Ist Pescetarismus für euch moralisch nachvollziehbar?

Eine Bekannte von mir isst schon seit Jahren kein Fleisch. Als richtigen Vegetarier würde ich sie aber nicht bezeichnen, da sie weiterhin Fisch isst. Sie lebt nun sicherlich schon seit zehn Jahren so, wobei sie gar nicht richtig begründen kann, weshalb sie nun Fisch isst. Sie meinte, dass sie als Jugendliche immer Vegetarier sein wollte, aber ständig Mangelerscheinungen hatten, so dass sie ihren Eltern versprechen musste, Fisch zu essen. Seitdem isst sie tatsächlich mehrmals die Woche Fisch und kann sich nun gar nicht mehr vorstellen, darauf zu verzichten. Sie meinte, dass sie das auch nicht schaffen würde. Auf Fleisch möchte sie aber dennoch verzichten, weil sie nicht möchte, dass die Tiere für sie sterben.

Dass Fische für sie sterben, ist ihr natürlich bewusst, wobei sie es besser findet, wenigstens auf Fleisch zu verzichten, als auf gar nichts von beidem. Von daher hat sie in nächster Zeit auch nicht vor, etwas an ihrer Lebensweise zu ändern und ist auch ganz zufrieden damit, zumal sie so auch mehr Möglichkeiten hat, als wenn sie normaler Vegetarier wäre.

Was haltet ihr vom Pescetarismus? Könnt ihr die Ansichten meiner Bekannten verstehen oder denkt ihr eher "ganz oder gar nicht"?

Sie hat ihren Konsum tierischer Lebensmittel damit wahrscheinlich reduziert. Es sei denn, sie isst jetzt so viel Fisch wie andere eben Fisch, Rind, Schwein und Huhn zusammen. Das ist kein neues Problem. Viele Menschen steigen auch vom Fleischkonsum auf die vegetarische Ernährung um und essen dann Unmengen an Käse. Und der wird auch nicht tierleidfrei hergestellt.

Persönlich kann ich die Unterscheidung in Fisch und Fleisch überhaupt nicht verstehen. Fische sind Tiere, so wie Rinder, Schweine, Hühner und alle anderen auch. Der einzige Unterschied ist, dass sie nicht vor Schmerzen schreien können. Somit sind Videos ihrer Schlachtung nicht so herzzerreißend, wenn man sich naiv stellt.

Schon lange bevor ich Vegetarier wurde, habe ich Fisch nicht gegessen. Ich fand es richtig widerlich, wenn andere einen ganzen Fisch auf dem Teller liegen hatten. Ein ganzes Tier, so wie es glücklich durch´s Meer schwimmen könnte. Bei einem Steak kann man sich ja noch selbst belügen und sieht das Tier nicht zwangsläufig vor Augen.

"Ganz oder gar nicht" würde ich nie sagen. Jedem das Seine. Wenn sie darauf achtet, nichts aus Aquafarmen zu kaufen, dann hatte ihr Essen wenigstens ein freies Leben und ist erst recht nicht in Massentierhaltung aufgewachsen. Ich sehe auch keinen Grund, warum sie Rind und anderes essen sollte, wenn sie nicht will. Aber persönlich kann ich es nicht nachvollziehen.

Ich habe schon das Argument gehört, dass Fische ein weniger weit entwickeltes Nervensystem haben als Säugetiere und deswegen weniger Stress empfinden und leiden, wenn sie aus dem Wasser gefischt werden und an der Luft massenhaft ersticken. Zumindest habe ich noch nie gesehen, dass auf Fangschiffen jedes Tier einzeln human getötet wird. Für die etwas simpler gestrickten Zeitgenossen kommt wahrscheinlich noch die Tatsache hinzu, dass Lachs nicht flauschig ist und nicht schreien kann.

Ich selber kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Es gibt schließlich auch ganz handfeste Gründe, kein Fleisch zu essen, die über die (natürlich auch zu berücksichtigende) Frage des Tierleids hinausgehen. Die erwähnten Aquafarmen stellen beispielsweise eine beträchtliche Belastung für die Umwelt dar, und auch der konventionelle Fischfang kann alle möglichen Schäden an der Natur anrichten.

Aber letzten Endes kann man natürlich auch sagen, dass jedes nicht gegessene Tier zählt, egal, um welche Art es sich handelt. Ich selbst esse Fleisch, obwohl ich die moralische Argumentation, die reflektierte Vegetarier vorbringen, durchaus nachvollziehen kann. Aber ich habe meinen Konsum schon sehr stark reduziert und achte darauf, Fleisch in Bio-Qualität zu verwenden, wann immer es möglich ist. Zwischen Fisch und Säugetier bzw. Vogel zu unterscheiden kommt mir persönlich in diesem Zusammenhang doch eher heuchlerisch vor.