Ist heutzutage fast jeder Beruf ein Knochenjob?
Hört man sich heutzutage mal zu einigen Berufen um, so werden ja nahezu 8 von 10 mittlerweile schon als Knochenjobs betrachtet und bezeichnet. Nur, sind das auch eure Wahrnehmungen oder haltet ihr solche Aussagen eher als sehr subjektiv und etwas überzogen?
Worin liegen denn eurer Meinung nach die Gründe dafür, dass man selbst bei vermeintlich leichteren Arbeiten, schnell den Begriff von einem Knochenjob bei der Hand hat? Wie würdet ihr denn einen Knochenjob definieren und was sind denn für euch beispielsweise wirkliche Knochenjobs?
Das kommt sehr darauf an, was man unter "Knochenjob" versteht. Wenn da die psychische Belastung dazu gezählt wird, kann man das vielleicht so sehen. Wobei diese Belastung oftmals nur wegen künstlichem Druck entsteht und nicht weil die Arbeit an sich wirklich so hart ist. Inzwischen kommt es ja auch immer öfters vor, dass Leute sich vor Langeweile kaputt machen (Stichwort: Boreout-Syndrom).
Wirkliche Knochenjobs sind für mich die, bei denen man spätestens mit 50 mit einer kaputten Wirbelsäule der Frührente ins Auge sieht, und die deswegen auch akute Nachwuchsprobleme haben, weil viele Leute es als unter ihrer Würde ansehen, etwa in der Gastronomie von früh bis spät auf den Beinen zu sein oder bei Wind und Wetter auf dem Baugerüst herum zu turnen. Mit anderen Worten: Nein, ich bin nicht der Meinung, dass jeder Beruf ein "Knochenjob" ist.
Natürlich gibt es in den allermeisten Berufen stressige Phasen und auch Zeiten, in denen man von 8 bis 5 pausenlos im Kreis herum rennt, aber psychische Belastung fällt für mich nicht unter "Knochenjob". Wenn man im warmen Büro am Schreibtisch sitzt und die Kaffeetasse neben sich stehen hat, ist die Gesamtsituation verglichen etwa mit der an Bord eines Fischkutters oder vor Ort unter Tage definitiv kein Knochenjob.
Ganz ketzerisch bin ich insgeheim sowieso der Meinung, dass es in unserer nach wie vor ausgeprägten Leistungsgesellschaft mehr oder weniger dazu gehört, über den eigenen "Knochenjob" zu stöhnen und zu jammern und die eigene Überlastung bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Schau zu stellen.
Es stellt sich bestimmt niemand hin und gibt offen zu, dass er oder sie im Job eine ruhige Kugel schiebt und auch mal für die körperliche Anwesenheit bezahlt wird, weil gerade Flaute im Betrieb herrscht oder weil die Abteilung sowieso überbesetzt ist wie nochmal was.
Aus meiner Berufserfahrung an Hochschulen und Behörden heraus sind mir schon etliche Arbeitnehmer untergekommen, die definitiv nicht hart an der Leistungsgrenze laufen, aber bei Besprechungen immer jammern, dass sie jede Woche doppelt so viel arbeiten als die Woche zuvor.
Für mich ist ein Knochenjob ein Job, den man nicht bis zur Rente machen kann ohne vorher irgendwelche gesundheitlichen Probleme zu bekommen und möglicherweise sogar eine Frührente in Anspruch nehmen muss. Dazu gehören für mich insbesondere Berufe, die mit dem Bau zu tun haben, aber auch Fliesenleger oder Berufe, die die Wirbelsäule belasten.
Für mich gehören auch Jobs zu den Knochenjobs, die ich so in der Form nie machen könnte ohne daran physisch und psychisch kaputt zu gehen. Das wären für mich nicht nur Lehrerberufe (weil Helikoptereltern einem das Leben zur Hölle machen), sondern auch Berufe, die mit Pflege zu tun haben.
Ich sehe das so wie Gerbera und definiere einen Knochenjob so, dass man ihn nicht lange (also bis zur Rente) ausüben kann ohne körperliche Folgeschäden wie eine kaputte Wirbelsäule oder kaputte Gelenke zu spüren zu bekommen. Psychische Belastungen gehören für mich nicht zum Knochenjob dazu, da jeder Job mal stressige Phasen hat. Natürlich gibt es auch Berufe, wo es wegen Unterbesetzung und Personalmangel schnell mal zum Burnout kommen kann, aber das Problem kann man umgehen, wenn man denn wollte. Aber einer berufsbedingte kaputte Wirbelsäule kann man nicht präventiv entgegen treten.
Täubchen hat geschrieben:Aber einer berufsbedingte kaputte Wirbelsäule kann man nicht präventiv entgegen treten.
Aber die kann ich operieren und halbwegs richten, genauso wie ich den psychisch erkrankten in eine psychiatrische oder psychosomatische Klinik stecken kann. Ob sie da nachher alle gesund von werden, weiß aber auch keiner.
Ich halte es für etwas zu einfach und kurz gegriffen, wenn man es jetzt auf körperliche Leiden herunterbricht. Wenn man durch permanenter Druck von oben psychisch fertig gemacht wird, ist man mit 50 Jahren genauso durch wie mit 30 Jahren Möbelschleppen. Gerade die psychischen Belastungen kommen glaube ich noch viel zu kurz.
Dabei will ich jetzt gar nicht in Abrede stellen, dass viele Jobs auf dem Bau oder Möbelpacker oder ähnlich extrem harte Arbeit sind, die man oft nicht bis zur Rente durchsteht. Aber demgegenüber stehen eben auch mittlerweile viele Schicht- und Nachtarbeiter, die gesund Kreislaufprobleme bekommen, eher Herzinfarkte und sowas und da fallen eben nicht nur Gruppen darunter die körperlich schwer arbeiten.
Ob deswegen aber jeder Beruf ein Knochenjob ist weiß ich nicht. Ich gebe zu auch ich habe mal Tage da fahren wir eher auf Sparflamme, dafür gibt es dann Tage, da packen wir irgendwie gefühlte 16 Arbeitsstunden in den normalen Tagdienst rein. Die Arbeitsverdichtung wird einfach nahezu überall größer und das betrifft vor allem die vermeintlich "leichten" Jobs.
Wenn der Straßenbauer in 8 Stunden Arbeitszeit nun mal nur 500 Meter Straße schafft, dann kann ich von ihm nun mal kaum 750 Meter fordern, weil er einfach nicht mehr schafft. Im Büro, wo man dagegen hin und wieder auch mal ein Schwätzchen zur Kontaktpflege halten konnte, sehen viele Chefs dagegen schon eher ungenutzte Potentiale.
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