Ist die Schule mit Krieg vergleichbar?

Ich habe neulich ein Interview gelesen, in dem Bill Kaulitz, der Sänger von Tokio Hotel interviewt worden ist. Dieser hatte seine Schulzeit als ziemlich belastend empfunden. So hätte er sich gefühlt, als würde er jeden Tag in den Krieg ziehen. Durch sein auffälliges Styling, den Nagellack und die Schminke soll er wohl ständig an seiner kleinen ehemaligen Schule angeeckt haben. Es soll sogar Lehrer gegeben haben, die sich geweigert haben, ihn zu unterrichten.

Ich fand meine Schulzeit auch nicht so überragend toll, aber ich würde meine Schulzeit nicht gerade mit Krieg vergleichen und wie im Krieg fühlte ich mich nie. Gut, ich bin optisch auch nie so extrem aus der Reihe getanzt wie Bill Kaulitz, das könnte ein Grund dafür sein. Wie habt ihr eure Schulzeit empfunden? Kann man eure Schulzeit tatsächlich mit Krieg vergleichen oder findet ihr das ein wenig sehr extrem und unpassend? Könnt ihr verstehen, dass Bill Kaulitz sich so gefühlt hat oder hat er das nur gesagt, um mehr beachtet zu werden?

Ich kann sehr gut verstehen, warum sich dieser Tokio Hotel-Sänger sehr ausgeschlossen gefühlt hat. Durch seinen eigenwilligen Stil hat er bestimmt nicht immer leicht Freunde gefunden und ist wahrscheinlich auch sehr oft angeeckt, bis hin zum ernsthaften Mobbing, wonach deine Beschreibung schon klingt.

Ich finde Mobbing immer schrecklich für die Betroffenen, da das diese in eine psychische Ausnahmesituation katapultiert, die sich für Bill Kaulitz auch sicher wie eben Krieg angefühlt haben mag. Trotz allem halte ich es für sehr übertrieben, Schule mit Krieg zu vergleichen.

Krieg ist eine Situation, die die meisten jungen Männer von heute zum Glück nicht mehr erleben müssen in Deutschland, aber das ist nicht auf der ganzen Welt so. Man denke nur an die Kinder im in Deutschland schulpflichtigen Alter, die in Kriegsregionen wirklichen Horror durchleben müssen. Mir fallen z.B. die Kindersoldaten ein, die in einem zarten Alter bereits morden müssen und andauernd Leid, Tod und Gewalt sehen.

Ich wünschte mir, dass Schüler wie Bill Kaulitz bessere Unterstützung erfahren würden durch ihre Eltern, Lehrer aber auch Mitschüler und dass es nicht so weit kommen würde, dass Betroffene wie dieser junge Mann eine solch belastende Erfahrung in der Schule machen mussten. Krieg ist das jedoch nicht, wenngleich eine psychische Notsituation für den Betroffenen, so dass auch gehandelt werden muss, z.B. durch eine Begleitung durch den Schulpsychologen.

Nein, ich würde meine Schulzeit auch nicht mit Krieg vergleichen wollen. Im Gegenteil, ich habe sogar überwiegend positive Erinnerungen an meine Schulzeit. Und wenn ein Bill Kaulitz vielleicht Mädchenhaft geschminkt zur Schule kommt, ja dann braucht er sich ja auch nicht zu wundern, wenn er von seinen Mitschülern aufgezogen wird. Und außerdem ist das für mich doch gar nicht repräsentativ, was ein Bill Kaulitz da von sich gibt und deswegen mache ich mir da auch keine Gedanken weiter drüber.

Nun ja, der Typ neigt in so ziemlich jederlei Hinsicht zum Extremen, weswegen ich ihm auch den einen oder anderen überzogenen Vergleich durchgehen lasse. Aber ich würde schon differenzieren, ob man wegen seines Nagellacks gehänselt oder von einer Kompanie besoffener Infanteristen vergewaltigt und umgebracht oder im Bombenhagel in tausend Stücke zerfetzt wird. So geht es nämlich nach wie vor vielen Zivilisten im Krieg.

Aber auch die Leute an der Waffe haben im Krieg nicht viel zu lachen. Und solange man nicht auf dem Weg zwischen Mathe und Sport auf eine Tretmine tritt und die Reste seines Klassenkameraden mit dem Wasserschlauch von der Wand spülen darf, halte ich den Vergleich auch hier für überzogen. Ich glaube auch nicht, dass ich hier noch mehr Horror und Grausamkeit als Vergleich ins Feld führen muss.

Ich bin auch der Meinung, dass die Jugend nie die sorglose und unbeschwerte Zeit darstellt, an die man sich erinnert, und dass das Berufsleben bei aller Verantwortung oft angenehmer ist als der Schulalltag, aber Krieg ist etwas anderes. Da bin ich mir sicher, obwohl ich noch nie im Krieg, dafür aber lange in der Schule war.