In Fremdsprache sprechen weil man denkt, sie wird verstanden
Ich hatte bei meiner Arbeit kürzlich eine recht kuriose Situation. Ein Kunde, den ich bedient habe, sah meine Kollegin und fing plötzlich an, ihr etwas auf Russisch zu erzählen. Meine Kollegin war etwas überfordert und wusste gar nicht, wie sie reagieren sollte. In der ersten Atempause sagte sie dann mal, dass sie den Kunden nicht verstehen würde. Darauf entschuldigte er sich und meinte, dass er meine Kollegin für eine Russin gehalten hätte und daher davon ausging, dass sie die russische Sprache verstehen würde.
Ich finde nun eigentlich nicht, dass meine Kollegin unbedingt wie eine Russin aussieht. Aber selbst wenn das so wäre, würde ich doch erst mal fragen und nicht direkt in einer Fremdsprache auf jemanden einreden. Würdet ihr jemand Fremden in einer Fremdsprache ansprechen, weil ihr davon ausgeht, dass dieser die Sprache versteht? Oder würdet ihr auch erst einmal nachfragen, weil man ja nicht sicher sein kann, wenn man die entsprechende Person nicht kennt?
Das kommt darauf an. Wäre ich Araber, sehe ich wer arabisch aussieht und dann schon. Das Gleiche gilt für Chinesen und Japaner. Man meint oft, dass die Leute diese Sprache können, aber leider sind ihre Vorfahren schon vor langer Zeit ausgewandert und ihre Muttersprache ging damit verloren. Kurios fand ich das in Schweden, wo junge Somalier oft nur mehr schwedisch beherrschen, aber nicht mehr ihre Muttersprache.
Was ist denn bitteschön so kurios daran, dass Leute, die in einem Land geboren sind, die Landessprache als Muttersprache beherrschen? Nur weil man rein optisch gesehen nicht gerade nach einem Schweden aussieht, muss man automatisch schlechtes oder gar kein Schwedisch sprechen, und für Deutschland gilt das Gleiche? Die Welt ist voller Wunder, nicht wahr?
Wenn ich mit jemand Fremdem spreche, setze ich hierzulande immer Deutsch voraus. Nur weil jemand zufällig nicht blond und blauäugig ist, und Deutsch vielleicht mit einem Akzent spricht, heißt das in meinen Augen noch lange nicht, dass ich mein Schulenglisch oder -französisch auspacken muss.
Mich nervt diese Art von Vorurteilen einfach. Normalerweise merkt man ja innerhalb der ersten Sätze schon, ob eine Kommunikation möglich ist, und dann kann man ja immer noch so lange herumprobieren, bis man eine Verständigung gefunden hat. Aber automatisch von "brauner Mensch" auf "kann Deutsch höchstens radebrechen" zu schließen, finde ich schon reichlich dumm und kurzsichtig.
Umgekehrt bin ich auch nicht begeistert, wenn mich jemand auf Grund meiner blonden Grobknochigkeit als Osteuropäerin abstempelt und in der entsprechenden Sprache anspricht. Das empfinde ich ebenfalls nicht als Kompliment, sondern eher als den Beweis, dass ich es mal wieder mit einem voreingenommenen Dorftrottel zu tun habe, der glaubt, schon alles über eine Person zu wissen, nur weil sie einem bestimmten ethnischen Typ entspricht.
Ich denke, dass man da nicht rein nach dem Aussehen einer Person gehen kann. Viele sehen vielleicht ausländisch aus, sind es aber jedoch gar nicht. Das Beispiel mit den Schweden trifft es hier schon recht gut. Und ich denke auch, dass es einige andere ausländisch aussehende Menschen in Deutschland gibt, die vielleicht Vorfahren aus dem Ausland haben und selbst jedoch die Sprache gar nicht beherrschen.
Daher würde ich wohl erst einmal nachfragen, wenn ich vermutete, dass jemand die gleiche Nationalität hat wie ich. Aber besonders peinlich fände ich es nicht, wenn mich jemand mit seiner Muttersprache ansprechen würde. Ich würde denke ich lächeln und eben auf Deutsch sagen, dass ich leider kein Wort verstanden habe.
Diese Situation kann ich so gar nicht nachvollziehen und da fehlt mir jede Art von Verständnis. Zu erst einmal hat sich die Situation in Deutschland abgespielt. Gerade da würde ich eher dazu tendieren, die jeweilige Landessprache zu wählen, weil ich denke dass man da eher auf der sicheren Seite ist. Also solange nicht ganz offensichtlich ein Tourist durch die Gegend läuft, würde ich immer Deutsch als Sprache wählen, egal welches Anliegen ich habe. Wenn man dann merken sollte, die Person ist der Sprache nicht mächtig, kann man ja immer noch experimentieren, bei welcher Sprache man den gemeinsamen Nenner findet.
Zweitens konnte die Person, die deine Kollegin auf Russisch angesprochen hat, ja ganz offensichtlich Deutsch, sonst hätte sie ihr Verhalten ja nicht begründet und das Missverständnis aufgeklärt. Warum spricht man also in Deutschland, wo man doch ganz offensichtlich Deutsch kann, andere Personen gezielt in einer Fremdsprache an, die gar nicht wie Touristen wirken? Das wirkt auf mich eher so, als wollte man sich nicht wirklich integrieren und unbedingt betonen und demonstrativ unterstreichen, dass man zwar hier lebt, aber nicht dazu gehören möchte.
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