Hubschrauber-Eltern auch in Deutschland verbreitet?

vom 17.08.2015, 15:17 Uhr

Neulich habe ich eine interessante Reportage gesehen (''Generation Weichei'') in der besonders darum ging, dass die Generation die derzeit am Arbeitsmarkt ankommt sehr unselbstständig ist und die Eltern daran Schuld sind. Der genaue Begriff hierfür ist ''Hubschrauber-Eltern'', also Eltern die ihre Kinder dauernd behüten und quasi immer präsent sind, auch wenn sie es eigentlich nicht sollten. Solche Eltern mischen sich beispielsweise übertrieben in die Notengebung an den Universitäten ein, rufen an um sich über Fortschritte zu erkundigen oder beschweren sich, wenn ihnen eine Note nicht passt.

Die Reportage berichtete überwiegend von Fällen aus den USA, daher würde mich mal interessieren ob die Hubschrauber-Eltern auch in Deutschland verbreitet sind? Ich kenne zwar durchaus einige Eltern die so sind, aber bislang habe ich gedacht, dass es Einzelfälle sind. Kennt ihr Hubschrauber-Eltern und wenn ja, denkt ihr das diese Entwicklung sich weiter verstärken wird? Welchen Eindruck habt ihr von den Kindern solcher Hubschrauber-Eltern?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ja, es gibt sie leider! Und leider gibt es sie zunehmend. :wall:

Meiner bescheidenen Meinung nach ist das ein Ergebnis der Gesellschaftsentwicklung, die zur Einkindfamilie tendiert. Da ist nun dieses eine Kind, alles ist auf dieses eine Kind fokussiert und dieses Kind muss perfekt werden. Dazu gehört natürlich auch, dass die Welt so zu sein hat, dass sich dieses eine Kind perfekt entwickeln kann, nach Meinung der Eltern. So verhalten sich die Eltern dann auch. Das Kind darf nichts selber probieren und kann daher viele Dinge auch nicht lernen. Dazu gehört vor allem, altersgerechte Aufgaben selbstständig zu lösen. Die stehen dann teilweise in der fünften Klasse auf dem Schulhof und brechen in Tränen aus, weil sie ihre Schuhe nicht selbst zubinden können. Das ist kein Witz, so etwas gibt es wirklich!

Für andere Eltern sind diese Familien oft extrem anstrengend. Egal worum es geht, das über behütete Kind hat recht oder man soll aus diesem oder jenem Grund in jedem Fall und unbedingt Rücksicht auf den Pups nehmen, den das Kindlein gerade quer hat. Es ist nicht auszuhalten.

Solche Kinder waren bei uns entweder nur ein einziges mal zum Spielen, weil wir den Formvorstellungen der Eltern nicht entsprachen oder weil das Kind bei uns einen Kulturschock erlitten hatte. Schließlich mussten sich die Kids bei uns um ihre Angelegenheiten altersgerecht selbst kümmern! Oder die Eltern wollten, dass ihr Kind ständig bei uns sein sollte, weil wir ihm ja so gut täten und das Kind sich ja so toll entwickelt hätte, seit es bei uns spielte. Na ja, die Wege trennten sich häufig genug schnell wieder, weil ich nicht bereit war, einem Kind bei fünfundzwanzig Grad Celsius eine Jacke aufzunötigen, oder aus anderen, natürlich immer sehr wichtigen Gründen.

Ja, Helikoptereltern sind nicht nur für die eigenen Kinder nicht gut, sie sind auch für ihre Umwelt eine Plage. Ich lebe in einer Gegend, in der es nicht sehr selten ist, dass Familien mehr als zwei Kinder haben. Wenn man sich bei Veranstaltungen traf und auf das Thema kam, gab es unisono eine Meinung: Ab drei Kindern werden die meisten Eltern wieder vernünftig. :wink: :D

Abschließend möchte ich erwähnen, dass es natürlich auch eine Menge vernünftige Eltern von Einzelkindern gibt. Und einige Helikoptereltern gibt es sicherlich auch, die mehr als nur ein Kind haben. Aber die Tendenz ist deutlich und für jeden, der es erlebt hat, sehr, sehr einprägsam.

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Meine Eltern haben sich nur einmal in der Schule sehr vehement eingemischt, aber das war damals auch gerechtfertigt. Immerhin bestand die Chance, dass ich durch die mündliche Prüfung die vergeigte Schriftliche auch wieder ausgleichen kann. Die damalige Fachlehrerin war der Meinung, dass sie ein wenig Rache üben kann, wenn sie mich nicht in die mündliche Prüfung nimmt. Es gab da halt einige Vorfälle, die sie damit vermutlich rächen wollte.

Da haben sich meine Eltern eingemischt und so durchgesetzt, dass ich noch in die mündliche Prüfung kam. Aber ansonsten haben sie Noten auch akzeptiert und nicht mit Lehrern diskutiert. Höchstens mal nachgefragt, wo ich es wirklich mangelt und ich vielleicht mal mehr in die Bücher schauen könnte. Und so halte ich es auch. Bringen meine Kinder mal eine schlechtere Note mit nach Hause wird geschaut, was schief gegangen ist und man versucht das fehlende Wissen eben aufzuarbeiten.

Allerdings sind diese Phänomene nicht neu. Ich hatte an meinem alten Wohnort einen Bekannten, der eben auch mal dran war über den Winter zum Arbeitsamt zu müssen. Es traf halt jeden Winter andere Mitarbeiter, was ich sehr gerecht empfand. Da hat seine Mutter den Firmenchef angerufen und gejammert, dass der arme Junge - damals schon über 30 Jahre alt und lange zu Hause ausgezogen - doch nicht einfach so entlassen werden könnte.

