In Gesprächen gewissen Bildungsstand voraussetzen?

vom 25.10.2015, 19:38 Uhr

Neulich habe ich mich am Flughafen mit einem etwas älteren Herrn unterhalten, da ich eine recht lange Wartezeit hatte. Der Mann war Professor für Völkerrecht an einer Londoner Universität und sehr mitteilungsfreudig.

Damit hatte ich an sich kein Problem, da er einen recht netten Eindruck hatte und offensichtlich auch zur derzeit in Europa herrschenden Flüchtlingskrise eine Meinung hatte, die er gerne mitteilen wollte.

Allerdings habe ich recht schnell gemerkt, dass er im Gespräch mit mir einen Bildungsstand voraussetzt, den ich in diesem Themenbereich definitiv nicht habe. Das teilte ich ihm dann auch mit, worauf er zu meiner Überraschung relativ zugeknüpft reagierte und sich dann einen anderen Gesprächspartner suchte.

Ich sprach dann mit einem Bekannten darüber und er meinte auch, dass er ein Gesprächen eigentlich immer einen gewissen Bildungsstandard voraussetzt. Dieser ginge dann teilweise auch über die normale Allgemeinbildung.

Das fand ich schon sehr verwunderlich, da ich eigentlich immer darauf achte, nicht zur sehr ins Fachliche abzuschweifen und es ehrlich gesagt auch relativ unfreundlich finde, einen hohen Bildungsstand vorauszusetzen.

Geht es euch auch so, dass ihr in Gesprächen immer euren eigenen oder einen höheren Bildungsstand voraussetzt? Oder ist eher das Gegenteil der Fall? Findet ihr es nachvollziehbar, dass einige Personen das machen oder absolut unverschämt?

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich liebe gute Gespräche und ich wünsche es mir auch, dass mein Gegenüber einen gewissen Bildungsstand aufweist. Ich kann es nicht mal als Bildungsstand bezeichnen, aber mein Gegenüber sollte interessante Gespräche führen können und sich auch den Themen anpassen können. Ich selbst verlange nun nicht, dass es sich super in den aktuellen Themen auskennt, aber ich bevorzuge eine eigene Meinung und wenn man sie auch sachlich und ordentlich darlegen kann.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich passe mich da eher im Gespräch an. Natürlich ist es schön, wenn man ein geistreiches Gespräch führen kann, aber es haben nun mal nicht alle einen hohen Bildungsstand und ich denke nicht, dass man deswegen ein schlechterer Mensch ist. Man kann sich mit weniger gebildeten Menschen oder Menschen mit geistiger Behinderung ja auch gut unterhalten, dann aber eben über andere Themen. Schlimm finde ich solche Anpassungen bei Gesprächen nicht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich finde es kommt auf das Thema an. Also ich erwarte beispielsweise nicht, dass sich jemand fachfremdes mit meinem Studiengang auskennt und deswegen bei allen Themen problemlos mitreden kann ohne irgendwelche Sachen nachzuschlagen oder genauer nachfragen zu müssen. Das finde ich auch Blödsinn und ich habe kein Problem damit, gewisse Fachbegriffe und Sachverhalte zu erklären, solange dabei trotzdem eine gute Diskussion bei rauskommt.

Aber ein gewisses Bildungsniveau setze ich schon voraus, sonst langweile ich mich. Also um es mal überspitzt darzustellen: mein Gegenüber sollte schon wissen, dass die Erde keine Scheibe ist, dass wir Menschen Sauerstoff einatmen und dass alles außer Wasser nicht getrunken werden sollte, weil man sich sonst zwangsläufig vergiftet oder umbringt.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Mir macht es einfach mehr Spaß, sich mit jemandem zu unterhalten, der einen ähnlichen oder höheren Wissensstand hat als ich selbst. Ich brauche im Gespräch das Gefühl, dass mein Gesprächspartner mir folgen kann und sich interessiert. Aber auch der Eindruck, dass er mir "Input" geben kann, von dem ich wiederum profitiere, ist bedeutsam. Andere Blickwinkel und Sichtweisen sind bereichernd und motivieren zum weiteren Gespräch.

