Keine Chance für Beziehung, wenn keine Gefühle vorhanden?

Ich habe mitbekommen, dass sich ein bekanntes Paar von mir unsicher wegen der Beziehung ist. Die beiden sind nun schon sicherlich zehn Jahre zusammen und kamen mir bisher immer sehr glücklich vor, wobei nun keine Gefühle mehr vorhanden sein sollen und das von beiden Seiten. Da die beiden jedoch zwei Kinder gemeinsam haben, wollen sie dennoch an der Beziehung arbeiten und bemühen sich nun auch wirklich sehr.

Jetzt haben sie sich einen Urlaub zu zweit ohne die Kinder gebucht, um Zeit zusammen zu verbringen und auch wieder zueinander zu finden, da die Beziehung wohl unter anderem so schlecht läuft, weil der Alltagstrott eingekehrt ist. Die beiden wollen sich wieder neu ineinander verlieben und die Beziehung wieder aufblühen lassen.

An sich finde ich es wirklich gut und schön, dass sich die beiden so bemühen und die Beziehung wieder zum Laufen bringen wollen. Ich würde es den beiden wirklich wünschen, dass das klappt. Allerdings frage ich mich ernsthaft, ob die Beziehung überhaupt eine Chance hat, wenn von beiden Seiten keine Gefühle mehr vorhanden sind.

Man kann ja auch keine Gefühle herbeizaubern und ich denke, dass es vielleicht ein Zeichen ist, etwas Neues anzufangen, wenn beide sich sicher sind, dass sie den anderen nicht mehr lieben, abgesehen von der platonischen Liebe. Denkt ihr, dass eine Beziehung noch eine Chance hat, wenn von beiden Seiten keine Gefühle mehr vorhanden sind?

Nun gut, wenn man nach 10 Jahren zu viel Alltag miteinander hat und die Beziehung dadurch auf der Strecke bleibt, kann man vielleicht noch mal etwas für die Beziehung tun und vielleicht auch wieder die Gefühle vom Anfang empfinden, wenn man mal gemeinsam ohne Kinder ist.

Das kann funktionieren, muss aber nicht. Meiner Meinung nach ist es nicht möglich Gefühle zu wecken, die nicht da sind, aber wenn noch ein kleiner Funken vorhanden ist, kann man daran arbeiten. Gefühle kann man aber auch nicht erzwingen. Ob es bei den Beiden funktioniert, wird wohl nur die Zeit zeigen. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es etwas werden kann, wenn keine Gefühle da sind. Solche Beziehungen machen dann auch keinen Sinn.

Ob die Beziehung noch eine Chance hat, kann man hier doch nicht pauschal sagen. Das Paar ist sich sehr unsicher, aber versucht noch was zu retten. Da es scheinbar so keinerlei Streitereien gibt, ist es durchaus möglich, dass sie mit mehr gemeinsamer Zeit in dem Urlaub auch ihre Gefühle wieder finden. Immerhin sind ja beide gewillt etwas zu verändern.

Wenn der Alltag zu viel Raum einnimmt, dann kommt man auch schnell zu dem Schluss, dass die Gefühle verloren gegangen sind. Das glaube nicht mal, sondern sie wurden wohl eher nur vernachlässigt. Was aber oft vorkommt, wenn ein Paar nicht mehr nur Paar ist, sondern auch die Elternschaft dazu kommt. Deswegen halte ich es für wichtig, wenn man sich da auch Freiräume schafft und ab und an mal was ohne die Kinder nur als Paar unternimmt.

Was ich gemerkt habe ist, dass zu viele Menschen nach vielen Jahren alles für selbstverständlich nehmen. Sie geraten in eine Routine, sodass irgendwann überhaupt nicht mehr sicher ist, ob es Gefühle sind oder die Gewohnheit. Das haben viele Menschen, wenn sie aufeinander hocken, zehn Jahre zusammen sind und einen Alltagstrott verfallen sind. Das kann passieren. Wenn man das frühzeitig merkt, dann kann man vielleicht daran arbeiten.

