Ist die Rente mit 63 gerecht?
Bislang gab es in Deutschland eine feste Altersgrenze zum Rentenantritt. Eine volle Rente erhält derjenige Arbeitnehmer, der 45 Beitragsjahre geleistet hat. Wer vor dem 65. Lebensjahr in Rente gehen will, muss mit erheblichen Abschlägen bei seiner Rente rechnen. Doch jetzt hat sich dieses Bild ins Gegenteil verkehrt.
Die Menschen werden immer älter und der Demographiewandel zeigt, dass es bald mehr ältere als junge Menschen in Europa geben wird. Außerdem verfügen die Älteren oft über ein jahrzehntelang erworbenes Fachwissen, das für die Unternehmen nicht mal eben so ersetzbar ist. Für Wirtschaftsexperten ergibt sich eine düstere Prognose, nämlich die eines bedrohlichen Fachkräftemangels durch diejenigen qualifizierten Fachkräfte, die jetzt in Rente gehen können.
Der Trend, der sich nun abzeichnet, ist genau das Gegenteil von dem, was die Politik bislang gesetzlich deckeln wollte, nämlich den Unternehmer dabei helfen zu verhindern, dass Arbeitnehmer über ihr Eintrittsalter hinaus sozialversicherungspflichtig in ihrem Unternehmen bleiben. Sie waren besonders schwer kündbar und in den Unternehmen deshalb unerwünscht.
Doch jetzt ist es genau umgekehrt. Neuerdings drängt der Mittelstand die Politik, möglichst viel Anreize zu setzen, damit ältere Arbeitnehmer noch weit über ihr Renteneintrittsalter hinaus in den Unternehmen gehalten werden können. Im Gegenzug soll das Eintrittsalter für diejenigen, die vorzeitig in den Ruhestand treten wollen, auf 63 Jahre abgesenkt werden.
Ist das gerecht gegenüber denen, die weiter arbeiten möchten? Und warum muss man als älterer Arbeitnehmer mit 65 gefälligst aus dem Beruf ausscheiden, ob man will oder nicht, nur weil das Gesetz dies verlangt?
Ich glaube nicht, dass das Gesetz verlangt, dass man ausscheiden muss. Das kann man, aber man darf genauso noch weiter über das Rentenalter hinaus arbeiten, wenn man will. Das verbietet doch keiner, wenn das Unternehmen und der Mitarbeiter das wollen, kann der da noch viele Jahre bleiben. Und wer noch gut in seinem Job ist und den gern macht, warum sollte der nicht länger arbeiten, auch über das Rentenalter hinaus?
Aber es gibt nicht nur top motivierte Menschen, die wahnsinnig dringend gebraucht werden. Viele haben einfach nur irgendeine Stelle oder Jobs, die auch körperlich anstrengend sind. Wen das betrifft, der will sicherlich gerne in Rente gehen und auch gerne etwas früher. Stelle dir mal jemanden vor, der 40 Jahre lang körperlich arbeitet, der hat dann auch irgendwann Gelenkprobleme etc. Der wird froh sein, wenn er in Rente gehen kann.
Ich glaube nicht, dass sich dieses Konzept pauschal auf alle Berufsgruppen übertragen lässt. Mein Chef beispielsweise ist mittlerweile 63 und darf jetzt in Rente gehen. Er hat aber einen Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit gestellt, sodass er noch bis 67 arbeiten darf. Länger arbeiten darf er aber nicht, angeblich muss er dann zwangsweise in Pension gehen.
Mir sind die Hintergründe da nicht so ganz klar, weil ich mich da noch nicht lange mit beschäftigt habe. Aber es wurde mir so mitgeteilt. Gerade in so einem intellektuellen Beruf wie bei meinem Chef, finde ich durchaus, dass er länger arbeiten dürfen sollte. Es ist ja nicht besonders körperlich anstrengend in einem Forschungsinstitut zu arbeiten, sodass ich das hier nicht so streng sehe.
