Ist eine generelle Attestpflicht vor Sommerferien sinnvoll?

Nicht erst seit kurzem sondern schon seit meiner Schulzeit ist bekannt, dass Kinder von den Eltern vor den Sommerferien krankgemeldet werden, um früher in den Sommerurlaub starten zu können. Aus diesem Grund gibt es an vielen Schulen eine Attestpflicht für die letzten Tage/zwei Wochen vor den Ferien. Während Schulen diese Attestpflicht für notwendig und sinnvoll erachten, beklagen Ärzte den Sturm auf die Arztpraxen vor den Ferien.

Im Netz wird dieses Thema auch angeregt diskutiert. Manche stehen voll hinter der Meinung der Schulen, appellieren ans Pflichtbewusstsein und eine damit verbundene Vorbildfunktion für die Kinder. Sie würden hier keine Ausnahme machen. Andere dagegen finden, dass in den letzten Wochen die Anwesenheit in der Schule aufgrund gemachter Noten gar nicht mehr so notwendig scheint und man da durchaus lockerer damit umgehen könne, wenn das die Kosten eines Urlaubs merklich positiv beeinflusst.

Könnt ihr die Attestpflicht von Schulen vor den Sommerferien nachvollziehen? Könnt ihr verstehen, dass Eltern ihre Kinder vor Beginn der Ferien krankschreiben lassen, um früher in den Urlaub fliegen/fahren zu können? Würde es ausgenutzt werden, wenn man die Attestpflicht zur Entlastung der Ärzte weglässt und auf das Pflichtbewusstsein der Eltern setzt?

Man sollte das nicht nur aus Sicht der Schulen und Ärzte betrachten. Da spielen auch die Arbeitgeber der Eltern eine Rolle und natürlich die Buchungsmöglichkeiten für den Urlaub. Manchmal geht es eben nicht anders, dass das Kind die letzten drei Tage vor den Ferien schon abwesend ist. Und ich persönlich finde dann Schulleiter toll, die dann sagen, dass die Eltern einen offiziellen Antrag stellen sollen und sie genehmigen eben die Freistellung.

Man kann eben, wenn man mehrere Personen unter einen Hut bringen muss, nicht immer alle Dinge berücksichtigt bekommen. Ich selbst habe zwar in den vielen Schuljahren den Urlaub immer so einrichten können, dass wir da keine Befreiung benötigt haben, was aber daran lag, dass wir nur in Deutschland gebucht hatten. Bei Auslandsflügen hätte es uns vielleicht auch passieren können, dass sich Schulzeit und Urlaub überschneidet.

In Deutschland herrscht seit weiß Gott wie vielen Jahrzehnten die Schulpflicht, und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitgeber der Eltern oder die individuellen Urlaubspläne damit konform gehen oder nicht. Und ja, wenn der erste Ferientag am 27. Juni ist, tanzt du am 26. an, egal ob du dann noch etwas lernst oder nicht. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Ich selber habe die letzten paar Schulwochen im Sommer nach dem berühmten "Notenschluss" auch gehasst wie die Pest, weil wir nur noch herumgesessen sind, die Hitze oft schon brütend war und die Zeit einfach nicht vergangen ist. Bis heute ist Juli der Monat, der mich am meisten nervt, weil traditionell in Süddeutschland die Ferien erst im August anfangen.

Aber ich kann mich mit gutem Gewissen auch nicht für eine Aufweichung der Schulpflicht einsetzen, nur damit Eltern Geld sparen, weil sie früher in den Sommerurlaub fliegen können. Sollen sie halt daheim bleiben, wenn die Kohle nicht ausreicht. Die Schulpflicht ist keine Erfindung der letzten drei Jahre, das weiß man, bevor man sich für Kinder entscheidet. Und es ist ebenso die Aufgabe der Schulen, die Anwesenheit entsprechend einzufordern. Wenn Magendarm wirklich zuschlägt, kann man ja nach wie vor problemlos daheimbleiben.

Naja, unter den Eltern, die es betrifft, wird sich der richtige Doc Holiday schon rumsprechen. Von daher ist diese Pflicht unter pragmatischen Gesichtspunkten betrachtet, vermutlich sowieso Makulatur. Aus Sicht einer ehemaligen Schülerin denke ich natürlich auch: Ach, habt euch nicht so, ich sitze hier sowieso nur blöde meine Zeit ab. Als Elternteil würde ich vielleicht sogar ähnlich denken.

Aber irgendwie schlägt da auch mein Gerechtigkeitssinn Alarm. Die Kinder, deren Eltern sich finanziell sowieso niemals einen Urlaub im Ausland leisten können, weil Mama alleinerziehend ist, die Eltern krank zuhause oder aus anderen Gründen finanziell klamm sind, gucken doppelt blöd in die Röhre. Nicht nur müssen sie den Sommer über zuhause bleiben, während Klassenkameraden in den Auslandsurlaub fahren, ne, sie müssen auch noch jedes Jahr die letzten beiden Schulwochen brav absitzen, während die mit Kohle sich quasi "freikaufen" können von den den letzten Tagen und doppelt absahnen.

Was ist das für eine Botschaft? Dann lernt man aber früh, dass man sich mit Geld oder Einfluss oder den richtigen Eltern einfach aus der Patsche ziehen kann, während andere blöd aus der Wäsche gucken. Und wie schon gesagt wurde, Schulpflicht ist Schulpflicht. Kollegen mit Kindern werden bei der Urlaubsplanung in den meisten Firmen doch sowieso bevorzugt, von daher kann ich das Argument, es ginge nicht anders, nicht wirklich gelten lassen. Auch früher gab es schon Eltern, die beide gearbeitet haben, aber trotzdem mit den Schulkindern innerhalb der großen Ferien ins Ausland verreisen konnten.

