Immer mehr anonyme Bestattungen in Deutschland?

vom 28.08.2015, 15:26 Uhr

In einem Interview mit einer Kulturwissenschaftlerin habe ich heute gelesen, dass inzwischen jeder fünfte in Deutschland anonym bestattet wird. Das bedeutet, dass eine Person verbrannt wird und die Urne dann in ein Gemeinschaftsfeld kommt, wo nicht klar ist, welche Urne wo ist und wem gehört. Angeblich liege das vor allem daran, dass Familie heute nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie früher. Familien sind oft über mehrere Städte oder Länder verstreut und ziehen auch häufiger um. Das traditionelle Familienleben in einer Stadt gibt es heute nicht mehr.

Außerdem gibt es auch so gut wie keine Familiengräber mehr. Viele Menschen trauern lieber zu Hause, als am Grab und so bekommt dieses auch weniger Bedeutung. Es gibt aber auch Menschen die ihre Verwandten nicht mit einer Grabpflege belasten wollen und sich daher für ein anonymes Grab entscheiden. Ich selbst kenne aber niemanden, der diesen Entschluss gewählt hätte. Habt ihr Angehörige die sich anonym bestatten lassen haben oder würde ihr selbst das wollen? Hat das Grab als Ort des Trauers keine große Bedeutung mehr bei euch oder warum möchtet ihr das?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich habe einige Tanten und Onkel, die sich haben anonym oder alternativ pflegeleicht bestatten lassen. Urnen kommen bei uns auf ein Feld, wo aber eine Granitsäule noch Auskunft über die Namen und die Todesdaten der Verstorbenen unterrichtet. Dort können Verwandte auch Kerzen oder Blumen ablegen.

Pflegeleicht ist bei uns eine Variante, wo man nicht verbrannt wird, aber in einer Grabreihe bestattet wird, die von der Stadt gepflegt wird. Dort dürfen Angehörige nur auf einem Stein etwas abstellen. Im Grunde steckt dahinter, dass die Hinterbliebenen entweder außerhalb leben oder eben, dass man sie eben nicht mit der Grabpflege belasten will. Das soll hier sehr gern genommen werden.

Persönlich würde ich wahrscheinlich eine Friedwaldvariante für mich vorziehen. So neben einer Baumwurzel ist es bestimmt kuschelig. Ich bin nicht der Typ, der zum trauern ein Grab braucht. Allerdings war für mich als Kind der Friedhof häufig ein Spielplatz. Wenn mein Vater Gräber gepflegt hat (er hatte einige), bin ich da mit dem Rad rumgesaust und habe am Waldrand gebuddelt oder an den Brunnen mit Wasser gepanscht.

Benutzeravatar

» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich finde es ganz logisch und nachvollziehbar, dass es in Deutschland immer mehr anonyme oder sonstige "alternative" Bestattungsformen gibt, die sich nicht mehr um ein Familiengrab oder ähnliches zentrieren. Gerade auf dem Land ist ja oft generationenlang kaum jemand weg gezogen, weswegen sich immer jemand gefunden hat, der die Stiefmütterchen gießt und die Buchskugel rund hält. Aber diese Zeiten sind definitiv vorbei.

Ich habe den Eindruck, dass es in der heutigen Zeit oft gerade so noch möglich ist, traditionelle Gräber zu pflegen, weil es doch noch etliche erwachsene Kinder gibt, die vielleicht nicht ganz so weit weg gezogen sind und ihre Heimatorte zumindest noch gelegentlich besuchen. Und die Leute, die in hohem Alter sterben, sind in vielen Fällen doch noch eher religiös geprägt oder den Traditionen verhaftet und möchten eben nicht anonym oder im Wald verbuddelt werden. Also tut man dann der Großtante oder dem 85-jährigen Vater den Gefallen und arrangiert sich mit der Grabpflege, so gut es geht.

Bei künftigen Generationen kann ich mir dagegen schon eher vorstellen, dass die Zahl der traditionellen Familiengräber stark einbricht, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr genutzt und gepflegt werden. Aber die Zeiten ändern sich eben.

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Das entscheidet doch teilweise auch der Staat. Die Schwägerin meines Freundes hat vor einigen Jahren ihren Vater verloren und da die Familie sich die Beerdigung nicht leisten konnte, hat das die Stadt übernommen und die haben sich dann eben für eine anonyme Bestattung entschieden, weil das am günstigsten ist.

Benutzeravatar

» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^