Ich hatte auch schon Dozenten, die seit einigen Jahren in Pension waren, aber denen war so langweilig, dass die zwischendurch für ein Semester wieder an die Uni zurückgekehrt sind. Ich finde, gerade wenn die das freiwillig machen wollen und so viel Spaß an der Arbeit haben dann sollte man solchen Personen keine Steine in den Weg legen sondern sie unterstützen.
Ich kenne aber auch etliche aus körperlich anstrengenden Berufen, die bis zur Rente nicht durchhalten werden. Ein Bekannter von mir hat nach der Schule eine Ausbildung zum Maler und Lackierer gemacht und arbeitet seitdem auf dem Bau. Er hatte schon mit Mitte 20 derartig heftige Rückenschmerzen, dass es sogar Tage gab, bei denen er Probleme hatte mit dem Aufstehen. Ein anderer Bekannter hat eine Ausbildung zum Fliesenleger gemacht und auch bei ihm waren mit Mitte 20 die Knie fast kaputt. Solche Berufe kann man nur mit Mühe und Not bis 63 durchziehen und dann soll man das Renteneintrittsalter noch erhöhen?
Ich finde, dass man da definitiv abwägen sollte und ich vermute, dass das bei intellektuellen Berufen leichter ist die Arbeitszeit zu verlängern sofern das Interesse der Beteiligten da ist, als bei körperlich sehr anstrengenden Berufen.
Niemand muss mit 63 Jahren in Rente gehen. Die gesetzlichen Regelungen geben nur die Möglichkeit dazu. Verpflichtend kann sich so etwas nur aus arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen ergeben.
Und natürlich ist die Rente mit 63 nicht unfair. Das betrifft Menschen, die mit spätestens 18 Jahren angefangen haben, richtig zu arbeiten. In diesen Jahrgängen sind beispielsweise alle Abiturienten ausgenommen.
Und Fliesenleger, Bauhelfer, Gerüstbauer, Lagerarbeiter, etc. sind schon Jahre vorher "durch". Die haben in Mehrzahl der Fälle so schwerwiegende körperliche Beschwerden, dass sie es kaum bis zur 63 schaffen.
Langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute dürfen auch früher in Rente. Eigentlich reichen 25 Jahre als Wartezeit aus. Aber ein bekannter, der wegen seines Alters noch mit 60 gehen durfte, hatte dann auch wirklich komplette 45 Jahre unter Tage hinter sich. Und 45 Jahre als Hauer, seit er 15 war, das sollte doch reichen, oder?
Viele Menschen kann man nicht an einen Schreibtisch versetzen. Die leisten hervorragende Arbeit, aber die Leistung ist eben eher körperbetont. Wie lange sollen die das denn durchhalten? Diese Menschen werden in der Regel nicht uralt. Sollen die arbeiten, bis sie umfallen?
Bisher haben meines Wissens nach weniger als 20 Prozent der 65Jährigen überhaupt noch einen Vollzeitjob und hier mit Fachkräftemangel zu argumentieren, ist doch ein absoluter Witz.
In der Realität werden doch flexible, junge Ingenieure, Informatiker oder Ärzte gesucht und keine älteren Hilfsarbeiter mit fünffachem Bandscheibenvorfall, Schlaganfall oder Herzinfarkt. Und genau diese werden auch die Rente mit 67 eben nur 2 Jahre länger für ihr Unglück bestraft und wozu?
Damit der Soli abgeschafft werden kann? Damit der Spitzensteuersatz weiter bei 45 bzw. 30 Prozent bleiben kann? Die HRE hat den Steuerzahler alleine über 100 Milliarden gekostet und deren Manager wollten noch Boni und entgangenes Gehalt einklagen. Der Berliner Flughafen ist ebenso wie viele Rüstungsprojekte ein Desaster und die wundersame Erhöhung der Steuerschuld im Falle Uli Hoeneß sollte doch auch den einen oder anderen stutzig gemacht haben. Da darf jemand, der sein Leben lang brav und fleißig gearbeitet hat auch seine Minirente mit 63 genießen und braucht sich keine scheinheiligen Sprüche anzuhören.
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