Ist Deutschland zu wenig behindertengerecht in euren Augen?

vom 29.01.2015, 11:46 Uhr

Ich habe mir eben mal ein paar Gedanken gemacht zu bestimmten Behinderungen und wie sie den Alltag einschränken. Dabei ist mir aufgefallen, dass man im Alltag doch ganz schöne Probleme haben kann. Beispielsweise durch zu hohe Gehwege oder auch durch Häuser, die keinen Fahrstuhl haben, aber auch durch viele andere Dinge. Ich glaube, dass man sich in Deutschland einfach noch zu wenige Gedanken darum macht. Wie seht ihr das? Müsste nicht alles auch für behinderte Menschen gemacht sein?

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Es wird niemals alles für behinderte Menschen ausgerichtet sein können, da es die unterschiedlichsten Behinderten gibt. Ein Gehörloser hat andere Ansprüche als ein Blinder und wieder ganz andere Bedürfnisse als der Rollstuhlfahrer oder der Spastiker.

Möglichkeiten sind durchaus gegeben, werden nur leider manches Mal durch einzelne Mitarbeiter, zum Beispiel bei der Bahn, zunichte gemacht. Von Maria Langstroff gibt es dazu das Buch "Mundtot", in dem schilderte, was ihr als Rollstuhlfahrerin und Bahnkundin alles passierte.

Benutzeravatar

» Trisa » Beiträge: 3317 » Talkpoints: 36,86 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ganz behindertengerecht wird es sicher nie, manche Probleme sind für nicht behinderte Personen einfach nicht erkennbar und auch unter den verschiedenen Behinderungen gibt es ziemliche Unterschiede. Ganz zu schweigen von den persönlichen Unterschieden, für den einen ist die Kante zu packen, der Andere schafft sie eben nicht. Da wird es immer Mängel geben. Aber wenn man hilfsbereit ist muss auch nicht immer alles behindertengerecht sein, da hilft man den Menschen einfach mal und gut ist.

Finde es in der Situation auch nicht schlimm wenn geholfen wird, man meint es ja nur gut mit einem. Sicher wollen ein paar Behinderte nicht, dass man ihnen hilft, aber man meint es ja nur gut mit ihnen und dann sollte man sich auch helfen lassen.

» EmilaByz » Beiträge: 152 » Talkpoints: 36,38 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Warum sollte sich ein Behinderter, der keine Hilfe möchte, einfach so helfen lassen, weil der potenzielle Helfer es gut meint. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Je größer die Einschränkung ist, desto höher ist bei vielen - verständlicherweise - der Wunsch nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.

Außerdem gehen viele Fähigkeiten wieder verloren, wenn sie nicht ständig trainiert werden. Das ist dann extrem blöd. Denn einerseits war es massiv schwierig, das Nötige überhaupt zu erlernen. Andererseits steht der Behinderte dann ziemlich dumm und hilflos da, wenn zufällig kein gut meinender Helfer in der Nähe steht.

Generell empfinde ich die Situation für Behinderte in Deutschland als sehr schwierig. Hier gibt es Heime und Werkstätten, aber eine Normalität bei der Teilnahme am alltäglichen Leben gibt es nicht. Da sind andere Länder durchaus weiter als wir. Dort sieht man auch viel mehr Menschen mit Behinderung im ganz normalen Leben.

Wobei ich es manchmal geradezu als Irrsinn empfinde, welche Angebote es gibt und welche nicht. Ich kenne Parkscheinautomaten, die reden mit einem. Das soll die Barriere für Blinde aufheben. Aber wie oft fahren die wohl Auto? Warum bekommt hier ein stark sehbehinderter Mensch die Möglichkeit, einen Parkschein zu ziehen?

Der Blinde wird in diesem Fall immer einen sehenden Begleiter haben. Aber dafür steht er dann, wenn dieser Begleiter nicht dabei ist, hilflos vor dem Fahrkartenautomat. Der ist nämlich nichts für Sehbehinderte gedacht. Und nicht jeder hat einen Ausweis für Bus und Bahn. :wall:

Oder die Inklusion in den Schulen jetzt. Auf der einen Seite ist das eine sehr gute Sache. Kinder mit Behinderungen sollten nicht automatisch von den normalen Schulen ausgeschlossen werden. Aber jetzt werden Kinder, die eine besondere Schule benötigen, in das normale System gedrängt.

Es fehlt an Betreuern und zusätzlichen Lehrkräften. Schulen werden geschlossen. Anfahrten werden viel weiter, wenn keine normale Schule als Lösung möglich ist. Das ist dann auch eher eine bescheidene Umsetzung einer an sich überreifen Idee.

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Dass man nie alles so bauen kann, dass es jeder Behinderung gerecht wird, sollte klar sein. Vor allem dann, wenn Häuser saniert werden, ist es durch die baulichen Gegebenheiten nicht immer möglich, dass man einen Fahrstuhl anbieten kann. Allerdings weiß ich, dass man in Erfurt beim Studiengang Stadtplanung schon die Belange von behinderten Menschen berücksichtigt. Das geht sogar soweit, dass die Studenten mit verbundenen Augen durch die Stadt gehen, um besser erkennen zu können, was die eigentlichen Probleme sind.

