Hitler-Filmgroteske sinnvoll oder sinnlos finden?

vom 07.10.2015, 23:11 Uhr

Vor Jahren hat es ja schon das Buch von „Er ist wieder da“ gegeben und schon den Titel finde ich ja irgendwie das Allerletzte. Wie das Buch ankam weiß ich gar nicht, aber jetzt hat man diesen Müll zu allem Überfluss (mein Dafürhalten) auch noch verfilmt. Was haltet ihr denn von dieser Filmgroteske? Könnt ihr solch einem Machwerk etwas Sinnvolles abgewinnen oder sind hier wirklich nur materielle Interessen vordergründig? Könnt ihr euch darüber amüsieren oder eher den Kopf schütteln?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das Buch war auf jeden Fall bei den Lesern sehr erfolgreich und stand wochenlang auf Platz Eins der Spiegel Bestseller Liste. Natürlich kann man daraus wenig ableiten, außer dass es offensichtlich die Menschen bewegt hat und einigen gefallen haben wird.

Ich bin generell skeptisch, wenn Bücher als Vorlage für Filme genommen werden. Mir fallen nur wenige Beispiele ein, wo das zu meiner Zufriedenheit gelungen ist, das Buch auch als Drehbuch gut aussehen zu lassen. Es wird halt immer durch die Schauspieler und die gewählten Ausschnitte interpretiert und nicht jedes Buch gewinnt dadurch.

Und gerade bei so einem Stoff, der eine Zeit und Personen behandelt, die so viel emotionalen und politischen Sprengstoff bereit halten ist das Risiko halt enorm hoch, dass das in einer Art wirkt, die dem Buch nicht gerecht wird. Wenn also die Schauspieler durch ihre Art der Darstellung zum Beispiel den Zuschauern zu viel von der Denkarbeit abnehmen, die die Menschen beim Lesen noch selbst erledigen mussten.

Ob das alles sinnvoll ist, ist vielleicht die Frage, ob Satire an sich sinnvoll ist? Das wurde ja in ähnlicher Form nach dem Attentat auf die Satirezeitung Charlie Hebdo auch schon gefragt. Sollte man Satire machen auf die Gefahr hin, dass Gefühle verletzt werden oder Dinge verharmlost werden oder sonstige unerwünschte Nebenwirkungen auftreten? Ich meine, dass Satire wichtig ist und uns auch weiterhin einen Spiegel vorhalten sollte.

Ob der Film sinnvoll ist, weiß ich nicht. Ich habe bislang nur den Trailer gesehen. Und da ich selten ins Kino gehe, werde ich ihn mir in der nächsten Zeit nicht ansehen. Vielleicht, wenn er dann im Fernsehen ausgestrahlt wird. Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass der Film mich mehr amüsieren wird, als das Buch. Das liegt einfach auch daran, dass ich die Vorlage schon kenne und damit auch die Pointen der Witze. Und Witze funktionieren dann am besten, wenn man noch nicht vorher weiß, worauf der Witz hinaus läuft.

Sinnvoll für andere ist der Film höchstens dann, wenn man damit auch Kreise erreicht, die sich damit nicht mit dem Buch auseinander gesetzt haben. Und das werden einige sein, denn nicht jeder liest so viel, dass er alle Bücher kennt, die verfilmt werden.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Für mich stellt der Film eine Verharmlosung eines der größten Verbrecher in unserer Geschichte dar. Wegen ihm sind viele Menschen damals ums Leben gekommen, die anders waren und nicht in sein Weltbild gepasst haben.

Die KZ Überlebenden der damaligen Zeit werden bestimmt nicht über so einen Film und so einer Person lachen, sondern ihn als ein sehr schreckliches Individuum im Kopf haben und behalten. Es würde sich auch keiner über einen verurteilten Kinderschänder lustig machen, nur weil ein Film über ihn gedreht wird und darin sein Charakter und seine Person etwas verändert und ein Comedyflair mit eingebaut wird.

Der Film ist für mich eine Ohrfeige für Jeden, der die damalige Zeit entweder miterlebt hat oder wo nahe Verwandte unter ihm und seinem Regime leiden mussten.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich finde nun nicht, dass die Person Hitler in diesem Buch oder im Film als harmlos dargestellt wird. Er wird als Mensch dargestellt, der durchaus intelligent ist, mit seinen Ansichten nicht immer völlig im Unrecht ist, der nett sein kann und bei dem ab und zu der Wahnsinn durchscheint. Das finde ich, auch wenn es sich lediglich um Unterhaltung handelt, ehrlicher als eine Darstellung als kaltes Monster.

Mit der Sicht auf Hitler als reines Monster macht man es sich nämlich viel zu leicht. Es ist ziemlich einfach, Hitler und ähnliche Gestalten als Monster, als Wahnsinnige oder als Dumme zu sehen. Dann sind Menschen, die solche Taten vollbringen könnten, nämlich Ausnahmefälle. Dann sind das Menschen, die man leicht erkennt und denen man, wenn man nur möchte, frühzeitig das Handwerk legen könnte. Nur leider ist es nicht so. Sich damit auseinanderzusetzen, das ist natürlich viel schwerer. Aber verharmlost wird damit ganz und gar nichts, eher ist das Gegenteil der Fall.

