Kein Verständnis für Kirchenbesuch an Weihnachten haben?

vom 20.12.2017, 12:07 Uhr

Eine gute Bekannte von mir ist Alleinstehend, als einzige Verwandtschaft hat sie eine Tochter. Die Tochter ist ebenfalls Alleinstehend und da sie im selben Ort wohnen saßen sie bislang Heiligabend immer zusammen und haben etwas gegessen.

Jetzt möchte die Tochter aber erstmals an Heiligabend abends einen Gottesdienst besuchen. Die Mutter möchte nicht mit, da sie nicht gläubig ist. Der Mutter ist es zu spät bis 19:30 Uhr mit dem Essen zu warten. Darüber hat sie sich nun sehr aufgeregt, dass sie Heiligabend nun alleine verbringen muss da die Tochter lieber in die Kirche geht. Sie hat ihr wohl auch schon sehr viel Geld zu Weihnachten geschenkt, da die Tochter sehr arm ist und nun einige Rechnungen hatte (Werkstatt, Brille, Tierarzt), was sie nicht bezahlen konnte.

Könnt ihr es verstehen, dass man als Mutter wütend oder enttäuscht ist? Oder findet ihr es eher verständlich, dass man an so einem Tag lieber in die Kirche geht?

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich fände das schon sehr enttäuschend, weil man mir ja damit sagen würde, dass etwas anderes wichtiger ist als ich. Noch dazu an einem Tag der für viele ein Tag ist, den man mit der Familie verbringt. Ist natürlich blöd, dass sie die Geschenke anscheinend schon kassiert hat bevor sie mit ihren Plänen heraus gerückt ist, aber es gibt ja ein nächstes Jahr. Da würde ich an Stelle der Mutter dann keine Geschenke machen und das Geld vielleicht in einen kleinen Kurzurlaub investieren.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Wenn man das ganze Jahr über nicht in die Kirche geht, aber an "so einem Tag" dann doch in die Kirche geht, dafür habe ich kein Verständnis und für mich ist das reine Heuchelei, wenn man dann in die Kirche wandert. Entweder glaube ich und gehe auch regelmäßig in die Kirche oder ich glaube nicht und dann sollte es eigentlich auch egal sein, wenn man der Mutter einen Gefallen tut und mit ihr zusammen feiert.

Und wenn die Tochter unbedingt in die Kirche will, dann gibt es bestimmt auch irgendwo eine spätere oder frühere Messe oder Gottesdienst. Verständnis habe ich absolut keins. Denn wie erwähnt, entweder glaube ich oder nicht und wenn die Tochter regelmäßig in die Kirche gehen würde, hätte auch die Mutter bestimmt Verständnis. Aber das scheint ja nicht der Fall zu sein.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich verstehe wiederum nicht, wieso es so schlimm ist, dass jemand, der an sich nicht gerade gläubig ist, sich Weihnachten auch mal in die Kirche schleppt, und ich arbeite für den Laden. So viele Leute können nicht mal katholisch von evangelisch unterscheiden, und machen dennoch einen Riesenterz, wenn es ans Heiraten geht, und die versammelte Festgesellschaft stellt sich dann ja auch nicht hin und schreit, dass es "Heuchelei" sei, wenn sie jetzt in die Kirche geht, sondern trabt brav hinterher und bringt die ganze Liturgie durcheinander, weil keine Sau mehr das Vaterunser zusammenbringt. :lol:

Bei Weihnachten sehe ich es ähnlich, aber ich bringe hier keine moralische Empörung auf. Wenn man um der Atmosphäre willen in die Kirche geht, oder weil man die Weihnachtslieder mag, ist das doch nicht verboten, zumal da man auch den "wahrhaft Gläubigen" nichts wegnimmt. Außerdem kann es ja sogar sein, dass jemand im Laufe seines Lebens zu irgendeiner Art von Glauben findet, oder zumindest bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen, um sich wenigstens näher anzusehen, was man da so vehement ablehnt. Auch das finde ich nicht verwerflich. Und um halb acht Uhr abends zu Abend zu essen - da müsst ihr schon entschuldigen, dass mir nicht die Tränen kommen vor lauter Mitgefühl angesichts von derlei brutaler Härte!

