Jeder, der lesen kann, kann gut backen?
Vor kurzem hat Yotam Ottolenghi ein neues Backbuch veröffentlicht, in dem es um Torten, Kuchen und Plätzchen geht. Er soll bekannt sein durch Bestseller und Kolumnen, auch wenn er mir vorher gänzlich unbekannt war. Jedenfalls ist er der Ansicht, dass aus jedem Menschen ein guter Bäcker werden kann, einzige Voraussetzung wäre eben, dass man lesen kann.
Ich meine, der Herr verkauft ein Buch, es sollte klar sein, dass er damit versucht, die Verkaufszahlen anzukurbeln. Daher denke ich nicht, dass man seiner Meinung zu viel Gewicht beimessen sollte, er ist eben nicht neutral in dem Sinne. Was haltet ihr von dieser Aussage? Kann eurer Ansicht nach jeder Mensch gut backen, sofern er des Lesens mächtig ist? Oder ist das ausgemachter Blödsinn? Kann man das ebenfalls auf das Kochen beziehen oder nur auf die Backkunst?
Für mich stehen diese zwei Faktoren in keinerlei Zusammenhang zueinander - außer vielleicht in der Form, dass jemand, der des Lesens mächtig ist, keine Probleme hat, geeignete Backrezepte zu finden und zu verstehen. Aber ansonsten halte ich das einfach für eine dieser aufmerksamkeitserregenden und provozierenden Aussagen, mit denen man einfach nur das Interesse der potentiellen Kundschaft wecken will und hinter denen außer schweren Worten und viel heißer Luft nun mal nichts steckt.
Auch kann ich diesen Satz aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Ich kenne keinen Menschen persönlich, der nicht lesen oder schreiben kann - aber dafür eine Menge Leute, die nicht gut backen oder zumindest von sich behaupten, auf diesem Gebiet völlig talentfrei zu sein. Manche haben einfach zu wenig praktische Erfahrung, da sie selber Backwaren und dem Backen an sich nicht viel abgewinnen können und denen daher die Motivation fehlt, und andere sind schlichtweg zu ungeduldig und frustriert, wenn etwas nicht gleich beim ersten Anlauf perfekt klappt, und lassen beim nächsten Mal lieber die Finger davon.
Überhaupt messe ich in der Küche dem angeborenen Talent oder dem glücklichen Näschen für die richtige Würze und Garzeit nur einen kleinen Anteil am Kocherfolg zu. Der Rest ist - wie so oft - Übung, Erfahrung, Trial and Error und die stetige Verbesserung der eigenen Fähigkeiten durch Abwandlungen, Experimentieren und Ausprobieren neuer Rezepte.
Wenn er verspricht, jeder könne ein guter Bäcker werden ist doch damit noch lange nicht gesagt, wie lange der Prozess dahin dauern kann und wird. Nur weil man ein perfekt formuliertes Rezept hat, ist Irrtum ja noch lange nicht ausgeschlossen, zum Beispiel dass man aus Versehen vergisst den Wecker zu stellen, wenn der Kuchen im Ofen ist und dergleichen Fehler, die nichts mit der Fähigkeit zu Lesen sondern eher mit Sorgfalt zu tun haben.
Aber dass man mit gut formulierten und sorgfältig ausgearbeiteten und geprüften Rezepten und Anleitungen das Backen lernen kann, halte ich für durchaus nachvollziehbar. Schließlich lernt man das Bäckerhandwerk ja auch dadurch, dass einem jemand das Vorgehen erklärt, der das kann.
Ich denke schon, dass jeder Mensch backen lernen kann. Zumindest einige Grundlagen wie dass man einen Rührkuchen ohne Backmischung anfertigen kann zum Beispiel. Das heißt ja dann auch nicht zwingend, dass man dann auch automatisch die tollsten Tortenkreationen aus dem Ärmel schütteln kann.
Lesen zu können ist da sicherlich von Vorteil, aber ich denke, dass noch mehr dazu gehört. Man muss doch auch Spaß am backen haben, ansonsten bringt es sicherlich nicht viel. Wenn man sich dafür interessiert, dann wird man sicherlich mit der Zeit auch immer besser und wagt sich auch mal an schwierigere Rezepte ran.
Natürlich kann es auch sein, dass einem Backen oder Kochen gar nicht liegt, aber ich denke, dass die Meisten zumindest ein paar Standardrezepte hinbekommen. Für mich scheint es aber auch eher eine Marketing-Masche zu sein, damit der Autor seine Bücher gut verkauft bekommt.
Bei einfachen Rezepten würde ich dem zustimmen. Wenn man der Anleitung für einen einfachen Rührkuchen genau folgt ist es schon schwer irgendwas falsch zu machen. Deshalb verstehe ich es nicht, warum es gerade für solches Gebäck Backmischung gibt, die bräuchte man doch eher für Rezepte, die nicht so idiotensicher sind, oder?
Von denen gibt es nämlich genug. Letztes Beispiel aus meiner Küche - Zebra-Biskuitrolle. Vielleicht habe ich die Backzeit etwas überschritten oder ich war beim aufrollen nicht vorsichtig genug, jedenfalls ist die Rolle beim Füllen gerissen und da dieser Kuchen eigentlich komplett nackt ist damit das Zebramuster wirkt war das ein Griff ins Klo. Sicher war der Kuchen lecker, aber ein Riss im Teig, wo keiner sein sollte, ist von "gut backen" halt weit entfernt.
Es stimmt schon, dass es ganz einfache Plätzchenrezepte oder auch einfache Kuchen gibt, die man problemlos zusammenmischen kann, wenn man nur lesen kann. Da kann man dann einfach nicht viel falsch machen und das sollte jeder ganz gut hinbekommen.
Aber bei schwierigeren Rezepten sieht das dann schon anders aus und diese bekommt man nicht unbedingt hin, wenn man kein großes Interesse am Backen hat und das nur mal eben so machen möchte. Daher würde ich auch sagen, dass diese Aussage einfach nur den Verkauf des Buches ankurbeln sollte.
Sicher ist es von Vorteil, lesen zu können, wenn man nach einem Rezept backen will, welches man nicht auswendig kann. Allerdings bringt das nun auch nicht viel, wenn man sich beim Backen so ungeschickt anstellt, dass es einem nicht gelingt, ein Ei aufzuschlagen, ohne die halbe Schale mit drin zu haben. Ein einfacher Marmorkuchen wird den meisten Leuten ja auch gelingen, aber bei vielen Backwaren ist einfach Fingergeschick und Geduld gefragt.
Ich bin des Lesens mächtig, kann aber trotzdem nur einfache Backwaren backen. Mir macht backen einfach keinen Spaß, so dass auch nicht die größte Motivation vorhanden ist, mich anzustrengen. Ich habe da vielleicht auch nicht die nötige Feinfühligkeit und Geduld, was mich aber nicht stört, da ich süßes Gebäck ohnehin nicht gerne esse.
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