Keine Bewerbung schreiben aus Angst vor Absagen?

vom 22.05.2019, 13:55 Uhr

Ich habe mich mal vor Jahren mit einer Bekannten über dieses Thema unterhalten. Sie war damals offiziell auf Jobsuche, da die Elternzeit vorbei war. Wobei sie aber immer Ausreden hatte, warum sie immer noch keine Bewerbungen geschrieben hatte, wenn ich mich nach dem aktuellen Stand erkundigt hatte. Sie gab dann irgendwann zu, dass sie bisher keine Bewerbungen geschrieben hätte und auch nicht nach Stellenanzeigen geschaut hätte aus Angst vor Absagen.

Das kann ich persönlich so gar nicht nachvollziehen, aber gut. Jeder Mensch ist anders. Habt ihr auch schon mal darauf verzichtet, eine Bewerbung zu schreiben, weil ihr Angst vor einer möglichen Absage hattet? Oder haltet ihr das für ziemlichen Unsinn? Wie geht ihr mit solchen Menschen um?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



So eine Einstellung zu dem Thema finde ich auch eher merkwürdig. Sicher ist es nicht schön, wenn man Absagen bekommt und je nachdem bekommt man auch einige, bis man vielleicht zu einem Gespräch eingeladen wird oder so etwas. Aber wenn man es gar nicht erst versucht, dann kann es mit dem Job doch auch nichts werden. Der wird sich doch im Normalfall nicht einfach so ergeben, obwohl man keine Bewerbungen geschrieben hat.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Eine solche Begründung für den Verzicht auf Bewerbungen habe ich ja wirklich noch nie gehört, und auch ich finde, dass das irgendwie verdächtig klingt. Entweder würde ich davon ausgehen, dass diese Aussage erfunden und eine reine Ausrede ist, weil die Person schlicht und ergreifend nicht in die Puschen kommt und zu faul ist, sich an ein paar Zeilen eines Anschreibens und einen Lebenslauf zu setzen, oder es handelt sich tatsächlich um eine Vermeidungsstrategie bei einer Unterform der Angststörung. Beides droht aber, sich langfristig als Verhaltensmuster zu chronifizieren und mit erheblichen Einschränkungen im Alltag einher zugehen.

Die Motivation zur Veränderung muss aber von der Person selber kommen, denn es bringt herzlich wenig, als Außenstehender auf die Frau einzureden. Das erhöht den Druck nur noch und baut die Blockade weiter aus. In der Regel muss die Person bei Verzögerung durch Faulheit erstmal die negativen Konsequenzen wie finanzielle Not und Mahnkosten für unbezahlte Rechnungen zu spüren bekommen, damit sie die Notwendigkeit zur Handlung erkennt. Andernfalls wäre eine Psychotherapie mit dem Fokus auf sozialen Ängsten vielleicht hilfreich.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Meine Angst vor Armut wäre größer als die vor Absagen. Ich kann mich noch an meine eigene Jobsuche erinnern, und ich habe das ganze Prozedere aufrichtig gehasst. Gut, so ein Lebenslauf war schnell gebastelt, aber schon beim "Anschreiben" fing es an. Wieso möchte ich gerade dort arbeiten? Weil ich mit dem Zug hinfahren kann, besser mit Buchstaben umgehen kann als mit dem Zementmischer, und verdammt noch mal dringend einen Job brauche?

Ich hatte also so meine Schwierigkeiten mit den ganzen mehr oder weniger impliziten Regeln, die bei Bewerbungen, wenn es um ansatzweise qualifizierte Beschäftigung geht, zu beachten sind. Und natürlich war ich auch nicht begeistert, wenn ich entweder nie wieder irgend etwas gehört habe (was der Regelfall war) oder eine einsilbige Absage im Briefkasten lag.

Ich kann auch zu einem gewissen Grad nachvollziehen, dass manche Menschen schlecht mit Absagen und Misserfolgen im weitesten Sinne umgehen können. Bei manchen stellt sich dann der innere Perfektionismus auf die Hinterbeine, der Scheitern nicht mit dem fragilen Selbstbewusstsein verbinden kann. Die Vorstellung, dass man es "gleich lassen" könne, wenn etwas nicht beim ersten Versuch perfekt klappt, ist ja in vielen Psychen tief verankert.

Oder jemand ist ganz groß darin, Dinge persönlich zu nehmen und empfindet ein gesichtsloses Schreiben als Ablehnung seiner ganzen Person, was natürlich tiefer trifft als die Erkenntnis, dass wohl jemand anders mehr Glück hatte. Wenn dann noch der Druck fehlt, selber Kohle ranschaffen zu müssen, um nicht auf Staatskosten von einem niedrigen dreistelligen Betrag im Monat leben und am Ende noch die Kinder durchbringen zu müssen, verstehe ich schon, dass nicht jeder Lust auf diesen komischen Zirkus hat.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^