Kein Mitleid mehr mit Opfern des Enkel-Tricks haben?
Fast täglich liest man bei uns in NRW in letzter Zeit davon, dass wieder eine ältere Person auf den Enkel-Trick hereingefallen ist. Der Schaden ist in den letzten Jahren exorbitant nach oben geschossen, sodass es nicht verwundert, dass die Täter weitermachen.
Doch in den letzten Jahren wurde auch genügend Aufmerksamkeit auf diesen miesen Tricks gelenkt, ältere Damen und Herren explizit gewarnt sowie im Web und TV darüber berichtet. Selbst einige Polizeistationen halten in NRW als Beispiel auch gerne entsprechende Informationstage ab, damit die Zahl der Opfer weiter sinkt.
Trotzdem scheint es so zu sein, dass noch immer sehr viele Menschen auf den Trick reinfallen und ihr Geld los werden. Natürlich tun mir persönlich die Opfer leid, aber es gibt in meinem Umfeld Menschen, die der Meinung sind, dass das Mitleid sich jetzt nach all den Informationen darüber in Grenzen halten sollte.
Heißt im Klartext, dass sie der Meinung sind, dass jeder, der jetzt noch darauf reinfällt, selbst schuld ist. Seht Ihr das auch so krass, dass wenn jemand jetzt noch auf den Enkel-Trick reinfällt, selber daran die Schuld trägt oder findet Ihr, dass diese Aussage etwas zu leicht und nicht durchdacht ist?
Es wird immer wieder irgendwelche Tricks geben, worauf ältere Menschen hereinfallen. Aber jetzt zu sagen, dass man damit kein Mitleid mehr haben sollte, finde ehrlich gesagt zum kotzen. Das sind für mich Menschen, die keine Ahnung davon haben, was es heißt irgendwann mal alt zu sein und sich wahrscheinlich einen Dreck um ihre eigene Großeltern scheren. Alt sein, bedeutet dass man viele Dinge nicht mehr so wahrnimmt wie es bei jungen Menschen der Fall ist. Deswegen sind sie von vorne herein schon mal leichter beeinflussbar. Und wenn dann einer mit irgendwelchen Tricks auf einer emotionalen Ebene kommt, dann macht sich diese Menschen erstmal Sorgen, oder Gedanken.
Jüngere Menschen hinterfragen dann vielleicht schon mal eher, weil dann sehr schnell die Frage aufkommt, warum diese fremde Person mir das erzählt. Der Gedanke, dass man dann doch am ehesten von einem Familienangehörigen informiert wird, ist für jüngere Menschen einfach klar und damit auch das gesunde Misstrauen. Das alles haben aber ältere Menschen nicht mehr in dem Ausmaß. Sie vergessen viele Dinge und wenn dann noch so kleine Krankheiten dazu kommen, wird das auch nicht einfacher für diese Menschen.
Ich finde es auch schön, dass man darüber informiert, aber man sollte mal überdenken, ob die Wege der Information vielleicht die richtigen sind. Es mag ältere Menschen geben, die sich noch mit sowas wie Smartphones und Internet auseinandersetzen, aber eben nicht alle. Es gibt auch genug, die nicht mal wirklich Fernsehen, oder die Flimmerkiste nur laufen haben, damit es nicht so still ist im Haus oder in der Wohnung.
Und auch selbst wenn diese Informationen im Fernsehen gesehen werden, wie will man dann sichergehen, dass diese nicht wieder vergessen werden. Der Körper und der Geist älterer Menschen funktioniert eben nicht mehr so, wie von Menschen die mitten im Leben stehen, das muss man auch bedenken. Es mag genug Rentner geben, die in ihrem Alter noch fit sind und nahezu alles machen können, aber es gibt auch genug, die mit Anfang 60 nicht mehr im Stande sind, ihr Leben alleine bewältigen zu können.
Man kann nicht alle älteren Menschen über einen Kamm scheren. Und auch wenn die Polizei Veranstaltungen macht, muss die Zielgruppe das erstmal erfahren und dann auch noch zu diesen Veranstaltungen hinkommen können. Es ist immer leicht gesagt, selbst Schuld, man wurde ja oft genug gewarnt. Aber wie es dann ist, werden wir dann alle erleben, wenn wir selber in dem Alter und der Situation sind. Die Leute, die jetzt sagen, dass sind sie selbst Schuld, sind dann nämlich die, die im Älter selbst auf die Schnauze fallen und ausgetrickst werden.
Wem nützt es schon, wenn ich mit ihm oder ihr "Mitleid" habe? Bekommt die Person dann ihr Geld wieder, oder die Familie fängt an, sich um sie zu scheren, oder die wirklichen Enkel rufen auch mal an, ohne dass sie Geld brauchen? Wohl eher nicht.
Aber das heißt natürlich nicht, dass ich es gutheiße oder gar Schadenfreude empfinde, wenn mit der Arglosigkeit und Hilfsbereitschaft von Älteren oder generell hilfloseren Leuten auf diese Art Schindluder getrieben wird. Ich finde auch nicht, dass Aufklärungskampagnen nur dann sinnvoll sind, wenn sie eine Erfolgsquote von einhundert Prozent aufweisen. Selbst wenn nur ein potenzielles Opfer innehält und fragt: Moment mal, wenn Sie wirklich meine Enkelin sind, wie lautet dann mein zweiter Vorname? oder schlicht auflegt, ist schon jemandem geholfen, und das ist immer eine gute Sache.
