Im Trauerfall einen Tag frei nehmen?
Wie ich bereits in einem anderen Thread schilderte, war ich heute bei meinem Schwager und dessen Frau, die offensichtlich in sehr großer Trauer war, weil am Abend zuvor ihr Großvater gestorben war. Meine Schwägerin ist Hausfrau und wenn das Kleinkind im Kindergarten ist, geht sie daheim ihren Tätigkeiten nach.
Ihr Mann hätte heute eigentlich Frühschicht gehabt, aber hat sich extra einen Tag frei genommen, damit er für seine Frau da sein kann. Auch die Tochter hätte heute eigentlich Schule gehabt, aber weil sie auch so fertig war und nachts vor Trauer kaum geschlafen hat, haben die beiden Eltern zugestimmt, dass sie auch zu Hause bleiben darf.
Ich finde so ein Verhalten zwar positiv, aber ein wenig gewöhnungsbedürftig. Meine Mutter pflegte immer zu sagen, dass sogar ein Todesfall keine Entschuldigung dafür sei, einfach der Arbeit oder der Schule fernzubleiben. Sie meint immer, dass man im Todesfall Ablenkung braucht und man deswegen gezielt die Arbeit oder Schule aufsuchen sollte. Ich teile ihre Ansicht nur bedingt.
Es kommt immer darauf an, wer gestorben ist und welche Bindung und Beziehung man zu dieser Person hatte. Ich selbst hatte direkt am nächsten Tag Klausur als ich vom Tod meines Großonkels erfahren habe. Damals war ich schon komplett durch den Wind und war gar nicht dazu in der Lage, überhaupt irgendetwas sinnvolles zu schreiben. Ich wäre bestimmt auch nicht dazu in der Lage gewesen, zuzuhören, wenn das eine normale Vorlesung gewesen wäre.
Wie seht ihr das? Sollte man sich im Trauerfall lieber einen Tag frei nehmen? Oder seid ihr der Meinung, dass man sich besser in irgendwelche Aufgaben stürzen sollte, um sich etwas abzulenken? Welche Methode wäre für euch die bessere und warum?
Ich war in absoluter Trauer in der Schule, dann kam eine spontane Klassenarbeit und in dieser habe ich dann eine 6 geschrieben, weil ich absolut mit meinen Gedanken woanders war. Die Lehrerin wollte dann auch nicht verstehen, dass ich so in Trauer war, wobei ich da auch noch jünger war und mich nicht einfach selber entschuldigen konnte. So ganz einfach ist das also nicht.
Ich finde, dass man das schon machen kann und auch machen sollte, wenn man sich einfach nicht in der Lage fühlt zu arbeiten oder in die Schule zu gehen. Gerade ein Kind, was die ganze Nacht trauert, würde ich nicht in die Schule schicken, weil so wichtig ist es ja dann doch nicht wegen einem Tag. Immer muss das ja nicht sein, man muss eben sehen, wie stark die Trauer ist.
Einen Tag zu Hause zu bleiben, weil man in Trauer ist, halte ich für absolut in Ordnung. Jeder Mensch geht anders mit Trauer um und wenn es dem Kind hilft, zu Hause zu bleiben und vielleicht mit den Eltern zusammen zu sein, dann ist das ok. Selbst wenn das Kind in dieser Situation Ablenkung benötigt, halte ich es in diesem Fall für legitim, etwas Schönes mit dem Kind zu unternehmen und es dennoch nicht in die Schule zu schicken.
Dies gilt natürlich nicht, wenn irgendein entfernter Verwandter stirbt, den das Kind evt gar nicht kannte. Sich in diesem Fall einen lockeren Lenz zu machen und dies in der Schule damit zu begründen, dass jemand aus der Familie gestorben ist, würde ich für unmöglich halten. Bei echter tiefer Trauer jedoch ist das vollkommen ok.
Das Kind wird ja mit Sicherheit auch völlig übermüdet sein, wenn es die ganze Nacht vor Trauer nicht schlafen konnte. Schule ist da sicherlich nicht angebracht. Selbst als Erwachsener kann man sich in so einer Situation ja kaum auf etwas Anderes konzentrieren. Wie soll es da einem Kind gehen?
Auch dass der Mann deiner Schwägerin zu Hause bleibt, um für sie da zu sein, finde ich großartig. Wahrscheinlich hat sie einfach Gesprächsbedarf und braucht jemanden an ihrer Seite. Wenn der Mann sich so bemüht, kann ich das nur befürworten, zumal du ja auch geschrieben hast, dass er sich extra einen Tag Urlaub genommen hat.
