Ist unser Instinkt stärker ausgeprägt als logisches Denken?
Ich lese derzeit ein Buch aus Sicht eines Mannes, der Wissenschaftler ist. Das Buch ist ganz amüsant geschrieben, denn bei dem Mann handelt es sich um eine Art Sheldon Cooper, falls das jemandem etwas sagt. Er hat kein Gefühl für zwischenmenschliche Vorgänge und macht nur mit, weil er durch Beobachtungen eben weiß, wie man sich als „normaler“ Mensch verhält.
In einem Satz im Buch war geschrieben, dass unser Instinkt stärker ausgeprägt ist als unser logisches Denken. Der Satz hat mir zu Denken gegeben. Die Aussage wurde damit begründet, dass wir zum Beispiel im Schwimmbad eine ertrinkende Person retten würden, dafür aber nicht ein paar Euro an eine Hilfsorganisation spenden wollen, die mit dem Geld vielleicht mehr als ein Kind in Afrika retten könnte.
Recht hat er damit sicher, aber als ich die Aussage zum ersten Mal gelesen habe, war mir eher nach Kopfschütteln zumute. Vielleicht mag das aber auch daran liegen, dass Instinkt ein Begriff ist, den man eher mit Tieren als mit Menschen in Verbindung bringt. Wenn man es eher so ausdrücken würde, dass wir eher emotional als rational handeln, dann würde ich das so sofort unterschreiben.
Wie seht ihr das? Ist der Instinkt der Menschen stärker ausgeprägt als das logische Denken? Welche Situationen fallen euch dazu ein, um die Aussage zu widerlegen oder zu bestätigen?
Derlei Fragen, über die sich seit Generationen Forscher der unterschiedlichsen Fachrichtungen die Köpfe zerbrechen, sind nur schwer pauschal zu beantworten. Schon viele kluge Leute haben sich gefragt: Was ist der Mensch? Ein vernunftbegabtes Wesen oder doch nur ein nackter Affe, der sich für was Besseres hält?
Ich denke, dass es einerseits verfehlt ist, den modernen Menschen als durchweg vernunftgesteuert und weit vom Tier entfernt zu sehen. Damit schmeicheln wir uns gewaltig. Ich bin mir sicher, dass beispielsweise schon ein paar Tage ohne Nahrung oder Obdach bei vielen zivilisierten Zeitgenossen Instinkte und Verhaltensweisen wachrufen, bei denen man durchaus ins Grübeln kommt. Auch das menschliche Paarungs- oder Brutpflegeverhalten stellt für mich ein klassisches Beispiel dafür dar, dass wir Menschen unser Verhalten nicht immer nur auf nackter, kalter Logik basieren.
Weiterhin bin ich der Meinung, dass es von der individuellen Situation abhängt, ob in unserem Verhalten der Instinkt oder das logische Abwägen von Vor- und Nachteilen überwiegt. Wie gesagt, wenn man satt und geschützt im Warmen sitzt, kann man darüber philosophieren, welche Hilfsaktion man am besten finanziell unterstützt. Aber wenn man allein unter Wölfen ausgesetzt wird oder das eigene Kind in Gefahr gerät, kann ich mir schon vorstellen, dass Philosophie und Logik zu Gunsten von "Angriff oder Flucht" in den Hintergrund treten.
Das erwähnte Beispiel halte ich übrigens für nicht besonders aussagekräftig. In meinen Augen ist es durchaus logisch, sich vorrangig mit der akuten Notlage eines Einzelnen zu befassen und erst zweitrangig mit der hypothetischen Möglichkeit, mehreren Menschen zu helfen. Das eine schließt das andere ja nicht aus: Man kann zuerst den Ertrinkenden retten und dann ans Rote Kreuz spenden. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man selbst davon profitiert, wenn man das Wohlergehen eines Einzelnen in der Gegenwart über das Wohlergehen einer unbekannten Mehrheit irgendwo anders stellt.
Das klingt ja fast so, also schließen sich Instinkt und Logik aus. Ich kenne zwar den philosophischen Hintergrund jetzt gerade nicht, aber ich würde mal sagen, dass ein Instinkt nicht unlogisch ist, sondern im Gegenteil, er ist sogar hochgradig logisch. Wenn mich mein Instinkt in einer brenzligen Situation dazu veranlasst, einen Ertrinkenden zu retten oder die Flucht vor einem wilden Tier zu ergreifen, dann ist das wohl so ziemlich das logischste, was mir unmittelbar passieren kann.
Eine andere Sache ist das mit der Logik für komplexere Zusammenhänge. Wenn ich keinen logischen Zusammenhang sehe für eine Spende, die irgend jemanden irgendwo helfen soll, den ich gar nicht kenne, dann ist es durchaus logisch, dass ich das eben nicht tue. Die Menschen reagieren auf synthetische Zusammenhänge sehr unterschiedlich. Das hat sicher etwas mit den jeweiligen unterschiedlichen Erfahrungen und Reflexionsfähigkeiten zu tun, die man so im Leben machen kann.
Ich würde mal sagen, der Mensch ist insofern dem Tier in seinen Instinkten überlegen, weil er eine kognitive Entwicklung durchgemacht hat, die ihn eben vom Tierreich unterscheidet, nämlich die Fähigkeit zur Empathie. Diese Möglichkeit, sich selbst und das Gegenüber losgelöst von sich selbst zu verstehen, ist das, was uns dann doch unterscheidet.
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