Ignoriert werden schlimmer als körperliche Gewalt?
Der Mann einer Bekannten ist sehr gut darin Menschen zu ignorieren, mit denen er Streit hat und da macht er auch vor seiner eigenen Frau keinen Halt. Er kann dann tagelang nicht mit ihr sprechen und selbst wenn sie ihn anspricht ignoriert er sie. Lange wird das meine Bekannte wohl nicht mehr aushalten. Denn sie sagt selbst, dass dies schlimmer ist, als eine Ohrfeige.
Könnt ihr das nachvollziehen? Denkt ihr, dass es wirklich schlimmer ist, als wenn dem Mann mal die Hand ausrutschen würde? Wäre das besser erträglich? Ich könnte mit beidem nicht (mehr) leben, weil ich zumindest die Schläge schon mitgemacht habe. Ich denke aber, dass das Ignorieren wirklich auch sehr schlimm sein kann. Meine Bekannte hat zumindest dann immer das Gefühl, dass sie Schuld an allem ist.
Ich denke, dass das gerade dann als schlimm empfunden wird, wenn man in der Kommunikation eine Form von Zuneigung sieht und daraus dann sein Selbstwertgefühl zieht oder davon abhängig macht, ob man geliebt wird oder nicht. Bei mir ist das nicht so. Ich kann mit Schweigen sehr gut leben und mache mir da keinen Kopf draus. Ich weiß aber, dass manche Menschen da sehr schnell einknicken und damit psychisch und emotional gar nicht klarkommen.
Ich denke auch, dass es schlimm sein kann, wenn man von einem nahestehenden Menschen ignoriert wird und man sich tagelang in der Partnerschaft nur anschweigt und vielleicht auch aus dem Weg geht. Das ist sicherlich belastend und auch anstrengend. Aber ich würde nicht so weit gehen und das mit körperlicher Gewalt vergleichen. Es kommt sicher auch auf die Person drauf an. Manche Menschen sind vielleicht froh, wenn sie nicht viel reden müssen und so mal Ruhe haben. Andere leiden darunter und nehmen sich das sehr zu Herzen.
Ich halte es für vollkommen unangemessen, bei der Aussicht auf Gewalt in einer Beziehung oder Familie davon zu sprechen, dass jemandem "mal die Hand ausrutscht". Diese Form der Verharmlosung bringt niemandem etwas, und bezeichnenderweise rutscht auch kaum jemandem gegenüber dem Chef oder einem Polizisten "die Hand aus", weil es sich hier um eine Straftat handelt. Aber in der Familie wird das wohl immer noch gerne anders gesehen?
Ich würde mit niemandem eine Beziehung eingehen wollen, der mich tagelang mit Verachtung straft und finde es auch unpassend, diese beiden Formen der Gewalt gegeneinander aufzuwiegen. Oder soll ich mich etwa freuen, wenn man mir eine langt und dann hinterher wieder nett zu mir ist, weil die Gewalt so wenigstens schnell vorbei ist? Und man merkt den Unterschied auch genau, ob jemand "seine Ruhe" haben will oder sein Gegenüber absichtlich ignoriert und um seine Aufmerksamkeit betteln lassen will. In beiden Fällen, also bei körperlicher und seelischer Gewalt, ist ein Machtgefälle involviert, welches ich auf Dauer wohl nicht tolerieren könnte
Ich habe beides als Kind erlebt, wenn auch keine extreme körperliche Gewalt, aber ich habe beides erlebt und beides als schlimm empfunden. Gerade in einer Beziehung sollte man Probleme miteinander besprechen können und wenn man das nicht kann, sich anschweigt und es einem damit schlecht geht, dann sollte man es auch lassen. Ich finde beides sind absolute No Gos in einer Beziehung.
Ich bin eine erwachsene Frau, wenn ich ein Problem habe spreche ich das an und wenn dann jemand meint nicht mit mir reden zu wollen, sondern mich zu ignorieren, hat er Pech gehabt. Ich kläre Dinge und kann es nicht leiden, wenn man dann geht oder sich nicht ausspricht. Man hat nicht ewig Zeit im Leben und deswegen will ich mich nicht ewig mit Streitigkeiten aufhalten. Das kann man sicherlich auch anders sehen, aber ich sehe es so und mein Mann sieht es zum Glück auch so.
Zwei verschiedene Formen der Gewalt gegenüber aufzuwiegen und abzuwägen, was schlimmer oder weniger schlimm ist, halte ich auch für etwas problematisch. Und jemanden ostentativ zu ignorieren, um ihn zu strafen, zu schmollen, zu demütigen, klein zu bekommen oder zu brechen, ist eine Form der weißen Gewalt! Auf gewisse Art ist sie insofern "schlimmer" als unmittelbare Angriffe, weil sie fließender und weniger greifbar und somit für den Attackierten schwieriger einzuordnen ist. Das sieht man ja auch an der Beurteilung hier. Ich möchte das jetzt aber trotzdem nicht als Aufwiegen verstanden wissen.
