Kann man ohne Perfektionismus erfolgreich sein?

vom 28.03.2016, 08:30 Uhr

Ich bin ein Mensch, der schon zu Perfektionismus neigt und sehr auf Details achtet. Jetzt habe ich aber gehört, dass man auch erfolgreich sein kann ohne perfekt zu sein. Perfektionismus soll grundsätzlich unerreichbar sein und wenn man akzeptiert, dass man dieses Ideal nicht erreichen kann, soll man stressfreier leben und auf diese Weise eben viel erfolgreicher im Leben sein.

Ich bin da eher geteilter Ansicht. Mir ist klar, dass man nicht immer perfekt sein kann. Aber in manchen Bereichen ist das doch erforderlich. Nehmen wir Reinigungskräfte im medizinischen Bereich. Gerade wenn es um die Reinigung von Operationsräumen geht, ist eine größtmögliche Perfektion schon erforderlich, allein um die gesundheitlichen Folgen von Mitarbeitern und Patienten einzuschränken. Sollte sich eine Reinigungskraft jetzt einfach damit trösten, dass Perfektionismus eh nicht erreicht werden kann und eher durchschnittliche Arbeit verrichten?

Also bei mir ist es eher so, dass Nicht-Perfektionismus eher demotivierend wirkt. Wenn man mir vermittelt, dass ich keine perfekte Arbeit leisten muss, dann nimmt meine Motivation und Leistungsbereitschaft ab und ich mache nur das Nötigste, was auch nicht immer gut ist.

Wie seht ihr das? Kann man auch ohne Perfektionismus erfolgreich im Leben sein?

» Capri » Beiträge: 658 » Talkpoints: 8,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Es gibt niemals nur schwarz und weiß. Das gilt auch für Perfektionismus. Um das Beispiel mit der Reinigung von medizinischen Räumen aufzugreifen, bedeutet das, dass man die Räume eben so weit reinigen muss, dass keine Gefahr mehr für die Patienten besteht. Wenn man diesen Grad von Sauberkeit erreicht hat, hat es überhaupt keinen Mehrwert mehr, wenn man weiter putzt. Wenn eine "durchschnittliche" Reinigung diese Anforderung erfüllt, dann ist es völlig in Ordnung, wenn man sich damit zufrieden gibt.

Und so ist das in jedem Beruf auf der Welt. Perfektionismus kann sehr hinderlich sein, wenn er über das Ziel hinaus schießt. Leute, die genau wissen, wie viel sie tun müssen, dass das Ergebnis so gut wie nötig ist, sind sehr viel effektiver und mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Sie bekommen nämlich einfach mehr Arbeit erledigt und so etwas wird in der Regel honoriert.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Als ich noch jünger war, hatte ich auch einen Hang zum Perfektionismus. Allerdings dämmert mir mittlerweile immer öfter, dass ich mich damit nur selber unter Druck gesetzt habe und in den allermeisten Fällen meine Umwelt gar keinen Unterschied im Ergebnis gesehen hat, egal, ob ich mich stundenlang mit etwas abgeplagt und jeden Furz noch einmal durchgesehen oder einfach nur konzentriert eine passable Leistung abgeliefert habe. Wenn man also nicht gerade ein Atomkraftwerk vor der Kernschmelze bewahren oder eine Herz-Lungen-Transplantation durchführen muss, halte ich Perfektionismus mittlerweile für völlig überbewertet.

Wieso sollte ich mich denn über Gebühr abstrampeln, wenn das Ergebnis dann um 2 Prozent "perfekter" ist als die 80 Prozent, die ich als cleverer und routinierter Mensch/Student/Mitarbeiter einfach aus dem Ärmel schütteln kann? Zuviel Stress ist ungesund. Ich habe auch schon öfter Menschen getroffen, die beispielsweise wegen einer simplen Präsentation im Job tagelang den Tränen nahe und zu nichts zu gebrauchen waren, weil ihnen ihre eigene Leistung nicht gut genug war. Von einem derartigen Gebaren haben weder Kollegen noch Vorgesetzte etwas, und der Alltagskram bleibt vor lauter Perfektionismus auch liegen, was im Endeffekt mehr negative Effekte haben kann als eine PowerPoint-Präsentation ohne ins Bild hüpfende Buchstaben.

Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es im Job manchmal auch darauf ankommt, dass man Ergebnisse schnell und auf den Punkt liefert, und weniger darauf, dass auch jede Kleinigkeit dreimal überprüft wurde und alle Zwischenüberschriften unterstrichen sind. Oft fehlt im Arbeitsleben schlicht die Zeit, um auf die Leute zu warten, die vor lauter "ich darf keine Fehler machen" für jede Bagatelle dreimal so lange brauchen und vor lauter Details das große Ganze aus dem Blick verlieren.

In meinen Augen ist es für den ebenso vagen wie vielgerühmten "Erfolg" eher wichtig, dass man mitdenkt, dass man auch auf menschlicher Ebene einen ansprechbaren und kooperativen Eindruck macht und dass man sich auch mal geistig rege und flexibel zeigt. Wenn man immer nur auf Perfektion aus ist, steht man sich selber und anderen oft einfach nur im Weg.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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