Immer zuzahlen weil man Kassenleistungen minderwertig findet

vom 02.12.2015, 01:17 Uhr

In meinem Bekanntenkreis gibt es ein Paar das gesetzlich versichert ist, aber mit den Leistungen eigentlich nie zufrieden ist. Eine private Versicherung ist den beiden aber auch zu teuer. Deswegen nehmen sie beim Zahnarzt oder bei anderen Ärzten immer Leistungen in Anspruch, die die Krankenkasse nicht bezahlt und wo sie selbst zuzahlen müssen. Das finden sie toll und damit geben sie auch gerne an.

So haben sie neulich erst damit angegeben, dass ihre Tochter eine bessere Zahnspange bekommen hat, als andere Kinder. Der Zahnarzt hätte betont das er lieber mit hochwertigeren Materialien arbeitet und die Krankenkasse diese aber nicht bezahlt. Für meine Bekannten bedeutet eine Zuzahlung automatisch auch immer eine deutlich bessere Leistung.

Rechnet ihr auch immer damit, dass ihr von eurem Arzt eine deutlich bessere Leistung bekommt, wenn ihr zuzahlt und nicht die Leistungen in Anspruch nehmt, die die Krankenkassen bezahlen? Kann man wirklich allgemein immer davon ausgehen, dass die Leistungen bei denen man zuzahlen muss besser sind? Würdet ihr damit dann auch angeben?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Der Irrtum, dass mehr Geld auch gleich bessere medizinische Leistung bedeutet, steckt leider Gottes immer noch in den Köpfen vieler Menschen, leider. Das ist in der Realität alles andere als wahr: Was bei Privatpatienten eher gemacht wird, wird bei Kassenpatienten hinausgeschoben bzw. nach gründlicher Überlegung der medizinisch notwendigen Indikation gemacht.

Als Beispiel wäre eine stationäre MRT-Untersuchung anzubringen, die bei Privatpatienten sicherlich am Tag 1 gemacht werden würde, bei Kassenpatienten frühestens am Tag 7-8, wenn man mit anderen diagnostischen Mitteln nicht mehr weiter weiß. Letzten Endes werden allerdings beide Patienten derselben Therapie zugeführt, das ist dann der entscheidende Punkt.

Niedergelassene Ärzte oder Krankenhäuser sind, so hart es auch klingen mag, wirtschaftlich denkende Unternehmen, die über die Runden kommen und gewisse Umsätze erzielen müssen. Einige machen das offen und ehrlich, andere wiederum jubeln den Patienten unter dem Vorwand besserer Medizin unnötige Therapien/Diagnostik unter. Einem Laien kann man in der Medizin leider vieles schmackhaft machen. Anders ist es, wenn eine IGEL (=individuelle Gesundheitsleistung) aus medizinischer Notwendigkeit heraus sinnvoll erscheint, dann kann man durchaus zusammen mit dem Patienten abwägen.

Ich habe im Krankenhaus die Erfahrung gemacht, dass die meisten Privatpatienten ausgesprochen schwierige Patienten sind, die teils utopische Ansprüche haben - für die meisten ist ein Krankenhaus eine Art 5-Sternehotel mit medizinischer Leistung auf höchstem Niveau: Das heißt im konkreten Fall, dass eine ganztägige Betreuung eingeschlossen wird, dass Pflegepersonal auf Knopfdruck anwesend sein muss, dass die Ärzte sich nur um sie kümmern, etc.

Gegenteilige Fälle gibt es auch, das will ich nicht unerwähnt lassen, ist aber leider die Seltenheit. Bei Kassenpatienten ist ebenfalls eine Entwicklung in diese Richtung zu verzeichnen, da können die Ärzte bzw. das Pflegepersonal zumindest gewissermaßen das Argument der gesetzlichen Krankenversicherung anbringen, wenn bestimmte Leistungen auf Hauskosten bzw. privat erbracht werden sollen.

Aber grundsätzlich kann ich sagen: Ein Mediziner wird seinem Patienten, unabhängig davon ob gesetzlich oder privat versichert, die "bessere" Medizin nicht verwehren. Umgekehrt kann es aber sein, dass er unnötige oder überflüssige Leistungen anbieten kann, bei Privatpatienten großzügiger als bei Kassenpatienten.

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» getku » Beiträge: 883 » Talkpoints: 11,06 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Sicher gibt es Fälle, in denen es vielleicht besser ist, wenn man selber etwas dazu bezahlt und dann eine bessere Leistung bekommt, weil die Krankenkasse nur den Mindestanteil bezahlt. Aber nicht immer bedeutet es dann, dass man wirklich ein besseres Produkt oder eine bessere Leistung bekommt. Ich verstehe es aber allgemein nicht, warum man damit angeben sollte. So toll ist es doch auch nicht, beim Arzt etwas zu bezahlen, dass das als Statussymbol gelten könnte.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



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