Es ist also kein neuer Trend aus den USA, sondern solche Eltern gab es schon immer. Nur dass sie heute zunehmen, was aber auch teilweise an den Schulgesetzen liegt, die Lehrern in manchen Situationen kaum mehr Spielraum lassen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ja die gibt es auch definitiv in Deutschland und leider nicht zu knapp. Ich habe schon häufiger solche Fälle mitbekommen.

So hatte meine Schwester eine Klassenkameradin in der Oberstufe, die sich wohl gezielt mit einem sehr strengen Lehrer angelegt hatte. Sie war nicht nur respektlos und frech, sondern hat auch kaum Leistungen gezeigt, was logischerweise keinem Lehrer gefallen würde. Sie hat jedoch behauptet, dass er sie gezielt mobben würde und ihr schlechte Noten geben würde, die nicht gerechtfertigt seien. Das ging dann soweit, dass die Eltern einen Anwalt eingeschaltet haben um dagegen vorzugehen.

Der Anwalt selbst traf sich dann mit dem Schuldirektor und nach einem Blick in die benoteten Klausuren der Schülerin war der Anwalt selbst geschockt, wie man so schlechte Leistungen erbringen kann. Damit war auch ihm klar, dass es hier nicht um Mobbing geht. Diese Schülerin hat dann sogar die Presse informiert und es gab einen extrem rührseligen Artikel in der Zeitung, wonach sie ja so gemobbt werden würde und die Eltern haben das die ganze Zeist unterstützt! Wäre das meine Tochter gewesen, hätte ich mir die Klausuren angesehen und dann hätte es aber ein Donnerwetter gegeben, gerade wenn es total dämliche Fehler sind.

Auch habe ich schon Fälle mitbekommen, in denen die erwachsene Tochter umzieht und die Eltern dann unbedingt mitkommen müssen die neue Wohnung besichtigen und sie ohne das Einverständnis der Eltern nicht den Mietvertrag unterschreiben wollte. Auch habe ich bei meiner Immatrikulation damals mitbekommen, wie eine junge Frau mit den Eltern zur Immatrikulation erschienen ist, als einzige wohl bemerkt!

Das führt nur zu absolut unselbstständigen Kindern und das kann doch wohl nicht Sinn und Zweck der Kindererziehung sein. Das geht schon so weit, dass die Kinder sich nicht mal als Erwachsene eigene selbstständige Schritte zutrauen und das finde ich total befremdlich und auch peinlich.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Klar ist es auch schon in Deutschland angekommen. Ich kenne zum Beispiel eine Lehrerin aus der Grundschule, die extra ein Elternhandy hat. Die Nummer davon bekommen die Eltern und ab etwa 21 Uhr schaltet sie es ab. Es gibt tatsächlich Eltern von Grundschulkindern, die mitten in der Nacht noch das Bedürfnis haben, bei den Lehrern für das Wohlergehen der Kinder zu sorgen. Dass so ein Lehrer auch irgendwann mal Unterrichtsvorbereitungen oder Korrekturen erledigen muss, geht solchen Eltern nicht in den Kopf. Alles dreht sich nur um ihr Vorzeigekind.

Ein Vorredner schreibt, dass ab drei Kindern die Eltern wieder normaler werden. Meist wohl schon. Ich kenne auch eine Familie, die haben vier Kinder. Beide Eltern sind voll berufstätig. Und trotzdem dreht sich da alles um die Kleinen, die teils auch schon nicht mehr so klein sind. Man ist in der Elternvertretung vom Kindergarten aktiv, man ist Elternsprecher bei mehreren der Kinder. Einer der Eltern ist im Förderverein der Schule aktiv. Wenn Schulfeste dran sind, sind die beiden in der ersten Reihe bei der Organisation. Puh. Schon für Außenstehende ist deren Präsenz erdrückend. Auch wenn es gut gemeint ist.

Klar ist die Versuchung, ein Turbokind groß zu ziehen um so größer, je weniger Kinder man hat. Wenn man mehr Kinder hat, fällt es schon mal leichter allein durch Vergleiche zu sehen, dass jedes Kind ein eigenes Individuum ist und eigene Ziele und Anlagen hat. Bei Einzelkinder kann man das als überfürsorglicher Elternteil schon mal ausblenden.

Was mich als Mehrfachmutter manchmal auch annervt ist, dass bei vielen dieser Eltern Erziehung fast schon Leistungssport ist. "Mein Kind konnte schon mit zwei Jahren schwimmen und mit drei lesen." "Das ist ja noch gar nichts, meines konnte schon mit zwei Jahren erste Geschichten schreiben und ist seit dem ersten Geburtstag perfekt mit Messer und Gabel". Dieser ewige Wettbewerb! Und was demnach Kinder alles schon können müssen, nervt mich. Klar sollte man Kinder fördern, aber bitte doch nicht unter Dauerstress setzen! Das kann nicht gesund sein.

Ja, mir fällt es auch manchmal schwer, die Kinder in die Welt los zu lassen. Vor allem dann, wenn kurz zuvor wieder Nachrichten über verschwundene Kinder über die Nachrichten gingen. Man hat schon Angst, was passiert, wenn die Kinder draußen an kriminelle geraten könnten. Aber muss man sie deshalb täglich mit dem Auto zur Schule fahren, obwohl die Schule mit dem Fahrrad oder zu Fuß durch ein Kind allein zu erreichen ist? Ist man dann schlecht als Elternteil? Manche Leute versuchen einem das tatsächlich einzureden. Und bis zu einem gewissen Grad gibt die zunehmende Kriminalität natürlich solchen Eltern recht. Da entspannt zu bleiben ist nicht leicht. Daher vermute ich, dass in den nächsten Jahren die Helikoptereltern eher mehr werden!

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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