Ich bin nur generell der Meinung, dass es niemandem etwas bringt, sich hysterisch zu überschlagen, weil gerade Alte (oder Kinder oder Schwangere oder was auch immer) bevorzugt Opfer krimineller Machenschaften werden. In diesem Fall hilft kein "Mitleid", sondern Aufklärung in der Hoffnung, dass sie angenommen wird und natürlich Strafverfolgung der TäterInnen. Und wem das nicht genug ist, kann ja bei seiner eigenen Oma mal anrufen oder für die Nachbarin einkaufen oder in einem Seniorencafé aushelfen. All das bringt mehr als "Mitleid", nur damit man sich für einen guten Menschen halten kann.
Wenn ich Geschichten darüber höre, wie Menschen abgezockt wurden, frage ich mich schon oft, wie man eigentlich so dumm und naiv sein kann. Das betrifft nicht nur diesen Enkel Trick sondern zum Beispiel auch Heiratsschwindler.
Ich bin von Natur aus eigentlich kein misstrauischer Mensch und gehe erst mal davon aus, dass mein Gegenüber kein Arschloch ist bis er mir das Gegenteil beweist, aber wenn jemand von mir Geld oder Wertsachen verlangen würde, würde ich sofort hellhörig werden. Selbst bei Menschen, die ich gut kenne, wäre ich skeptisch und würde nicht zur Bank rennen.
Andererseits war ich aber noch nie in so einer Situation und weiß deshalb nicht, wie es sich anfühlt wenn man emotional extrem unter Druck gesetzt wird. Außerdem widerstrebt mir grundsätzlich dieses Denken, dass man die Schuld für eine Straftat beim Opfer sucht anstatt beim Täter.
Ja cloudy, du darfst eben nicht immer von Dir auf andere schließen. Nur weil du diese Weitsicht hast, heißt es nicht, dass alle sie haben müssen. Ältere Menschen sind eben auch recht eingeschränkt, die einen eben mehr und die anderen eben weniger. Ein schlechteres Gehör reicht schon aus, um nicht mehr 100%ig sagen zu können ob es dann nun wirklich der Enkel ist. Dafür muss man ja nicht mal alt sein. Man kann auch auf Grund der schlechten Tonqualität eines Telefons, auch durchaus in jungen Jahren, den Gegenüber verwechseln, und da man ja nicht gleich immer vom schlimmsten ausgeht, ist Grat schon relativ schmal auf dem man sich da bewegt. Man ist eben so lange im Glauben die Weitsicht zu haben, bis es einen selber trifft.
Auch was Heiratschwindlern angeht, kann man nicht gleich sagen, dass man da doch hellhörig werden muss. Diese Menschen spielen mit den Emotionen der Menschen, die sie übers Ohr hauen wollen. Und dann geht es zum Teil ja dann nicht um wenig Geld. Wie motiviert diese Menschen dabei sind, um an ein paar tausend Euro zu kommen, sieht man und hört man ja immer wieder mal. Die Opfer, sind dann aber auch so im Tunnel, weil sie eben dann die wahre Liebe vorgespielt kriegen, dass sei eben das Resultat erst mitbekommen, wenn es zu spät ist.
Und wenn man sich dann die Opfer ansieht, dann erkennt man dann auch recht schnell, warum die Masche funktioniert. Fakt ist, dass die Opfer keine jungen, sportlichen und erfolgreichen junge Frauen sind, die mitten im Leben stehen, sondern eher die, die auf dem freien Männer-Markt, sich eben nicht so die großen Chancen ausmalen. Und wenn die dann zum ersten mal erleben, so richtig umworben zu werden, kann ich mir schon gut vorstellen, dass man dann den Blick für das Wesentliche verliert. Und bevor das dann mal soweit ist, sind die Täter schon auf und davon.
Wo ich Dir recht gebe, ist das Sorgen um die Großeltern. Davon mal abgesehen, gibt es ja auch genug schwarze Schafe in der eigenen Familie, die keine Skrupel haben, die eigenen Großeltern übers Ohr zu hauen. In unserer Familie ist das zum Beispiel sehr gut geregelt. Meine Oma wird jetzt 82 und alle in der Familie, kümmern sich auf ihre Weise um sie. Mein Onkel und ich kümmern uns um das Grundstück und das Haus, jeden Sonntag geht es bei einem der Kinder zum Essen und sie bekommt ständig Besuch von irgendjemanden.
Zusätzlich ist sie dann noch mit der Frauenhilfe unterwegs oder unternimmt eben was mit ihrer Freundin. So sollte eine Familie mit den Großeltern auch umgehen, aber es gibt wohl genug Familien, bei denen das nicht annähernd so läuft und die Großeltern eher als störend empfindet. Schade eigentlich. Aber andererseits, gibt ja auch Menschen die im Alter dann schon mal recht sonderbar werden, oder sich mit Dehmens oder anderen altersbedingten Krankheiten rumschlagen müssen, aber das ist ja dann ein anderes Thema.
Nach dieser Logik wäre auch eine Frau, die nachts mit dem Minirock durch dunkle Gassen läuft, selber Schuld, wenn sie vergewaltigt wird. Gerade ältere Leute haben viele Gebrechen und nehmen oft zig Medikamente am Tag. Dann schlafen sie nicht richtig und so kommt ein Unheil zum Anderen.
Kodi hat geschrieben:Ja cloudy, du darfst eben nicht immer von Dir auf andere schließen.
Und du darfst beim nächsten mal gerne meinen Beitrag bis zum Ende lesen, dann wäre dir aufgefallen, dass ich NICHT von mir auf andere schließe und ganz klar sage, dass ich nicht weiß, wie ich mich selber in so einer Situation verhalten werde. So lange war mein Text jetzt auch nicht, dass man das nicht schaffen kann. Außerdem glaube ich nicht, dass wir uns so gut kennen, dass du behaupten kannst, dass ich irgendwas "immer" mache.
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