Ich denke also, dass es hier ums Prinzip geht. Die Tochter weicht von der etablierten Norm ab, und die Mutter möchte, dass alles so bleibt, wie es immer war. Die Kirche und das Abendessen sind in meinen Augen nur Scheinargumente, und in Wirklichkeit geht es darum, dass sich die Balance in der Familienbeziehung allmählich verschiebt, sodass die Tochter sich nicht immer an die Spielregeln der Mutter hält, und das gefällt ihr natürlich gar nicht, weil damit ein Machtverlust verbunden ist. Und an Weihnachten kommt das Gefühlschaos gerne raus, weil da die Leute sowieso schon gestresst sind und mit sentimentalen Botschaften systematisch weich geklopft werden.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich kann hier eigentlich beide Seiten ein Stück weit verstehen, wenn ich darüber nachdenke. Sicher ist es vielleicht etwas komisch, wenn die Tochter in die Kirche geht, was sie doch sonst nicht gemacht hat und vielleicht auch sonst im Jahr nicht macht. Das finde ich dann schon immer interessant, wie voll die Kirche an Heiligabend ist und sonst eben nicht.

Darum kann ich die Mutter schon verstehen, dass sie es ihrer Tochter so sagt, dass sie doch gemeinsam feiern wollen, wie es immer der Fall war und dass es ihr nicht gefällt, dass die Tochter die Kirche besuchen möchte. Man muss es ja auch sagen, wenn einen etwas stört und nur so kann man etwas erreichen, dass die Tochter vielleicht einen anderen Gottesdienst besucht oder so etwas.

Das wäre dann zumindest ein Kompromiss, wenn das denn möglich wäre. Aber ansonsten würde ich jemanden, der die Kirche besuchen möchte, auch nicht davon abhalten, aus welchem Grund der Kirchenbesuch auch immer beschlossen wurde. Sicher mag es heuchlerisch sein, wenn man dann nur an solchen Tagen in die Kirche geht, aber es machen ja sehr viele Menschen so, dass sie nur an so besonderen Tagen in die Kirche gehen.

Dass die Mutter nun auch schon besonders enttäuscht ist, weil sie der Tochter schon finanziell unter die Arme gegriffen hat, das verstehe ich auch, aber das ist ja auch eine Möglichkeit, daraus zu lernen und der Tochter vielleicht nach der Enttäuschung nicht mehr ganz so bereitwillig zu helfen, wenn dann nichts dafür zurück kommt und man selber keine Unterstützung und Kompromisse erwarten darf.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Man könnte das doch genauso gut anders herum betrachten. Warum geht die Mutter nicht mit, auch wenn es nicht so nach ihrem Geschmack ist? Warum hadert die Mutter, weil das Essen nicht wie sonst um 18 Uhr, sondern erst ab halb acht stattfindet? Hier steht der Wunsch nach Gewohnheit und Bequemlichkeit gegenüber dem Wunsch, dass erste Mal seit langem oder überhaupt an Heiligabend den Gottesdienst zu besuchen.

Mir scheint es eher, dass da komplette Kompromisslosigkeit und moralisches Gewohnheitsrecht dem Bedürfnis der Tochter im Weg steht. Was haben außerdem die Geschenke damit zu tun? Würde die Situation anders aussehen, wenn es diese nicht gäbe? Hat man mit vielen und teuren Geschenken ein moralisches Aufenthaltsbestimmungsrecht über die Person? Wenn ich den Text richtig verstanden habe, ist zwischen den Zeilen zu lesen, dass die Tochter die Mutter auch gerne mitgenommen hätte oder aber eben um halb acht zu ihr gekommen wäre.

Wenn man schon in dieser Konstellation jemanden verurteilen möchte, dann doch wohl eher die Bekannte, die sich da jetzt echauffiert, weil das erwachsene Kind mal an Weihnachten etwas anders machen möchte und den Zeitplan um mickerige anderthalb Stunden nach hinten schiebt. Die Argumentation, dass es scheinheilig sei an Weihnachten in die Kirche zu gehen, wenn man ansonsten nicht gläubig ist, kann man schon nicht gelten lassen, weil es dann auch nicht nachvollziehbar ist überhaupt Weihnachten zu feiern.

