In chaotische Lebenssituationen von Kollegen eingreifen?
Der Lebensabschnittsgefährte meiner besten Freundin arbeitet in einem kleinen Betrieb, in dem es sehr familiär zugeht. Die Kollegen verstehen sich hervorragend miteinander und auch Familienmitglieder sind immer gerne gesehen und so holt meine beste Freundin ihren Partner auch regelmäßig im Betrieb ab und meistens hält sie mit den Kollegen noch einen Plausch. Besonders angetan ist meine beste Freundin von der Hilfe in allen Lebenslagen, die die Kollegen untereinander zuteil kommen lassen.
Den Lieblingskollegen des Lebensabschnittsgefährten meiner besten Freundin habe ich bereits kennen lernen dürfen, als die beiden zusammen gezogen sind und alle Kollegen beim Umzug geholfen haben. Generell scheint das aber der Lieblingskollege von allen Mitarbeitern zu sein, da er immer hervorragende Arbeit leistet und für alle Kollegen immer ein offenes Ohr für alle Probleme hat und auch immer wieder neue Lösungswege für scheinbar ausweglose Situationen findet. Diese Fähigkeit stellte er beim Umzug mehrfach unter Beweis.
Im letzten Jahr wurde der Lieblingskollege leider überraschend Witwer, weil seine Frau tödlich verunglückt ist. Ich habe seine noch junge Frau ebenfalls beim Umzug kennen gelernt und der Verlust war sicherlich schwer für den Lieblingskollegen des Lebensabschnittgefährten meiner besten Freundin.
Scheinbar hat das den Lieblingskollegen sehr aus der Bahn geworfen. Der Lebensabschnittsgefährte meiner besten Freundin sagt aber, beruflich wäre der Mann weiter sehr korrekt, man kann weiter mit allen Probleme kommen und er sei beruflich auch sehr zuverlässig.Privat sei das aber wohl anders.
Da wir alle in einem Ort wohnen, sehe auch ich den Lieblingskollegen auch privat. Er war immer sehr korrekt angezogen und trug sogar zum Schützenfest immer einen Anzug und eine ordentlich gebundene Krawatte. Auch beim Umzug kam er nicht in legerer Kleidung, sondern wirkte kleidungsmäßig eher konservativ und streng.
Mittlerweile ist nicht nur mir aufgefallen, dass der Lieblingskollege des Lebensabschnittsgefährten meiner besten Freundin sich ein wenig gehen lässt. Es fehlen Knöpfe an seiner Kleidung, die Hosen haben unten einen Rand, die Schuhe sind nicht mehr immer wirklich auf Hochglanz poliert und ab und an bemerkt man auch mal fehlerhafte Kleidung.
Im Dorf wird auch schon getratscht. Es kam wohl schon vor, dass das Auto des Mannes abgeschleppt wurde, weil er vergessen hat die Raten zu bezahlen. Auch der Bestatter muss mehrfach auf das begleichen der Rechnung für die Beerdigung gedrängt haben. Und der Energieversorger muss auch schon mehrfach da gewesen sein, weil man ihm den Strom abgestellt hat.
Ich habe den Lebensabschnittsgefährten meiner besten Freundin dann mal gefragt, ob sein Lieblingskollege irgendwie Hilfe braucht. Er sagt, sein Kollege antwortet auf alle Fragen nach seinem Befinden oder der Nachfrage, ob er Unterstützung braucht konstant, dass alles in Ordnung sei und es ihm gut gehe.
Irgendwie machen sich aber alle mehr Sorgen um den Mann. Das man mal eine Rechnung vergisst zu bezahlen, ist wohl jedem schon mal passiert. Auch das mal die Krawatte nicht streng gebunden ist, ein Kleidungsstück Flecken hat - passiert auch mal. Irgendwie ist es aber die Kombination aus allem.
Nun ist der Mann im Ort durchaus bekannt und auch beliebt. Aber eine wirklich engere Beziehung hat er nur zu seinen Arbeitskollegen. Deshalb fragte ich nun den Lebensabschnittsgefährten meiner besten Freundin, ob nicht die Kollegen mal mit ihm sprechen würden. Auch andere Leute aus dem Ort müssen schon mit der Bitte an andere Kollegen heran getreten sein.
Generell halte ich es aber für schwierig, wenn sich Kollegen in die chaotische Lebenssituation eines Kollegen einmischen. Andere haben wohl dazu geraten, ob eine Betreuung nicht sinnvoll wäre, die sich dann zumindest mal um die finanziellen Sachen kümmert. Das hält der Lebensabschnittsgefährte meiner besten Freundin aber für übertrieben, den beruflich funktioniert der Lieblingskollege einwandfrei. Da gibt es nie irgendwelche Probleme.
Würdet ihr als Kollege eingreifen, wenn ihr merkt, die Lebenssituation eines Kollegen ist gerade sehr chaotisch? Oder würdet ihr einfach davon ausgehen, wenn es beruflich funktioniert, kann es privat ja nicht so schlimm sein? Würdet ihr immer wieder nachfragen, ob Hilfe benötigt wird? Würdet ihr vielleicht auch den offiziellen Weg über eine Betreuung gehen?
