir hatten nicht viel Kontakt, weil meine Mutter ihre mittlerweile verstorbenen Schwiegereltern nicht leiden konnte. Ihre eigenen Eltern sind früh gestorben. So weiß ich gar nichts über sie, außer dass sie den Krieg miterlebt haben. Ich finde das sehr schade, weil sie bestimmt viel zu erzählen gehabt hätten und ich viel von ihnen hätte lernen können. Außerdem wäre es interessant gewesen, ob ich irgendwelche Eigenschaften von ihnen geerbt habe, seien es äußerliche Merkmale oder Charaktereigenschaften. Ich habe noch nicht einmal besonders viele Fotos von ihnen. Meine Ahnen sind mir also leider völlig fremd.

Ich musste letztes Jahr schmerzlich feststellen, dass ich sehr wenig von der Lebensgeschichte meiner Großeltern weiß bzw. wusste. Meine Großmutter ist letztes Jahr völlig plötzlich und unerwartet von uns gegangen. Sie hat mich (mit) großgezogen und hat somit ein großes Loch hinterlassen. Da ich für meinen Großvater, vor allem emotional, nach dem Tod meiner Oma da sein wollte, war ich oft bei ihm und wir haben viel geredet. Er hat mir so viele Geschichten von ihr erzählt von denen ich vorher noch nie gehört hatte. Ich habe so viel neues von ihr gelernt und habe nun ein ganz anderes Bild von ihr.

Vor allem ihr Leben bevor sie Kinder bekommen hat fand ich wahnsinnig interessant und spannend. Und es tut mir im Herzen weh, dass ich Sie nie persönlich danach gefragt habe. Sie hätte vermutlich mit Freuden über ihre Jugendjahre geredet und hätte sich wahrscheinlich auch einfach darüber gefreut, dass jemand Interesse an diesen Geschichten hat. Aber danach ist man immer schlauer als vorher.

Deswegen finde ich es großartig, dass ihr beiden euch momentan so austauscht. Wenn deine Großmutter nicht den Elan hat ihre Geschichte aufzuschreiben, kannst doch du das für sie tun. Und sei es nur für dich. So würde ihr Andenken bestehen bleiben, auch wenn sie einmal nicht mehr ist und du kannst eventuell einmal deinen eigenen Kindern oder Enkelkindern von Ihr erzählen bzw. aus den Unterlagen vorlesen.

Meine Großeltern sind schon sehr lange tot, und eigentlich kann ich mich sowieso nur an meinen Großvater mütterlicherseits erinnern. Er hat glücklicherweise zu seinen Lebzeiten eine ausführliche Sammlung von Geschichten aus dem Leben seiner Familie in einem Ordner zusammengestellt, der inzwischen fast ein zeitgeschichtliches Dokument ist. Manchmal blättere ich darin, lese die Texte und schaue die alten Fotos an. Interessant ist, dass mein Großvater so alt war, dass er im Ersten Weltkrieg beteiligt und in den Zwanzigerjahren noch ein relativ junger Mann gewesen war. Deswegen sind seine Beschreibungen ein Einblick in eine längst vergangene Zeit.