Ist es schon Mobbing, wenn man nur die Wahrheit sagt?

vom 09.12.2015, 09:26 Uhr

Ich hatte früher in der Schule zwei Klassenkameradinnen, A und B. A war total der Außenseiter, überhaupt nicht sportlich, wollte aber verzweifelt dazu gehören. Sie war sogar - zufälligerweise wie B - im Badminton-Verein, wo aber niemand mit ihr spielen wollte, weil sie einfach zu langsam war.

Sie konnte nicht mal wirklich laufen und sie war sogar zu langsam um einen normalen Aufschlag beim Badminton zu machen. Das scheint bei ihr einfach in der Genetik zu liegen oder so, keine Ahnung. Besonders schnell war sie eigentlich nie, egal was sie gemacht hat. Sie wollte immer gerne sportlich sein, aber es ging einfach nicht, egal wie sie sich angestrengt hat.

Dementsprechend wollte niemand mit ihr Badminton spielen, was aber nicht an ihrem Charakter oder ihrer Art lag - sie war immer total nett und hat keiner Fliege was zu Leide getan - aber einfach an ihrer Unsportlichkeit. Ich meine, wenn ich Geld bezahle, dass ich in einem Verein Badminton spiele, dann will ich auch spielen. Ich habe da ja nichts von, wenn ich mit jemandem Spielen muss, der nicht mal einen Aufschlag hinbekommt und wo kein flüssiges Spielen möglich ist.

Jedenfalls hat B dann irgendwann gesagt, dass A doch einfach nicht spielen könnte und es sein lassen solle. Am nächsten Tag stand A jedoch mit ihrer Mutter vor Bs Haustür und As Mutter hat behauptet, B würde A mobben. Ist es für euch schon Mobbing, wenn man nur die Wahrheit sagt?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ist das die Wahrheit? Nehmen wir uns einfach mal gedanklich die Situation vor, A hätte fürsorglichere Vereinskameraden an ihrer Seite gehabt, die einfach mal alle Augen ob der Langsamkeit zugedrückt hätten und Kameradschaftlichkeit über sportlichen Ehrgeiz gestellt hätten. Dann hätten mehr Mitglieder mit A gespielt und A hätte Gelegenheit gehabt, ihre Fähigkeiten zu trainieren und dadurch zu verbessern. A wäre nach ein paar Wochen nicht mehr so langsam gewesen, wie am Anfang und das Spiel mit ihr hätte mehr Spaß gemacht. Wäre das nicht auch eine Option gewesen?

Ich finde es ein wenig sehr vereinfacht, wenn man alles auf die vermeintlich schlechten Gene schiebt und jemanden von Anfang an in die Schublade "hoffnungsloser Fall" steckt, aus der er dann nicht mehr heraus kommt.

Ich meine, A wollte einfach nur Spaß haben, dazu gehören und spielen. Anders wäre sicher die Sachlage, wenn A darauf bestanden hätte, dass sie auf einer Wettkampfliste aufgestellt wird und dann für ein besseres Mitglied kein Platz mehr gewesen wäre. Aber so tut sie doch niemandem was. Von daher kann ich die Mutter schon verstehen, wenn sie das als Mobbing einordnet. Denn Mobbing definiert sich nicht allein dadurch, was man zu jemandem sagt. Wenn eine Gruppe jemanden sozial ohne triftigen Grund isoliert, kann man das durchaus auch Mobbing nennen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich finde auch, dass der Verein sich hier mehr Mühe geben müsste. Genetisch ist niemand schlecht und man kann alles lernen, wenn aber niemand Geduld hat, dann ist es schon sehr unschön und dann wird man auch nicht besser werden. Dass das auf die Seele geht, ist schon klar und das man sich dann gemobbt fühlt, ist das auch klar, denn letztendlich sollte man als Verein einen Gemeinschaftsgedanken haben und anderen Menschen auch helfen.

Ob man dann sofort mit der Mutter bei der Person anrücken muss, ist eine Sache, aber ich kann schon nachvollziehen, warum man von Mobbing spricht. Ich hätte mich aber eher an den Trainer gewannt, damit man das zusammen klären kann und für eine bessere Gruppendynamik sorgen kann. Dieser hätte da ja auch schon mal vorher eingreifen können, finde ich.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Olly173 hat geschrieben:Ich meine, wenn ich Geld bezahle, dass ich in einem Verein Badminton spiele, dann will ich auch spielen. Ich habe da ja nichts von, wenn ich mit jemandem Spielen muss, der nicht mal einen Aufschlag hinbekommt und wo kein flüssiges Spielen möglich ist.

Ein Verein ist ein Verein und kein Dienstleistungsunternehmen. Irgendwie verwechselst du da etwas. Nur weil du Mitglied in einem Verein wirst, hast du weder das Anrecht auf einen besonders guten Trainer, der dich zum Weltmeister macht, noch steht dir automatisch ein adäquater Spielpartner zu.