In deinem geschilderten Fall liegt es ja scheinbar wirklich daran, dass auf einmal etwas mit den Gefühlen nicht passte. Womöglich aufgrund der Routine. Da ist kein böses Blut geflossen, sodass es durchaus Sinn macht, wenn man es erneut probiert und die Gefühle auffachen lässt. Es kann ja klappen, weil hier kein Fremdgehen oder andere Problematiken im Vordergrund der Trennung liegen.

Gefühle können schon durch klitzekleine Situationen zurückkommen. Selbst nach Jahren, weil auch eine gewisse Vertrautheit vorhanden ist. Das darf man nie vergessen und ich finde, dass man das in jedem Fall auch probieren sollte, wenn es eine reale Chance gibt. Insbesondere für die Kinder auch.

Ich finde schon, dass man eine Beziehung retten kann, wenn es wirklich nur an der Routine, dem Alltagstrott und den Gefühlen liegt, also keine anderen Streitpunkte wie Ehebruch, Finanzen oder so etwas vorhanden sind. Gefühle entstehen ja allein schon dadurch, dass man sich um den anderen bemüht, Aufmerksamkeit und Zuneigung schenkt und durch kleine Gesten, die bei vielen Paare im Alltag schnell untergehen. Wenn man sich als selbstverständlich wahrgenommen fühlt, leiden die Gefühle natürlich. Daher denke ich schon, dass es hier eine Rettung geben kann, sofern beide Parteien es wollen und entsprechenden Einsatz zeigen.

Ich meine auch, dass es doch zumindest ein Versuch wert ist. Wenn sich Beide bemühen und es an den Gefühlen trotzdem nichts ändert, muss man das wohl akzeptieren. Aber ich denke auch, dass man eine Chance hat, die Gefühle wieder aufleben zu lassen, wenn sich wirklich Beide bemühen. Man sagt ja, dass Einsicht der Weg zur Besserung ist und die Chance besteht dann ja auf jeden Fall.

Es kommt darauf an, was man sich von einer Beziehung erwartet. Wenn man ernsthaft damit rechnet, über viele Jahre hinweg die "Gefühle" der ersten Verliebtheit bewahren zu können, sollte man sich gemeinsame Schulden und/oder Kinder lieber verkneifen.

Diese Gefühle sind ziemlich schnell nicht mehr vorhanden und lassen sich auch kaum in der Form wiederbeleben, wenn man sich einen Abend pro Woche "kinderfrei" schaufelt oder tatsächlich eine Woche Allgäu zusammenkratzen kann. Das ist meines Erachtens von der Natur auch gar nicht so vorgesehen, weil es viel zu anstrengend wird, die Hormone am Pumpen zu halten, wenn die Verpaarung und Fortpflanzung mal unter Dach und Fach ist.

Aber ich denke mir, dass man auch mit etwas alltäglicheren "Gefühlen" noch eine passable Beziehung am Laufen halten kann. Es muss eben der Wille vorhanden sein und meiner Meinung nach eine gewisse realistische Einschätzung, was das Leben, der Alltag und diverse Krisen gerade im Laufe etlicher Jahre mit Menschen machen. Die meisten langjährigen Beziehungen kennen Phasen des "Durchhaltens", wo beide Parteien im Krisenmodus einfach nur versuchen, den Kreuzer auf Kurs zu halten, egal ob die Gesundheit, der Job, die Kinder, die Finanzen oder alles auf einmal am Untergehen ist.

Da noch nach "Gefühlen" zu fischen, verursacht nur zusätzlichen Stress. Manchmal muss es schon reichen, wenn man sich gegenseitig gerade nicht aus dem Fenster werfen möchte. Und man muss sich überlegen, ob das zumindest im Augenblick reicht oder ob es auf Dauer doch zu wenig emotionale Grundlage darstellt.