Wer Weihnachten nicht als christliches Fest, sondern als besinnliche Familienzusammenkunft sehen möchte, könnte genauso gut einen Besuch der Messe am Heiligabend als überliefertes Brauchtum ansehen. Stimmig sind alle Sichtweisen darauf.

» Verbena » Beiträge: 4938 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Die Mutter hat eine starke Abneigung gegenüber der Kirche und möchte auch generell nicht unter Leute gehen. Die Mutter möchte nicht den ganzen Abend alleine zuhause sitzen und warten bis die Tochter aus der Kirche kommt.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Was hat das mit Kompromisslosigkeit zu tun, wenn von einer Seite aus beschlossen wird, dass Kirche plötzlich wichtiger ist als gemeinsam zu feiern? Ein Kompromiss würde so aussehen, dass sich die Tochter mit der Mutter zusammen setzt und beide schauen, wie man das terminlich regeln kann.

Die Kirchen hier bimmeln die ganzen Feiertage durch, es gibt also mehr als eine Veranstaltung, warum muss man sich dann ausgerechnet für die entscheiden, die mit dem geplanten Essen kollidiert?

Natürlich haben Geschenke eigentlich nichts mit dem gemeinsamen feiern zu tun, ich bekomme jedenfalls auch Geschenke von Leuten, die nicht mit mir feiern. Aber wenn man halt erst diverse finanzielle Geschenke einkassiert und erst dann die traditionelle Feier absagt hat das schon einen faden Beigeschmack. Legt schon die Vermutung nahe, dass die Mutter nicht so großzügig gewesen wäre, wenn sie das vorher gewusst hätte und deshalb wurde eben gewartet.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Wir kennen ja die genauen Umstände und das Angebot der Kirche nicht. Hier ist 18 Uhr traditionell an Heiligabend der Hauptgottesdienst, dann gibt es am Nachmittag noch etwas speziell für die Kinder und gegen Mitternacht noch mal einen späten Gottesdienst. Da würde ich als Frau alleine ohne Auto aber auch nicht so gerne noch mal durch den ganzen Ort hinlaufen, möglicherweise ist die Situation dort ähnlich oder die Gemeinde ist so klein, dass es solch ein Angebot gar nicht erst gibt. So genau kenne ich mich auch mit den jeweiligen Zeiten von Messen nicht aus, ich gehe nie in die Kirche.

So oder so, das ganze ist doch aber keine Entweder-Oder-Entscheidung. Es geht um anderthalb Stunden (!) Zeitverschiebung des Essens und nicht den ganzen Abend, aus meiner Sicht könnte man beides unter einen Hut bekommen. Man könnte vorher schon zusammen den Nachmittag verbringen, einer geht um 6 zur Messe, der andere beschäftigt sich solange für die kurze Zeitspanne anderweitig und dann sieht man sich auch schon bald wieder. Ich sehe es wie Gerbera und habe auch das Gefühl eines Stellvertreterkriegs, sonst würde man nicht deutlich machen: Um 18 Uhr essen oder eben gar nicht.

Das ist natürlich nur auf der Basis dessen, was man aus dem ersten Posting weiß, ob da noch andere Absprachen gelaufen sind, ob die Mutter vielleicht gefragt hat, ob ein Besuch in der Spätmesse möglich wäre, wissen wir alles nicht. Möglicherweise könnte sich dann alles anders darstellen. So wie es hier steht, liest es sich für mich eben zur Zeit aber noch anders.

» Verbena » Beiträge: 4938 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich muss auch sagen, dass ich es nicht ernst nehmen kann, wenn jemand nur an Weihnachten in die Kirche geht und ansonsten eben nicht. Aber gut, dass muss eben jeder für sich entscheiden. Aber ich wäre wohl auch traurig, wenn meine Tochter den Gottesdienst mir vorziehen würde, gerade wenn sie ansonsten nie zur Kirche geht. Mich würde das eher traurig stimmen, wütend wäre ich wohl eher nicht. Aber was soll man da schon machen? Ich denke, mehr als sagen, dass es sie verletzt und traurig stimmt, kann die Mutter nicht.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


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