Gegen eine Ohrfeige kann man sich eventuell sogar noch wehren, man kann dieses Verhalten zumindest klar als Attacke begreifen und für sich einordnen, aber diese Psychospielchen können schon allein durch ihr diffuses Dasein zermürben und stark verunsichern. Ich kenne eine Frau, deren Ex-Ehemann über Wochen so tat, als wäre sie unsichtbar, nicht mal auf die Frage nach der Butter noch antwortete. Der Aggressor, der er nämlich war, tat so, als sei sie gar nicht auf dieser Welt existent.
Sie selbst hat für sich überhaupt nicht realisiert, welche gewaltvolle Kommunikation ihr da eigentlich widerfahren ist, das einzige, was sie fühlte, war die kontinuierliche Zermürbung, die langsam und subtil stattfand. Und ja, das ist etwas komplett anderes als ein "Ich will gerade nicht mit dir reden und brauche meine Ruhe."
Dem Mann wird ja hier irgendwie unterstellt, dass er seine Frau mit dem Ignorieren strafen will oder ihr etwas Böses will. Man kann es doch auch so sehen, dass er vielleicht nach einer Auseinandersetzung so gekränkt ist, dass er es einfach nicht kann, nicht einfach so tun kann als wäre nicht oder wieder einfach so normal mit ihr umgehen kann wie vorher.
Wenn ich in früheren Partnerschaften mit meinen damaligen Freunden wirklich deutliche Konflikte hatte, dann fühlte sich das manchmal an, als sei eine Welt zusammengebrochen, gerade wenn der andere dann sehr verletzende Dinge gesagt hat und da konnte ich auch nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen, selbst wenn der andere sich entschuldigt hat, da ist in mir in Bezug auf diese Beziehung etwas kaputtgegangen und da wollte ich mit dem anderen nicht mehr reden und ihn nicht mehr sehen. Auch so ein konstruktiver Satz wie "ich brauche meine Ruhe" ging dann nicht mehr, da war es schon zu spät.
Ich glaube, wenn Menschen sensibel sind und in einem Streit Dinge gesagt oder getan werden, die man einfach nicht verkraftet, dann kann man einfach nicht mehr reden und auch dann nicht, wenn der andere auf einen zugeht oder meint auf einem zuzugehen, weil es zu weh tut.
Zitronengras hat geschrieben:Dem Mann wird ja hier irgendwie unterstellt, dass er seine Frau mit dem Ignorieren strafen will oder ihr etwas Böses will. Man kann es doch auch so sehen, dass er vielleicht nach einer Auseinandersetzung so gekränkt ist, dass er es einfach nicht kann, nicht einfach so tun kann als wäre nicht oder wieder einfach so normal mit ihr umgehen kann wie vorher.
Glaube mir, ich kenne diesen Mann und es ist ein Ignorieren und kein "mal Ruhe haben wollen". Er weißt sie auch barsch zurück, wenn sie ihn anspricht und das kann tagelang dauern, wenn er dann nicht was von ihr will und er dann irgendwann einlenkt. Er braucht diese Druck als Bestrafung, weil er auch genau weiß, wie sehr sie das verletzt.
Ich denke mal, dass das erst einmal nur ein Spruch ist, dass das schlimmer sei als eine Ohrfeige. Ich würde mal nicht sagen, dass körperliche Gewalt besser wäre, als wenn jemand nicht mit mir redet. Trotzdem kann ich deine Bekannte gut verstehen, denn wenn ein Problem da ist, dann möchte ich darüber reden und das klären. Wenn man dann als Antwort nur an geschwiegen wird, ist das schon sehr zermürbend und das kann ich gar nicht gut haben und ich würde das auf Dauer auch nicht gut aushalten.
Ich denke das die Frau diesen Spruch nur dahin gesagt hat. Denn ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen dass das Ignorieren schlimmer ist als körperliche Gewalt. Und ich mache da keine Unterschiede zwischen einer Ohrfeige und einem Faustschlag. Beides ist unverzeihlich und sollte in einer gesunden Beziehung nicht geschehen. Das es für die Frau schlimm ist das ihr Mann Sie ignoriert steht außer Frage, das es schlimmer sein soll als körperliche Gewalt wage ich zu verzweifeln. Allerdings kann ich nur von der Theorie sprechen. Ich musste, Gott sei Dank, noch keine körperliche Gewalt über mich ergehen lassen. Und es wäre auch ein sofortiger Trennungsgrund.
Davon abgesehen finde ich das Verhalten des Mannes auch furchtbar kindisch. Ich könnte noch verstehen wenn er sich nach einem Streit etwas zurück ziehen würde weil er seine Ruhe braucht und vielleicht ein paar Tage nicht der gesprächigste Mensch ist. Aber seine Frau komplett ignorieren, auch wenn Sie Ihn anspricht ist wirklich nichts anderes als kindisch. Ehrlich gesagt würde ich diese Beziehung wohl über kurz oder lang beenden. Eine Beziehung in der die Kommunikation nicht stimmt hält meistens ohnehin nicht ewig.
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