Bloß, weil mir das mehr Spaß macht, heißt das aber nicht, dass ich mich abwenden würde, wenn mein Gegenüber weniger weiß als ich. Vielleicht findet man ein anderes Thema. Wenn nicht, wird die Person für mich irgendwann uninteressant. Ich denke, das liegt auch am Attributieren: Einer Person, die nicht sonderlich informiert ist, schreibt man unwillkürlich Eigenschaften zu. Zum Beispiel "desinteressiert", "unmotiviert", "langweilig", "ungebildet" o.ä.

Ein Phänomen, das ich bisher noch nicht verstanden habe, ist: Im Job muss ich das Niveau den ganzen Tag über ständig an unterschiedliche Gesprächspartner anpassen. Manchmal auch gleichzeitig für vielköpfige Gruppen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Da gelingt mir das sehr gut. Privat oder bei Kollegen kann ich das allerdings nicht so gut. Da gehe ich oft einfach davon aus, dass sie dies oder jenes wissen und es nervt mich auch schneller, wenn das nicht der Fall ist.

Übrigens: Einen hohen Bildungsstand vorauszusetzen, finde ich alles andere als unhöflich. Es sagt ja etwas darüber aus, was dein Gegenüber von dir hält. Nämlich, dass du intelligent und informiert bist. Das ist doch eigentlich etwas Positives. Unangenehm finde ich hingegen Leute, die anderen sofort das Gefühl geben, dumm zu sein, bloß, weil diese sich mal für irgendetwas nicht interessieren.

» *Malin* » Beiträge: 141 » Talkpoints: 7,82 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich denke auch, dass es auf das Thema ankommt. Sicher ist es schon leichter, wenn man einen gewissen Bildungsstand voraussetzen kann, weil dann das Gespräch nicht so leicht ins Stocken gerät. Aber wenn man eine fremde Person anspricht, dann muss man sich doch nicht wundern, wenn der Bildungsstand gerade bei spezifischen Themen nicht der gleiche ist wie bei einem selber.

Dann würde ich es auch nicht voraussetzen, dass die andere Person bei Fachthemen genauso gut Bescheid weiß, wie man selber. Und wenn die andere Person daran interessiert ist, dann ist es doch auch noch eine Chance, das eigene Wissen weiter zu vermitteln und darum muss ich auch sagen, dass ich es schon recht unhöflich finde, wenn man dann das Gespräch einfach unterbricht und sich einen anderen Gesprächspartner sucht.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Das mache ich abhängig davon, ob ein Thema eher zur Allgemeinbildung gehört oder ob es ein sehr fachspezifisches Thema ist. Bestimmte Basics setze ich schon voraus, beispielsweise, dass wir in Deutschland in einer Demokratie leben und wir zur Zeit eine Bundeskanzlerin haben. Das sind Beispiele für Dinge, die eigentlich jeder in diesem Land mitbekommen haben müsste.

Aber Themen, die sich um meinen Beruf oder mein Studium drehen, setze ich gar nicht voraus. Ich kann auch sehr gut über fachspezifische Themen sprechen und mein Sprachniveau dann an mein Gegenüber anpassen. Soll heißen, es werden dann Fachwörter vermieden, sofern diese das Gespräch nur unnötig kompliziert und unverständlich für den Laien werden lassen würden.

Ich spreche mit meinem Partner oft über fachspezifische akademische Themen und bin darin sehr geübt, meine Sprache anzupassen. Wenn ich merke, dass da irgendwo eine Verständnislücke ist, schließe ich sie eben mit kurzen Erklärungen und das Gespräch kann weitergehen. Das macht er umgekehrt bei Themen genauso, wo ich keine Ahnung habe, er aber darüber sprechen möchte.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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