Frei nehmen oder nicht freinehmen - das ist so eine diffizile Sache. Es hängt eigentlich im Grunde immer von den eigenen Bedürfnissen ab: Prinzipiell sehe ich es so, dass man sich immer freinehmen sollte, wenn man nicht mehr die Konzentration aufbringt, um sich den Anforderungen der normalen Arbeit zu stellen.
Seien wir doch einmal ehrlich: Wem hilft es im Unternehmen, wenn ein Mitarbeiter komplett neben der Spur ist und sich auf nichts konzentrieren kann? Und welcher Schüler ist brauchbar, wenn er oder sie sich am Ende nicht nur NICHT auf den Unterricht konzentrieren kann, sondern sogar durch Abwesenheit oder Weinen die ganze Klasse in seinen Bannkreis der Depression zieht?
Zugleich ist auf der anderen Seite aber immer zu bedenken, dass im häuslichen Rahmen auch mehr Erinnerungen an den "geliebten Verstorbenen" möglich sind. Auf der Arbeit ist oft eine Ablenkung möglich und Freunde in der Schule helfen sich auf andere Dinge zu konzentrieren.
Wie gesagt: Es hängt von den eigenen Gepflogenheiten und Bedürfnissen ab, doch sollte hier wohl jeder nach seiner eigenen Fasson verfahren. Auf jeden Fall, hier möchte ich aber dir als Fragesteller nicht zu nahe treten, sollte kein Urteil von außen eingebracht werden: Was deine Verwandten tun und was nicht, bleibt ganz und gar IHNEN überlassen. Versuche zu verstehen wie sie mit dem Kummer umgehen - und versuche auch deine eigene Einstellung dazu kritisch zu hinterfragen.
Was die Mutter sagt, ist das eine. Allerdings sieht der Gesetzgeber das ganz anders. Denn nicht ohne Grund stehen Arbeitnehmern beim Tod eines nahen Angehörigen zwei Tage Sonderurlaub zu. In der Regel gilt der eine Tag für den Tag des Todes oder den darauffolgenden. Der zweite Tag wird dann für die Beerdigung genutzt.
Wenn es allen Menschen so einfach möglich wäre, sich in die Arbeit zu stürzen, dann gäbe es diese Regelung wohl kaum. Es fragt sich auch, wie sinnvoll das dann ist. Ich möchte jetzt nicht unbedingt, dass jemand, der völlig durch den Wind ist, einen LKW mit Gefahrgut steuert, einen Schulbus fährt, Maschinen bedient oder wichtige Entscheidungen trifft.
Die meisten Arbeitnehmer werden neben den Tagen, an denen sie Sonderurlaub haben auch noch weiteren Urlaub nehmen oder vom Arzt für nicht arbeitsfähig erklärt. Denn die Trauer um einen nahen Menschen ist eine gewaltige Sache. Die steckt man nicht mal eben so weg.
Ablenkung ist dann auch nur bedingt gut. Denn einfache Tätigkeiten, wie das Vorbereiten des Leichenschmauses in einer Gruppe Verwandter oder das Putzen des Hauses können helfen die Fassung zu bewahren oder zu finden. Alles andere verdrängt die Trauer nur. Und das ist gar nicht gut. Denn dann wird diese Trauer in der Regel zu einer sehr belastenden Dauereinrichtung, die immer unterschwellig schwelt.
Das kommt ganz darauf an, wie nah ich dem Verstorbenen war. Wenn er mir nahe stand, möchte ich schon Zeit für mich haben, um das ganze zu verarbeiten. Damals, als mein Großvater verstorben ist, bin ich auch nicht in der Schule erschienen, weil ich einfach nicht dazu in der Lage war.
Selbst ein paar Tage später stand ich noch völlig neben mir und konnte mich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Von daher finde ich es recht sinnvoll, sich in so einem Fall eine Auszeit zu nehmen.
Ich denke das ist einfach eine Einzelfallentscheidung, da die Trauerbewältigung eine sehr persönliche individuelle Sache ist. Der eine ist dankbar für die Ablenkung. Wenn ich beispielsweise trauere sind Wege die ich allein im Auto erledigen die schlimmste Zeit, weil ich dann mit mir allein bin und es endet meist mit Heulereien.
Mir geht es dann im Büro fast noch am besten, weil ich eben mit anderen Dingen beschäftigt sein kann. Ich erinnere mich auch an meine Kindheit, als mein Opa starb. Ich wollte trotzdem lieber in den Kindergarten, weil die Erwachsenen alle so komisch waren. Aber das gilt eben nicht für alle Menschen gleich.
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