Zu meiner Zeit war das fast komplett unüblich, dass Eltern sich diese Freiheit genommen haben. Es wäre auch nicht sonderlich gut angekommen. Tatsächlich war es derart selten, dass Eltern sich sogar noch getraut hatten, in diesem seltenen Fall einen Antrag zu stellen. Aber eigentlich kann ich mich in meiner gesamten Schulzeit nur ein einziges Mal an einen solchen Fall erinnern.

Ich weiß noch, dass das meine Eltern auch mal gemacht haben. Das war alles nicht gerade einfach, man hatte auch als Kind ein schlechtes Gewissen, aber meine Eltern hatten damals einfach nicht anders frei bekommen und wollten auch Urlaub im Ausland machen. Ich war noch in der Grundschule und meine Noten waren sehr gut. Wirklich geschadet hat es mir nicht, aber in Deutschland ist nun mal Schulpflicht und deswegen finde ich es auch richtig, wenn man eine generelle Attestpflicht einführt und diese auch umgesetzt wird.

Wobei ich dann aber auch fordere, dass der Unterricht vor den Ferien sinnvoll gestaltet wird. Bei mir gab es damals immer einen Haufen Filme zu sehen, auch gerne mal die selben oder man sollte sich irgendwie selber beschäftigen, wenn das heutzutage immer noch so läuft, würde ich es dann wenig sinnvoll finden den Unterricht da noch stattfinden zu lassen, vor den Ferien. Man kann in dieser Zeit ja super Projekte machen, irgendetwas was Spaß macht und bei dem die Kinder noch etwas lernen können, das muss ja möglich sein.

Wieso wird hier mit Geld und leisten können argumentiert? Wer drei Tage vor Schuljahresende seinen Flug hat, muss weder zu wenig Geld haben, um direkt in den Ferien fliegen zu können, noch viel Geld haben, um sein Kind quasi von der Schulpflicht freizukaufen. Nicht jedes Urlaubsziel wird ab Deutschland täglich angeflogen, so dass es eben zu solchen Überschneidungen kommt. Das ist in solchen Fällen auch nachweisbar und da sollten eben Schulen auch entsprechend reagieren.

Zumal eben bei den Kontrollen, die an Flughäfen stattfinden können, eine offizielle Freistellung durch die Schule eher akzeptiert wird, wie ein ärztliches Attest.

Nicht jedes Urlaubsziel wird ab Deutschland täglich angeflogen, so dass es eben zu solchen Überschneidungen kommt. Das ist in solchen Fällen auch nachweisbar und da sollten eben Schulen auch entsprechend reagieren.

Und was hat das die Schulen zu interessieren, ob irgendwelche wohlstandsverwahrlosten Mittelständler nicht "täglich" in irgendein Entwicklungsland einfallen können, weil sie sich zwanghaft einbilden, nur exakt dort ihren Urlaub verbringen zu müssen? Ich sehe es nicht als die Aufgabe von Bildungseinrichtungen, in Absprache mit Fluglinien sicherzustellen, dass Familie Bergbrömmsel die einzige TransAll zum All Inclusive in den Sudan bekommt. Das ist ganz allein das Problem von Familie Bergbrömmsel.

Kein Bundesland schließt eine Freistellung für den Ferienflieger aus. Und ich finde es eine ziemliche Unverschämtheit, dass man überhaupt über eine Attestpflicht nachdenken muss. Wir haben hier nun einmal Schulpflicht, aber neuerdings gelten Regeln ja immer nur für die anderen.

Da werden die eigenen Blagen mit 60 Sachen durch die Zone mit Tempo 30 zur Schule gekarrt und so abgesetzt, dass es für alle anderen gefährlich wird. Urlaub vor Ferienbeginn ist ein Menschenrecht, aber Bettler gehören verhaftet und der Falschparker vor dem eigenen Haus ist eine Zumutung.

Komisch, ich musste damals regelmäßig beurlaubt werden, weil Sportveranstaltungen und Samstagsunterricht (Ja, so etwas gab es früher!) kollidierten. Jetzt bei meinen Kindern benötigen wir immer mal frei, weil Sportveranstaltungen schon donnerstags oder freitags beginnen. Trotzdem kommen wir nicht auf die Idee, die Ferienzeiten selbst zu definieren.

Ich finde es auch schade, dass diese Pflicht überhaupt erst eingeführt werden musste, denn das bedeutet ja, dass viele Eltern ihre Kinder schon vor den Ferien aus der Schule nehmen, was für mich gar nicht geht. Es gibt eine Schulpflicht und damit hat sich die Sache. Vor den Ferien hat das Kind die Pflicht, in der Schule zu sein.

Dass dann die Eltern keine einfache Entschuldigung mehr schreiben dürfen, sondern ein Attest brauchen, kann ich gut verstehen. Andererseits denke ich auch, dass es bestimmt Ärzte gibt, die immer das Attest ausstellen und so verstehe ich auch die Ärzte, die einen Ansturm befürchten.

Alles in allem würde ich es dabei belassen, dass ein Attest benötigt wird und gleichzeitig an die Ärzte appellieren, nicht einfach so Atteste auszustellen, sondern nur dann, wenn das Kind wirklich krank ist.