Immer ein positives Selbstbild von sich haben?

Privat und auch beruflich ist es ja bestimmt immer vorteilhaft auch ein positives Selbstbild von sich zu haben. Habt ihr auch immer und in jeder Situation ein positives Selbstbild von euch? Lasst ihr Kritik an eurer Person oder an eurem Verhalten zu oder wiegelt ihr da konsequent ab? Oder sollte man das eigene positive Selbstbild von Zeit zu Zeit vielleicht auch mal überdenken?

Ich kenne eine Person, die zumindest nach außen hin den Eindruck erweckt, ein sehr positives Selbstbild zu haben und die ihre Mitmenschen gerne daran teilhaben lässt. Beispielsweise ist sie sehr stolz auf ihre Figur und ihre Kleidergröße (eine "kleine 38, und das mit fünfundvierzig"), alle Leute mögen sie ihrer Meinung nach, sie hat nur Freunde, einen tollen Ehemann, wohlgeratene Kinder, die nur gute Noten und verantwortungsvolle Freunde haben.

Wenn es mal zu Unstimmigkeiten kommt, kann es nur daran liegen, dass ihre Mitmenschen sie missverstanden haben und ihr durchweg makelloses Auftreten aus Dummheit oder mangelnder Lebenserfahrung falsch interpretieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Person jemals Selbstzweifel plagen oder ihr positives Selbstbild jemals erschüttert wurde.

Der Nachteil an dieser Art von "positivem Selbstbild" liegt natürlich darin, dass Fähigkeiten wie Kritikfähigkeit oder das Zugeständnis, auch mal nicht perfekt zu sein, keinen Platz mehr im Charakter haben. Das Ergebnis ist ein völlig selbstverliebter Mensch, der jeden Kontakt zur Realität verloren hat und seine Mitmenschen sofort kaltstellt, wenn sie es wagen, an diesem Selbstbild zu kratzen.

Ich finde daher, dass es im zwischenmenschlichen Umgang einfacher und hilfreicher ist, wenn man ein realistisches Selbstbild hat und seine Stärken und Schwächen gut einschätzen kann, anstelle sich den eigenen Charakter pausenlos schön zu reden. Man muss sich nicht ständig selbst herunter machen, das macht unglücklich. Aber ich kann durch Beobachtung auch nicht feststellen, dass es besonders glücklich macht, sich selbst auf ein Podest zu heben und alles daran zu setzen, dort auch zu bleiben.