Ich finde es komisch, dass du immer vom Lebensabschnittsgefährten deiner besten Freundin schreibst. Warum benennst du den nicht als Freund oder Partner, warum diese komische Wortkonstruktion? Ich finde es beim Lesen dann auch etwas verwirrend, dem Inhalt zu folgen, weil man durch diese Wortkonstruktion so durcheinander gebracht wird.
Ich würde mich da übrigens nicht einmischen. Dass in der Arbeit alles klappt, zeigt ja, dass er Dinge auf die Reihe bekommt, sonst würde es auch in der Arbeit Ausfallerscheinungen geben. Und was er privat macht ist seine Sache. Ich fände es auch nicht problematisch, wenn er jeden Tag privat nach der Arbeit schmutzige Sachen trägt. Was sagt das schon aus? Dass er nicht wäscht oder nicht so oft wäscht? Und? Finde ich schon schlimm, dass da gleich getuschelt wird.
Und selbst wenn er Rechnungen mal nicht bezahlt, das ist auch seine Sache. Vielleicht hat halt vorher die Freundin die ganzen Rechnungen gemacht und sich um die Wäsche gekümmert und weil er das nie machen musste, dann schleift es halt jetzt. Aber dass man deswegen jemanden gleich unter Betreuung stellen will, finde ich echt krass untertrieben. Da muss man ja Angst haben, dass man entmündigt wird, wenn man in der Freizeit leger herumläuft.
Fugasi hat geschrieben:Würdet ihr vielleicht auch den offiziellen Weg über eine Betreuung gehen?
Also die Idee schockt mich gerade auch ziemlich. Wie sollte das denn gehen? Dass jemand den sozialpsychiatrischen Dienst ruft, weil jemand in Trauer Outfit-Probleme hat und seine finanziellen Angelegenheiten schleifen lässt? Dass manche über so etwas überhaupt nachdenken, ist für mich gerade unglaublich. Da scheint die Dorfgemeinschaft aber ganz ordentlich über das Ziel hinauszuschießen. Eine offizielle Betreuung hat doch eine etwas andere Zielgruppe.
Wäre ich der Kollege, wäre ich sehr verletzt und verstört, wenn plötzlich jemand vom Amt vor meiner Tür stünde. Der Mann will doch offensichtlich seine Ruhe und wenn dazugehört, dass er lax mit seinem Geld umgeht und die Konsequenzen tragen muss bei unbezahlten Rechnungen, ist auch das seine Sache. Er hat ja nun schon mehrfach Hilfe abgelehnt und in einer der schlimmsten Phasen seines Lebens jetzt von "sehr chaotisch" zu reden wegen der geschilderten Dinge, finde ich reichlich übertrieben.
Betreuung finde ich auch ein bisschen viel. Ich würde auf jeden Fall noch mal mit ihm außerhalb der Arbeit reden. Sein Verhalten ist sicherlich normal, wenn man trauert und vor allem noch in jungen Jahren seine Frau verliert. Man muss ja mal bedenken, dass die beiden sicherlich noch so einiges geplant hatten und das wirft einen natürlich extrem aus der Bahn und da sind die Klamotten schon sehr aussagekräftig, weil es eben ein bisschen seine Seele widerspiegelt.
Ich denke auch, dass die finanziellen Probleme dadurch kommen, dass man sich eben die Kosten geteilt hat und da vielleicht kein Erbe ihrerseits war, weswegen er finanziell Kosten für 2 Leute stemmen muss, was ja schlichtweg nicht machbar ist. Man kann nur versuchen das alles mal anzusprechen, was man da auch gehört hat und eben auch sieht und versuchen ihm zu helfen.
Nur weil jemand mal nicht zu 100% so funktioniert wie man es sonst von ihm kannte gleich nach Betreuung zu schreien ist schon unerhört. Ich möchte all jene mal sehen, wenn die einen solchen Verlust erlebt haben, wie die sich dann fühlen und verhalten und ob man da nicht dann auch sofort nach Betreuung schreien sollte.
Allerdings ist der Ruf nach Betreuung ja auch das einfachste, man hat ja was getan und somit sein eigenes Gewissen beruhigt, aber selber braucht man sich nicht kümmern oder sich Gedanken machen. Offensichtlich ist, das der junge Mann Probleme hat und die Ursache liegt im Verlust der Frau, das da Probleme mit Trauer einhergehen ist völlig normal. Das man in einer solchen Situation beruflich funktioniert, aber privat nicht, ist durchaus auch nichts ungewöhnliches. Das heißt aber weder das bei ihm alles in Ordnung ist, noch das alles schief läuft.
Wenn man also etwas für den Kollegen machen möchte, dann ist es seine Hilfe anbieten und das nicht für finanzielle Dinge, sondern ganz generell, die Aussage, he, wenn man was ist, dann melde dich, ich bin für dich da. Oder auch einfach mal kleine Dinge anbieten, wie z.b. zum Grillen einladen. Einfach dafür sorgen, das er sich nicht zu Hause vergräbt. Er hat einen riesen Verlust erlitten, den er verarbeiten muss und da ist es wichtig für einen Menschen dazusein und ihm zu zeigen, das er nicht alleine ist.
Das hilft mehr als einen Betreuer zu bestellen, seine Finanzen regeln zu wollen oder hinter seinem Rücken über ihn zu tuscheln.
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