Kein schlechtes Gewissen dem Partner gegenüber haben sollen?
Ich habe irgendwo einmal gehört, dass man in einer guten Beziehung grundsätzlich kein schlechtes Gewissen dem Partner gegenüber haben soll, weil es gar nicht erst soweit kommen soll, dass man wegen irgendetwas ein schlechtes Gewissen haben könnte. Wenn man den Partner nicht betrügt, nicht absichtlich versetzt und verletzt und sich ihm gegenüber immer fair verhält, dann soll man nie in eine Situation kommen, in der ein schlechtes Gewissen angebracht wäre. So soll eine Beziehung am besten funktionieren.
Ich weiß nicht so recht, was ich von der Aussage halten soll. Eigentlich finde ich schon, dass ich dem zustimmen kann, wobei ich es wirklich enorm schwer finde, sich das ganze Leben lang so fair zu verhalten. Mir ist es durchaus schon passiert, dass ich meine schlechte Laune versehentlich an meinem Freund ausgelassen oder ihn angezickt habe, wobei ich dann auch immer ein schlechtes Gewissen hatte. Findet ihr, dass man in einer gut laufenden Beziehung kein schlechtes Gewissen dem Partner gegenüber haben sollte?
Wenn man sich schlecht verhalten hat, kann man durchaus auch in einer guten Beziehung ein schlechtes Gewissen haben. Ich habe gerade am Anfang der Schwangerschaft schon mal Stimmungsschwankungen gehabt und hatte dann auch ein schlechtes Gewissen, weil ich so eigentlich nicht bin und mein Partner und ich uns eigentlich auch sonst wenig streiten oder Probleme miteinander haben.
Wenn man es tatsächlich schaffen sollte, sich immer so perfekt zu verhalten, dass man nie ins Fettnäpfchen tritt und sich hinterher schlecht fühlt, ist man entweder ein Psychopath (die kennen kein schlechtes Gewissen) oder steht schon mit einem Bein im Heiligenkalender. Da wundere ich mich nicht, dass so viele Beziehungen in die Brüche gehen, wenn derart unmenschliche Ansprüche an den Partner gestellt werden.
Dass man nicht fremdgeht, halte ich in einer Beziehung auch nicht für eine besondere Leistung, sondern für die absolute Minimalanforderung, wenn man auf Monogamie aus ist. Aber selbst wenn nicht, gibt es auch genügend andere Möglichkeiten, aus Unachtsamkeit oder manchmal auch aus einem fiesen Impuls heraus die Gefühle des Partners zu verletzen. Jedenfalls kann mir keiner einreden, er (oder sie) habe noch nie im Streit auf einen wunden Punkt oder unter die Gürtellinie gezielt.
Und wenn man ein psychisch und sozial halbwegs normal eingestellter Mensch ist, denkt man sich hinterher schon hin und wieder: "Gerbera, das war jetzt wirklich gemein von dir!" und nicht immer nur "Ich mache, was ICH will, und wenn dem Typen meine Art nicht passt, kann er sich gerne vom Acker machen!" Ich empfinde einen gelegentlichen Anflug von schlechtem Gewissen daher sogar eher als Zeichen von geistiger Reife und aufrichtigem Interesse an einer funktionierenden Beziehung. Man muss ja deswegen nicht gleich in einen Zyklus aus Agressivität und darauffolgender Selbstgeißelung rutschen.
Gerbera sagt auch hier mal wieder die komplette Wahrheit was ich auch denke. Klar kann man solche utopischen Forderungen stellen, aber wenn das auch nur ein kleiner Anteil einhalten würde warum klappt es dann nicht mit Beziehungen und es kommt zum streit? Vom Fremdgehen mal abgesehen sind die anderen Punkte schon dabei die sicherlich jeder mal gemacht hat, egal ob absichtlich oder auch unabsichtlich.
Wie schnell hat man den Partner versetzt. Man verabredet sich zum Essen in einem Restaurant um 19 Uhr. Der Bus hat Verspätung und somit kommt man leider erst um 19:30 Uhr am Treffpunkt an. Eng gesehen ist das schon ein Versetzen gewesen, man ärgert sich darüber und hat auch ein schlechtes Gewissen den anderen warten gelassen zu haben. Auch wenn man dafür aktiv selbst nichts konnte, wenn man nun nicht den Bus absichtlich verpasst hat. Passiert, ist menschlich und kommt jedem mal vor.
Verletzen ist das gleiche, ich kenne niemanden der bei einem richtigen Streit nicht mal zu Waffen gegriffen hat die auch richtig verletzt haben, zumindest im emotionalen Bereich. Davon nehme ich mich nicht aus, schlechtes Gewissen kam hinterher manchmal schon zumindest im Anflug aber manches musste auch einfach mal so krass gesagt werden damit es die andere Seite verstanden hat. Kam dann die Einsicht, folgte das schlechte Gewissen weil der andere Recht hatte mit seinen Worten die vielleicht im ersten Moment auch sehr verletzend waren.
Man kann sich davor drücken vor diesen Dingen und eine Oberflächliche Beziehung führen, bei der man sich weder verabredet, noch miteinander spricht dann bekommt man das vielleicht hin. Aber wer eine Beziehung auch lebt, der wird sich mit diesen Punkten immer wieder mal aneinander reiben. Es kommt doch dann nur darauf an wie man damit umgeht. Ob man verzeihen kann oder wegen einer einzelnen Aussage direkt einen neuen Feind hat den man hasst bis zum erbrechen.
Ich bezweifle, dass das möglich ist. Selbst bei engen Freunden kann ich auch mal zickig sein, wenn ich eh schon einen schlechten Tag hatte, genervt bin, und wenn dann noch ein Thema kommt, bei dem ich einfach etwas empfindlicher bin, dann motze ich die auch mal an. Sobald ich mich etwas abreagiert habe, tut mir das dann natürlich auch leid, weil ich weiß, dass ich da etwas zu hart reagiert habe. Und in einer Beziehung wäre sowas ja sicher nicht anders.
Ich finde es auch reichlich an den Haaren herbei gezogen, dass man dem Partner gegenüber nie ein schlechtes Gewissen zu haben braucht. Wer macht denn wirklich schon immer alles richtig? Das geht doch einfach nicht. Ich finde es da nur verständlich, wenn man auch mal ein schlechtes Gewissen hat. Man tut dem Partner doch irgendwann mal Unrecht und ich denke, dass es dann nur normal ist, auch ein schlechtes Gewissen zu haben.
Ein Mensch ist doch eben auch mal ungerecht und da bleibt es doch nicht aus, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man nicht ganz Gefühlskalt ist. Alles andere ist für mich auch eher nicht umsetzbar. Ich wüsste nicht, wie das wirklich funktionieren sollte, ohne das man dann egoistisch ist.
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