In Trauer hineinsteigern können?
Jeder hat sicherlich schon mal einen geliebten Menschen verloren und um diesen getrauert. Ich frage mich, ob man sich in die Trauer regelrecht hineinsteigern kann. Immer wieder hört man ja, dass das eigene Leben ja weitergehen muss und der Alltag eben bei der Trauerbewältigung hilft. Es kommt sicherlich auch immer auf den Trauernden an und wie dieser damit umgeht.
Habt ihr schon erlebt, dass sich jemand in Trauer hineingesteigert hat? Wie hat sich das geäußert? Ist es euch selbst schon so gegangen? Wie kommt man da wieder heraus? Schafft man das nur, indem man sich Hilfe sucht?
Oh ja, ich hatte einmal eine Freundin, die hat sich immer hinein gesteigert, wenn auch nur irgendjemand gestorben ist, den sie höchstens einmal gesehen hat. Sie hat dann Geschichten gefunden, dass sie die Person ja so gut gekannt hätte und alles. Das fand ich immer ganz furchtbar.
Einmal ging es sogar so weit, dass sie auf eine Beerdigung gehen konnte und ich nicht, weil wir zusammen arbeiteten und sie zuerst gefragt hatte. Allerdings kannte ich die Person wirklich gut und hatte sehr viel Zeit mit ihr verbracht. Aber ich sagte dann nichts mehr dazu.
Ich habe einmal gelesen, dass es am Sternzeichen liegt. Also sie ist auch sonst ein sehr sensibler Mensch, der ständig traurig ist und sich in alles hinein steigert. Ihr Sternzeichen ist Krebs. Mittlerweile ging mir das aber dann so auf den Senkel, dass ich nun nicht mehr mit ihr befreundet bin.
Unsere Freundschaft bestand nämlich nur daraus, dass ich sie ständig trösten musste, eigentlich das ganze Jahr über, weil immer jemand gestorben war, der ihr so "nahe" stand.
Die Frage ist doch so gesehen überflüssig. Denn genau genommen kann man sich in nahezu alles reinsteigern, wenn man es übertreibt und nicht die Bremse zieht. Das hat mit der Trauer an sich gar nichts zu tun. Was das auch mit dem Sternzeichen zu tun haben soll erschließt sich mir nicht. Ich kenne viele Krebse, aber keiner davon ist in dieser Hinsicht so empfindlich und steigert sich in Trauer so dermaßen hinein. Ich sehe da absolut gar keinen Zusammenhang zum Sternzeichen Krebs.
Na ja, was verstehst du unter "hineinsteigern"? Behaupten das andere, dass sich da jemand in die Trauer "hineinsteigert"? Ich trauer nach 16 Jahren immer noch um meine Schwiegermutter. Mein Mann hatte anfangs auch genug mit der Trauer um seine Mutter zu tun und war dennoch für mich da. Ich habe mich vielleicht in die Trauer hineingesteigert, wenn man es so definieren will. Denn ich weiß von der Beerdigung nichts mehr. Schon am gleichen Tag war das für mich ein Erlebnis, welches nicht stattgefunden hat, obwohl ich natürlich dabei war. Ich war wohl wie im Trance und habe nichts mitbekommen, was mein Gedächtnis gespeichert hat.
Wenn mir in der akuten Trauerphase aber jemand gekommen wäre und hätte mit gesagt, dass ich mich hineinsteigere, dann hätte ich zu dieser Person wohl Abstand gehalten. Ich habe gerade von meiner Familie in so einer Situation erwartet, für mich da zu sein damit ich meine Trauer auch ausleben kann. Mein Mann und ich haben uns gegenseitig gestützt. Wäre es nicht so gewesen, wären wir wohl nicht mehr zusammen. Ich finde es respektlos, wenn jemand in so einer Situation von "hereinsteigern" spricht.
Ich kenne auch Menschen, die sich in Trauer hineinsteigern und noch Jahre danach immer anfangen zu heulen, wenn sie davon reden. Ich möchte das jetzt auch nicht so banal rüber bringen, wie es klingt, aber bei manchen ist das ein Mitleidsdingen, ganz klar. Natürlich tut es immer weh, wenn jemand stirbt. Wir Hinterbliebene leiden natürlich darüber, weil eine Person fehlt, man sie vermisst usw. Doch die Trauer muss auch ein Ende haben oder?
Doch ich kenne viele Menschen, die immer wieder weinen, wenn man die Person nur erwähnt. Die den Raum verlassen müssen. Bei denen man am besten nicht über die verstorbene Person reden darf, die traurig sind und damit auch die gesamte Grundstimmung der Gruppe behindern. Mich nervt das irgendwann nach Jahren aber auch an, weil irgendwann muss man weiterleben und ich weiß immer, dass die Verstorbenen es auch nicht wollen, dass man ständig trauert statt an etwas Gutes zu denken und zu lachen.
Trauer kann man zeitlich nicht bemessen. Jeder trauert immer irgendwo auch mal was länger, aber wenn jemand dann immer weint, wie in meinen Fall gemeint oder man die Personen nicht mal mehr erwähnen kann ohne, dass es in einem Heulkonzert endet, dann habe ich da eigentlich schnell die Nase voll und das ist auch mir dann wirklich zu viel.
Ich kenne auch so eine junge Dame. Zu ihrer eigenen Familie hat sie eher wenig Kontakt. Dafür versteht sie sich mit der Familie ihres Partners umso besser, mit dem sie seit über einem Jahr zusammen ist. Nun ist die Oma des Partners vor kurzem gestorben und die Frau war völlig fertig und hat sich sogar einige Tage frei genommen. Die beiden hatten ein gutes Verhältnis, hatten sich aber eben vielleicht auch nur zwei oder dreimal persönlich gesehen.
Nun ist auch noch der Opa des Partners gestorben und wieder hat sie sich frei genommen und krankschreiben lassen und noch dazu richtig zurückgezogen. So etwas kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Es ist ja völlig legitim, auch mal zu trauern, aber wochenlang fertig zu sein, wenn ein Verwandter des Partners stirbt, mit dem man nicht so viel zu tun hatte, ist schon heftig.
Man muss aber auch sagen, dass der Partner da wohl quasi der Auslöser ist. Diesem ist seine Familie extrem wichtig und dieser trauert da auch unendlich stark und zieht meine Bekannte da wohl quasi mit in diesen Trauerstrudel. Ich muss aber sagen, dass ich das schon sehr bedenklich finde und frage mich, wie die beiden denn reagieren, wenn den Eltern oder Geschwistern des Partners mal etwas zustoßen würde.
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