Ist Deutschland besonders spendenfreudig?

Ich habe vor kurzem gehört, dass die Deutschen besonders spendenfreudig sein sollen. Gerade zu Weihnachten liest und hört man überall, dass zum Spenden aufgerufen wird und viele kommen dem auch eben nach. Weil sie eben gerade auch zu Weihnachten ein Stück abgeben wollen, damit auch andere Menschen es besser haben sollen.

Ich muss sagen, dass ich auch immer wieder die Spendenaufrufe und Spendengala etc. in Deutschland mitbekomme. Wie sich das im Ausland verhält, weiß ich gar nicht. Davon wird ja doch eher wenig berichtet. Meint ihr, dass die Deutschen besonders großzügig und freudig sind, wenn es ums spenden geht? Woran liegt das eurer Meinung nach? Oder hat man da vielleicht nur den Eindruck, da man solche Spendenaktionen meist nur aus Deutschland mitbekommt und von anderen Ländern eher nichts mitbekommt?

In anderen Ländern wird das auch nicht so Medienwirksam aufgezogen wie es hier der Fall ist gerade an Weihnachten. Alleine der RTL Spendenmarathon ging mir schon gewaltig auf den Keks, über viele Wochen überall die Werbung dafür, egal ob in Bus, Bahn und sonstiges. Dazu an jeder Ecke einer mit Sammeldose der für dieses und jenes sammelt und die Werbung allgemein im Fernsehen die zu 90% nur noch aus Spendenaufrufen besteht.

Klar rückt es dann in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wenn man an jeder Ecke damit konfrontiert wird in jedem seiner Lebensbereiche. Damit man seine Ruhe hat und auch sein eigenes Gewissen beruhigt, wird dann etwas gegeben. Im Ausland läuft so etwas das ganze Jahr über und nicht nur zu Weihnachten und wird auch nicht so vermarktet wie das hier der Fall ist. Dort nennt sich das auch nicht Spendenmarathon und Spendenball, sondern Charity. Suche mal die Medien nach diesem Begriff ab und du wirst sehen, dass es im Ausland durchaus auch stattfindet.

Es kommt in der Regel konkret darauf an für welche Sache die Spendenaktion gedacht ist. Für eine Kinderkrebsstation wird natürlich viel mehr gespendet als für einen Verein von anonymen Alkoholikern. Der Bekanntheitsgrad und die reale Situation der betreffenden Sache spielt dabei auch eine wichtige Rolle. Die Jahreszeit der Spendenaktion ist auch noch sehr wichtig, denn in den Sommermonaten hat man damit wohl keinen Erfolg.

In Deutschland wird vergleichsweise wenig gespendet. Spitzenreiter sind bei Spenden Länder wie die USA, Großbritannien oder Irland. Dort hat Wohltätigkeit aller Art eine lange Tradition, weil das Sozialsystem entweder sehr jung oder sehr lückenhaft ist.

Auch die Niederländer spenden mehr, auch dort hat Spenden eine längere Tradition. Deutschland liegt irgendwo um Platz 20 im weltweiten Vergleich. Weil eben in vielen Ländern Spenden die soziale Sicherung darstellen oder ergänzen und Armut ganz anders bewertet wird.

Unsere Tradition gibt Bedürftigen fast immer die Schuld an ihrer Situation. In anderen Kulturen dagegen hat Mildtätigkeit einen ganz anderen Stellenwert. Wer hat, ist dort eher moralisch verpflichtet, zu geben. Wobei das nicht unbedingt immer so fürchterlich selbstlos ist. Denn wer durch Spenden ausreichend versorgt wird, dem muss man kein Recht auf Hilfe einräumen.

Ich frage mich gerade, ob die Deutschen ebenso spendenfreudig wären, wenn man hier im Lande nicht permanent mit Spendenaufrufen konfrontiert werden würde. Ich denke dann viel mehr, dass die Spendenbereitschaft zurück gehen würde, weil man gar nicht mehr auf dem Schirm hätte, dass unterernährte Kinder in Afrika mit großen traurigen Kulleraugen am Verhungern sind. Dementsprechend frage ich mich, woher die Aussage stammen soll, dass die Deutschen besonders spendenfreudig sein sollen, gerade wenn laut cooper Länder wie die USA da eindeutig weiter und spendenfreudiger sind.