Als Mitglied in einem Verein hast du dich mit anderen Menschen mit gleichen Interessen zusammengetan, nicht mehr und nicht weniger. Und das Mädchen hatte vielleicht kein besonderes Talent für den Sport, aber es hatte Interesse an dem Sport und als Mitglied natürlich das Recht, auch am Training teilzunehmen.

» cooper75 » Beiträge: 13429 » Talkpoints: 519,52 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Die Aussage "Du kannst es nicht, lass es sein" finde ich schon sehr unschön und auch wenn es wohl so sein wird, dass das Kind den Sport nicht beherrscht, dann sollte man das nicht so formulieren. Man könnte ja vielleicht einen anderen Sport vorschlagen oder man sucht jemandem im Verein, der auch nicht gut ist, damit die sich zusammentun.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich würde sagen, dass es hier ganz klar darauf ankommt, wie man so eine Aussage formuliert. Wenn das Mädchen wirklich keine sportlichen Fähigkeiten hatte, aber dazu gehören wollte, indem sie auch einem Sport nachgeht, dann finde ich es wichtig, dass man sie dabei auch unterstützt und fördert. Sicher kann man vielleicht mal vorsichtig nachfragen, ob nicht ein anderes Hobby doch geeigneter wäre.

Aber wenn man wirklich direkt sagt, dass A nicht spielen kann und es sein lassen soll, dann ist das nicht gerade sehr einfühlsam und nett. Das finde ich aber auch wichtig in einer solchen Situation, dass man nicht direkt so etwas sagt, sondern es eben höflich und nett formuliert. Sonst kann ich es schon verstehen, dass A von der Aussage getroffen war und dass sie es auch für Mobbing gehalten hat, auch wenn es vielleicht gar nicht so gemeint war.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Es gibt sensible Menschen, die meinen gleich, dass man sie mobbt, wenn man ihnen nicht nach dem Mund redet. So kenne ich auch eine Frau, die in meinem Alter ist (Mitte 50), die mich schon oft gefragt hat, wie ich beispielsweise die Frisur finde, die sie sich hat machen lassen. Ich bin ein Mensch, der sagt die Wahrheit und ich habe ihr gesagt, dass ich persönlich sie nicht so schön finde.

Das empfand sie dann auch als unverschämt und nun ist es so, dass ich in ihren Augen eine "Mobberin" bin, weil ich ihr immer die Wahrheit sage und ich kann nicht hingehen und sagen "Die Hose steht dir gut", wenn der Hintern die Hose frisst und sie viel zu eng ist. Ich kann nicht sagen, dass ihr knallroter Lippenstift ihr gut steht, wenn es nicht stimmt.

Ich finde es sehr schlimm, wenn Leute auf Komplimentenfang sind und dann feststellen, dass man keine Komplimente bekommt und sich dann als Opfer sehen. Ich finde es sehr belastend und solche Leute meide ich inzwischen. Das ist mir einfach viel zu anstrengend.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das kommt darauf an, wie man "nur die Wahrheit sagen" definiert. Ich kann einer guten Freundin freundlich sagen, dass ihr ihr T-Shirt nicht steht, wenn das denn so ist. Ich kann mir aber auch eine Gruppe anderer nehmen, und einem anderen Mädchen sagen, dass sie ja fett ist, ihre Kleidung bescheuert aussieht, ihre Frisur hässlich ist und sie ja so eine Lusche in Mathe ist. Es gibt sicher Leute, auf die die genannten Punkte antreffen, und so hätte ich dann "nur" die Wahrheit gesagt. Das erste Beispiel wäre kein Mobbing, das zweite dagegen recht eindeutig schon, meinst du nicht?

In deinem speziellen Beispiel kommt es auch stark darauf an, wie es gesagt wurde. Wenn A sich nun wirklich angestrengt hat, aber die anderen sie ausgegrenzt haben, über ihre fehlende Sportlichkeit gelästert und am Ende B so einen Spruch bringt, ist das für mich doch recht eindeutig als Mobbing einzuordnen. Hätte dagegen der Rest der Gruppe sich ebenfalls bemüht, mit A zu spielen und ihr zu helfen, woraufhin A darauf bestanden hätte, im Wettkampf mitzumachen und B etwas in Richtung "Hey, vielleicht solltest du das erstmal sein lassen, bis du etwas besser bist" gesagt hätte, wäre es wieder etwas ganz anderes.

Ich bin übrigens auch der Meinung, dass man auch Unsportliche im Verein integrieren kann, denn es hat schließlich jeder einmal angefangen. Es ist verständlich, dass die anderen auch mal "richtig" spielen wollen, was mit einem Anfänger wohl schwieriger ist, aber für so etwas kann man sich ja abwechseln. Dann muss eben für fünf bis zehn Minuten einer mal etwas langsamer machen und der Neuen helfen, dann kann man wechseln. So kommen alle zum Spielen und A kann trotzdem auch ihren Spaß haben und sich verbessern.

» Kalu-chan » Beiträge: 718 » Talkpoints: 11,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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