Nur kann man zum Beispiel nicht innerhalb von kurzer Zeit sämtliche Gehwege mit dieser Schiene nachrüsten, die blinde Menschen für ihren Taststock nutzen. Das macht man dann eben nur, wenn der Gehweg neu gemacht wird. Es ist ja leider auch eine Kostenfrage, die man dabei mit berücksichtigen muss.

Ich persönlich würde es zum Beispiel aber begrüßen, wenn man in Städten an den Haltestellen für Busse und Straßenbahn auch durchsagen würde, welche Linie als nächstes kommt. Denn dort haben vor allem Menschen mit einer Sehbehinderung das Problem, dass sie andere Menschen fragen müssen. Und da habe ich schon Situationen erlebt, wo die Angesprochenen wortlos ein paar Schritte weg gegangen sind.

Auch wie in einem anderen Thread angesprochen wurde, kann man nicht alle Schulen so führen, dass auch Kinder mit körperlicher Behinderung beschult werden können. Hier bei uns gibt es eine Oberschule mit Fahrstühlen, was für den Bedarf völlig ausreichend ist. Klar, die Familien haben dann keine Wahl mehr in welche Schule das Kind gehen wird. Aber immerhin gibt es eine passende Schule vor Ort, die auch gut aus allen Richtungen zu erreichen ist.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Dazu können wahrscheinlich nur die direkt Betroffenen, also die Behinderten, Auskunft geben. Nur sie kennen die täglich auftretenden Schwierigkeiten mit denen sie zu kämpfen haben ganz genau. Natürlich sehe ich das auch wenn die Behindertenparkplätze mal wieder belegt sind oder abgesenkte Bordsteinkanten zugeparkt werden. Ich kann aber nicht abschätzen wie schwer es ein Rollstuhlfahrer wirklich beim täglichen Einkauf hat und ob ein Kleinwüchsiger wirklich jede Klingel erreicht die er drücken möchte.

Die unterschiedlichsten Behinderungen gibt es ja leider auch. Ein Blinder benötigt andere Hilfen als einer der an multipler Sklerose erkrankt ist oder jemand der nicht mehr so klar denken kann. Es ist schwierig sich da auf alles einzustellen und für jede Eventualität vorbereitet zu sein.

Rein technisch gesehen hat sich aber nach meiner Ansicht in letzter Zeit sehr viel getan. Es gibt kaum noch ein öffentliches Gebäude bei dem nicht ein Lift oder eine Anfahrrampe installiert wurde, die Ampeln geben auch akustische Signale und die Wohnungsgesellschaften richten auch verstärkt behindertenfreundliche Wohnungen ein. In unserem kleinen Ort wurde ein ganzer Wohnblock so umgestaltet dass auch Behinderte dort wohnen können. Ob das alles ausreicht, ich weiß es nicht?

Ich vermute einmal dass es vielmehr die täglichen Kleinigkeiten sind die einen Behinderten in den Wahnsinn treiben. Vielleicht sollte man dann zum Beispiel auch als Privatperson mehr darauf achten dass zum Beispiel die Behindertenparkplätze nicht durch Unbefugte genutzt werden. Wenn dieses Bewusstsein mehr in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wird dann dürfte Deutschland auch Behindertenfreundlicher werden als es jetzt vielleicht schon ist.

Ich muss aber auch sagen dass es manchmal doch übertrieben wird, solche Umbauten und Annehmlichkeiten speziell für Behinderte verursachen ja auch Kosten. Ich arbeite in einem Amt und da wurde für sehr viel Geld so ein kleiner Aufzug errichtet der einen Rollstuhlfahrer vom Hof die vier Stufen hoch transportieren kann. Eine Klingel gibt es daneben natürlich auch so dass jemand dabei helfen kann.

Ich weiß nicht was der massive Edelstahlaufzug gekostet hat, aber billig war er garantiert nicht. Dazu kommen halbjährliche Wartungskosten, die anfallenden Reparaturen und die regelmäßige Beseitigung von Schäden durch Vandalismus. Auch die ausgefallene Arbeitszeit für die regelmäßigen Schulungen unseres Personals muss man dabei einrechnen. Für den Hersteller und die Wartungsfirma sicherlich ein lohnendes Geschäft, für den Haushalt aber eine Katastrophe wenn man das mal auf das ganze Land hochrechnet.

Übrigens, ein Rollstuhlfahrer stand hier seit 1990 noch nie vor der Tür. Nur einmal, der war aber falsch und wollte nur Zeitschriften-Abos und Postkarten verkaufen. Wir bekommen nun auch nicht so wahnsinnig viel Besuch so dass diese Installation völlig überflüssig ist. Wenn der Standort überdacht wäre dann hätte das vollkommen ausgereicht damit niemand im Regen steht und einen trockenen Fahrradabstellplatz hätte man damit auch noch erhalten.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Das ist relativ gemischt, zumindest in dieser Region, in der ich wohne. Während vor Einkaufszentren und in der Stadt so viele Behindertenparkplätze vorhanden sind, dass man sie nie im Leben alle brauchen wird, sieht es mit der so genannten Barrierefreiheit ziemlich mau aus bei uns. Das Rathaus nicht zugängig, weil keine Rampe. Das Selbe gilt für Theater und Kino. Im Freibad kämen Rollstuhlfahrer voll auf ihre Kosten. Aber auch nur, weil es frisch saniert wurde und das mit eingeplant war.

» Rika Wächter » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^