Ist es für Frauen verboten, zu Scheitern?
Ich habe kürzlich einen sehr interessanten Artikel gelesen, in dem die Autorin die Ansicht vertrat, dass es für Frauen gesellschaftlich absolut Tabu wäre, wenn sie Scheitern würden. Bei Männern würde man das eher lockerer sehen und nicht so tragisch. Wie seht ihr das? Macht es für euch einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau scheitert? Oder spielt das Geschlecht für euch dabei keine Rolle? Wie sieht die deutsche Gesellschaft das und wie ist das in anderen Ländern?
Mir ist der Hinsicht so noch nichts bewusst aufgefallen. Ich denke, dass Frauen mittlerweile ja auch durchaus im Beruf immer angesehener sind und längst nicht mehr so ausgegrenzt behandelt werden, wie es eben mal der Fall war. Von daher würde ich nicht sagen, dass es für ein schlimmer ist, wenn sie bei etwas scheitert. Wie das in anderen Ländern ist, kann nicht beurteilen.
Es mag da sicherlich Ausnahmen geben, wo die Frau dann vielleicht wirklich anders behandelt wird, als man dies bei einem Mann machen würde, wenn diese scheitern. Aber ich glaube nicht, dass man da nun von einem regelrechten Verbot der Frau zu scheitern, sprechen kann.
Ich habe das eher anders herum erlebt, dass man nämlich vom Mann immer noch erwartet eine Familie finanzieren zu müssen und sie deswegen nicht scheitern dürfen. Bei Frauen habe ich das eher so erlebt, dass man als Frau ja immer noch ein Kind bekommen kann und gar nicht die Karriere machen muss. So ist es zumindest in meinem Umfeld immer gewesen, wobei das sicherlich auch bei jedem etwas anders ist. Ich finde es menschlich, dass man auch mal scheitert und das bei beiden Geschlechtern.
Es kommt wie so oft darauf an, wie man "Scheitern" definiert, und spontan würde ich eher behaupten, dass zumindest in bürgerlichen Kreisen weder Frauen noch Männer scheitern "dürfen", weil dies in unserer Leistungsgesellschaft bis vor relativ kurzer Zeit als Katastrophe angesehen wurde. Wie oft harren Leute in an sich "gescheiterten" Karrieren, Jobs, Familien oder Beziehungen aus, weil ihnen von klein auf eingeimpft wurde, dass man nicht so schnell "hinschmeißt" und dass es ein Zeichen von Schwäche sei, einen einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen.
Ich finde, dass sich diese Einstellung erst sehr langsam endet, sprich, dass man als junger Mensch heutzutage zumindest riskieren kann, beispielsweise das Studienfach zu wechseln oder mehr als eine Ausbildung anzufangen, ohne gleich vor aller Welt als Totalversager und/oder Weichei ohne Durchhaltevermögen abgewatscht zu werden. Aber einen Unterschied zwischen den Geschlechtern sehe ich nur insofern, dass man Frauen eventuell eher durchgehen lässt, wenn sie finanzielle Unterstützung brauchen, und Männer eher Nachsicht erwarten dürfen, wenn sie sich als unfähig/unwillig erweisen, Kinder sinnvoll zu erziehen.
So richtiges Scheitern und Totalversagen auf ganzer Linie ist Frauen definitiv nicht erlaubt. Das zeigt die Literatur, das zeigen Filme und Serien und das zeigen die Angebote für die Ärmsten der Armen. Nehmen wir nur die Hilfe für Obdachlose in meiner Stadt.
Männer bekommen Hilfsangebote, aber sie dürfen auch einfach abhängig und wohnungslos bleiben. So lange sie die Regeln einhalten, haben sie ein Einzelzimmer und können weitere Hilfsangebote ausschlagen. Bei Frauen ist das anders. Maximal eine Nacht im Zweibettzimmer, dann muss die Frau sich für ein Programm entscheiden, ansonsten steht sie wieder auf der Straße, bis sie Einsicht zeigt. Und Einzelzimmer gibt's nur in den seltensten Fällen, Frauen binden sich für Jahre an Programme ohne Privatsphäre.
Schaut euch den Film When a man loves a woman an. Das zeigt schön den gesellschaftlichen Tenor. Die blöde, alkoholabhängige Kuh vernachlässigt den Nachwuchs und gefährdet die Ehe. Warum sie ist, wie sie ist? Egal, eine Frau muss funktionieren. Total abgestürzte Männer sind dagegen meist Opfer der Umstände. Allerdings fordert man hier, dass die sich zusammenreißen, während Frauen sich eben die Selbstbestimmung durch Wohlverhalten Selbstbestimmung verdienen müssen.
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