Ist ein fotografisches Gedächtnis auf Akustik übertragbar?

vom 09.10.2017, 05:44 Uhr

Ich hatte kürzlich eine sehr interessante Diskussion, wobei es um das fotografische Gedächtnis an sich ging. Mein Diskussionspartner behauptet von sich, ein fotografisches Gedächtnis zu haben und sich daher alles merken zu können, sogar das, was jemals gesagt worden ist. Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass dies unter diesen Voraussetzungen möglich ist. Denn ein fotografisches Gedächtnis bezieht sich doch in erster Linie auf visuelle Reize oder nicht?

Ich hatte mal einen Klassenkameraden in der Oberstufe, der tatsächlich Ansätze eines fotografischen Gedächtnisses hatte und der konnte sich Sachen nur über die visuelle Schiene merken. Also, wenn er ein Tafelbild gesehen hat zum Beispiel, oder sich Notizen angeschaut hat wegen einer Klausur. Mein Bekannter behauptet aber, dass er sich jedes Wort merken kann, was eine Person jemals gesagt hat und ist der Ansicht, dass ich etwas bestimmtes gesagt haben soll - was vom Inhalt schon niemals stimmen kann - und beruft sich dabei auf seine Gedächtnisleistung.

Was haltet ihr davon? Bezieht sich das fotografische Gedächtnis nur auf visuellen Input oder auch auf akustischen Input? Wie würdet ihr auf so ein Argument reagieren, dass sich jemand an jedes Wort erinnern will, was ihr jemals gesagt habt, weil er ein fotografisches Gedächtnis haben will?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Warum sollte das nicht funktionieren? Es ist ja bewiesen und wird in der Schule auch mehrfach durchgekaut, dass es völlig verschiedene Lerntypen gibt. Der eine kann sich eine Tabelle einmal für 5 Minuten anschauen und danach 1:1 wiedergeben, ein anderer benötigt das Schreiben eines Textes als Kabel ins Gehirn, und wieder ein anderer lädt sich Fachbücher als Hörbuch herunter und spielt diese auf seinem Handy oder MP3-Player morgens im Zug ab, um den Inhalt zu lernen. Je nachdem, welche Sinne bei einer Person besonders geschärft und ausgeprägt sind, kommt man mit der einen oder anderen Methode besser zurecht. Also glaube ich schon, dass es auch ein "fotografisches" akustisches Gedächtnis gibt.

Als Beispiel denke ich zum Beispiel an manche professionelle Musiker, die nach nur einem Anhören eines Beispielstückes in der Lage sind, dieses perfekt nachzusingen oder -zuspielen. Das ist im Wesentlichen ja auch nichts anderes, als sich einen gesprochenen Text zu merken, nur dass die Bausteine eben Noten und nicht Wörter sind.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


Täubchen hat geschrieben:Mein Bekannter behauptet aber, dass er sich jedes Wort merken kann, was eine Person jemals gesagt hat und ist der Ansicht, dass ich etwas bestimmtes gesagt haben soll - was vom Inhalt schon niemals stimmen kann - und beruft sich dabei auf seine Gedächtnisleistung.

@MaximumEntropy: Sicherlich kann man sich je nach Lerntyp manche Sachen besser merken. Aber das haut bei meinem Beispiel ja schlecht hin. Oder wie soll ein akustisches fotografisches Gedächtnis funktionieren, wenn mein Bekannter (der felsenfest behauptet, eine derartige Gedächtnisleistung zu haben) Inhalte aus einem Gespräch vollkommen falsch wiedergibt?

Nennen wir mal ein fiktives Beispiel: Ich kenne dich nicht und weiß nichts über dich. Nehmen wir aber mal an, dass du einen ausgeprägten Kinderwunsch hast und irgendwann mal eine eigene Familie haben wollen würdest mit mehreren Kindern, Haus mit Garten und dergleichen. Das war schon immer so und du könntest dir ein Leben ohne eigene Familie gar nicht wirklich vorstellen. Nun behauptet aber Person X mit einem angeblichen fotografischen Gedächtnis, dass du neulich gesagt haben sollst, dass du Kinder total blöd findest und dass du niemals eine eigene Familie gründen wollen würdest. Das haut ja inhaltlich schon nicht hin, besonders wenn man so etwas prinzipiell nie behaupten würde, da es einfach nicht stimmt.

Ich meine, bei einem Vorstellungsgespräch erzählt man als Frau gerne solche Sachen, um eine Einstellung nicht zu gefährden und stellt sich entsprechend anders dar. Man darf ja sogar lügen, wenn man im Vorstellungsgespräch auf Familienplanung angesprochen wird. Aber hier ist die Rede von einem privaten Umgang, wo man gar keinen Grund hätte, sich anders darzustellen oder zu lügen. Ist das für dich dann immer noch ein Beweis für eine perfekte Gedächtnisleistung oder wie? Haut nicht hin, meinste nicht?

Abgesehen davon sagt ja der Lerntyp nicht wirklich etwas darüber aus, wie lange man sich Informationen merken kann und wie viele. Ich bin der audio-visuelle Lerntyp, aber trotzdem behalte ich nicht über Jahrzehnte hinweg die Informationen im Kopf, sondern manches wird einfach verdrängt oder überschrieben, weil man das Wissen nicht braucht. Daher glaube ich auch nicht, dass es Menschen gibt, die sich jedes Wort von jedem Mitmenschen von der eigenen Geburt an merken können, egal wie sehr diese es auch beteuern und von sich behaupten.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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