Kann man eigene Talente wieder verlieren?

vom 17.02.2016, 11:18 Uhr

Eine Bekannte von mir möchte in einigen Monaten heiraten, wobei sie gerne Geld sparen würde, was die Hochzeit angeht. Sie hatte ihren Vater, einen gelernten Bäcker und Konditor (der aber schon mehrere Jahre nicht mehr in dem Beruf gearbeitet hat) darum gebeten, die Hochzeitstorte anzufertigen. Er hatte schon bei seiner eigenen Hochzeitstorte selbst Hand angelegt und daher weiß man eben auch, dass er das sehr gut kann. Die Torte kam damals auch sehr gut an.

Leider lehnte er ihren Wunsch ab mit der Begründung, dass er gar nicht mehr wüsste wie das geht. Er könnte ihr nicht weiter helfen und sie müsse eine andere Lösung finden. Mag sein, dass er das einige Jahre vielleicht nicht mehr gemacht hat, aber mit ein bisschen Übung müsste das doch wieder hinzukriegen sein oder nicht?

Könnt ihr verstehen, wenn ein Vater seiner einzigen Tochter so eine kleine Bitte abschlägt und sich nicht mal bemüht? Kann man Talente wirklich wieder verlieren, sodass es sinnlos wäre, ein wenig privat zu "üben", um eine Torte doch noch hinzukriegen?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann den Vater auf der einen Seite verstehen, denn der Hochzeitstag ist ja etwas besonderes und da möchte er sich vermutlich nicht blamieren, oder zu großem Druck aussetzen.

Das Talente nach einer gewissen Zeit verblassen, das mag ich nicht leugnen. Ich konnte auch einige Dinge mal besser, die ich aber immer wieder auffrischen konnte, wenn ich mich mal wieder dran gesetzt habe.

Meine Vermutung ist echt, dass er den schönsten Tag seiner Tochter nicht vermiesen möchte. Das wäre mir persönlich auch zu viel Druck.

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» DocMichi » Beiträge: 667 » Talkpoints: 3,51 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde, man sollte Talente nicht mit Fähigkeiten verwechseln. In meinen Augen sind Talente quasi ein Teil des Wesens eines Menschen. Ob daran jetzt die Gene schuld sind, der Allmächtige, oder was auch immer, weiß ich auch nicht. Aber man kann in meinen Augen beispielsweise musikalisch begabt sein, aber dennoch aus den unterschiedlichsten Gründen sein ganzes Leben lang nur unter der Dusche singen oder kein Instrument anfassen. Dann wird das Talent zwar nicht genutzt, aber es ist immer noch da, und wenn die Person sich mit 75 in der Seniorenband anmeldet, wird sie sich in diesem Umfeld auf Grund ihres Talents wohl schneller zurechtfinden als eine unmusikalische Person.

Fähigkeiten wiederum können natürlich einrosten oder schlechter werden. Ich beispielsweise halte mich für sprachbegabt, da mir Fremdsprachen relativ leicht fallen, aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich mein Talent verloren habe, wenn ich nach 10 Jahren nicht mehr fließend Polnisch sprechen kann.

Und was die Hochzeitstorte angeht: Vielleicht hat der gute Mann schlicht keine Lust, weil er Jahrzehnte über Jahrzehnte sich mit dem klebrigen Zeug herumgeschlagen hat? Vielleicht macht die Gesundheit nicht mehr mit, und er ist mit seiner eigenen Leistung dann nicht mehr zufrieden? Vielleicht wurde seine Gutmütigkeit auch oft genug ausgenutzt, um bei Familienfeiern Geld zu sparen? Es macht wohl auch einen Unterschied, ob man für die "einzige Tochter" (übrigens ein Schwachsinnsargument) deswegen backen darf, damit sie Geld spart und nicht deswegen, weil ihr die Geste emotional etwas bedeutet.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Und was die Hochzeitstorte angeht: Vielleicht hat der gute Mann schlicht keine Lust, weil er Jahrzehnte über Jahrzehnte sich mit dem klebrigen Zeug herumgeschlagen hat?

Das mag vielleicht ein Grund sein, gerade wenn er gelernter Bäcker oder Konditor ist. Nur finde ich persönlich die Ausrede ziemlich dämlich, dass er eben nicht mehr wisse wie das geht. Wenn man Jahrzehnte lang Torten und Kuchen gebacken hat, dann vergisst man so etwas in der Theorie gar nicht, auch wenn vielleicht die Praxis ein wenig eingerostet ist. Denn wenn man wollte, könnte man ja vorher wieder ein wenig "üben". Es zwingt einen ja niemand dazu, den ersten Versuch direkt als echte Hochzeitstorte auf der Feier seiner Tochter zu präsentieren.

Die Gründe für die Absage mögen unterschiedlich sein, aber die Ausrede geht in meinen Augen gar nicht. Dann soll er eben sagen, dass er keine Lust hat oder was auch immer, aber nicht, dass er nicht mehr wüsste wie das geht. Wir kennen auch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter nicht. Nachher ist die Tochter eher von der Sorte, die nur ankommt, wenn sie was will und ansonsten sich nicht für ihre Familie interessiert.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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