Viel interessanter ist doch die Darstellung der Medienlandschaft, die sich ohne zu hinterfragen nur für die Quote auf den "lustigen Schauspieler" stürzt und ihm ohne jedes Verantwortungsgefühl eine Plattform bietet. Oder die aktuellen Rechten, die selbst für einen Hitler zu dumm, zu vernagelt und zu wenig zum Denken fähig sind. Die noch nicht einmal ansatzweise verstehen, was sie da irgendwie nachplappern.

Ich finde nicht, dass das Buch oder der Film die Vergangenheit oder das Jetzt verharmlosen. Die Gesellschaft bekommt durchaus kritisch und schmerzhaft einen Spiegel vorgehalten. Dass das nicht oberlehrerhaft sondern mit Humor und überspitzt geschieht, das ist das Wesen der Satire.

Dass Filme wie "Mein Führer" oder "Adolf, der Film" einfacher sind, weil sie sich eben über Hitler an sich lustig machen, das ist klar. Aber bei "Er ist wieder da" geht es eben im Kern weniger um Hitler als um die Gesellschaft.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Eben weil er als nett, intelligent dargestellt wird und seine Ansichten angeblich nicht immer im falsch sein sollen, wird sein Bild kaschiert und aus ihm ein normaler Bürger gemacht.

Die Taten die er begangen hat oder die Andere durch ihn begangen haben, sprechen für sich und sind nicht abstreitbar. Er hat eine ganze Gesellschaft instrumentalisiert, Menschen töten lassen, ein Idealbild geschaffen (Blond, groß, Blaue Augen...obwohl er selbst kein Deutscher und klein von der Statur war).

Es fand eine Selektion statt, wo er sich herausnahm, Menschen zu diskriminieren und zu peinigen und das soll kein Monster sein? Es ist nun mal meine Meinung, ich kenne das Buch und Jeder kann natürlich anderer Meinung sein, solange man dem Gegenüber seine Meinung lässt, eine starke Persönlichkeit kann andere Meinungen auch aushalten.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Es streitet doch niemand seine Taten ab. Aber ihn deshalb nicht als Mensch zu sehen, das ist Verharmlosung in ihrer reinsten Form. Denn, auch wenn es uns nicht gefällt, Hitler war nicht anders als viele andere Menschen. die vor ihm gelebt haben und heute leben.

Ihn als Monster zu sehen, dass keine menschlichen Züge hat, das ist viel gefährlicher. Denn genau das stimmt ja nicht. Er war ein Mensch und er war ganz sicher nicht krank. Das macht das, was er angerichtet hat, nicht besser, es macht es eher schlimmer. Wenn er ein besonders kranker Geist gewesen wäre, dann könnte zumindest keiner mehr auf solche Ideen kommen. Aber auch das ist nicht so.

Gerade der Hilter als Monster, das eben kein Mensch war, gibt den ganzen kleinen Hitlers, die überall in Deutschland und der Welt leben, das Gefühl, dass ihre Ansichten völlig legitim sind. Schließlich sind sie normal denkende Menschen und keine extremen und kranken Geister wie der Spinner damals.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich denke mal, dass wir uns an Begrifflichkeiten nicht hochziehen sollten. Im Grunde meinen wir das Selbe, nur jeder auf eine andere Art und Weise. :) Ob Monster oder nicht, er war biologisch ein Mensch aber mit größenwahnsinnigen Charakterzügen, einem Monster gleichkommend. Von daher denke ich, wir haben Beide Recht, so.

Wie auch immer, jeder muss selbst wissen, wie er mit der der Thematik umgeht, mit welchen Erwartungen man an den Film ran geht, bevor man ihn sieht. Hier wurde ja gefragt, ob sinnlos oder nicht und ich bin der Meinung, dass der Film sinnlos ist im Sinne von, ich brauche ihn nicht.

» Nebula » Beiträge: 3041 » Talkpoints: 6,06 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass man wirklich beurteilen kann, wie sinnvoll oder sinnlos Verfilmungen sind. Letztendlich obliegt das ja immer dem eigenen Geschmack und die Verfilmung eines Buches hat auch immer nur einen Sinn: Geld machen.

Die Buchvorlage zum Film ist in Deutschland im übrigen sehr gut angekommen, ansonsten wäre sie kaum fast ein halbes Jahr lang auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste gestanden. Auch über zwei Millionen verkaufte Exemplare und über 300.000 verkaufte Hörbücher sprechen für sich.

Davon mal abgesehen, fand ich das Buch lediglich ganz unterhaltsam. Zwar wurde es am Anfang oft als eine große Abrechnung mit der modernen deutschen Medienlandschaft beschrieben. Diese Abrechnung fand aber nur zum Teil statt.

Der Schreibstil des Autors ist auch noch verbesserungswürdig, aber mit diesem Kritikpunkt dürfte man bei der Verfilmung ja nicht konfrontiert werden.

Ich werde mir den Film auch nicht im Kino anschauen, aber die DVD durchaus kaufen, wenn sie mal erhältlich ist. Letztendlich handelt es sich bei 'Er ist wieder da' um eine Polit-Satire und es gibt eben Menschen, die mit Satire nichts anfangen können oder finden, dass diese Grenzen haben müsste.

In diesem Rahmen schafft es das Buch auch tatsächlich, einige Vorgänge in Deutschland ziemlich genau zu beschreiben und beispielsweise die NPD auf amüsante aber sehr treffsichere Art und Weise bloßzustellen.

Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass nun jemand ins Kino gehen wird und danach denkt, dass Hitler doch eigentlich ein richtig feiner Typ war. Ein gewisses Maß an Aufklärung und Denkvermögen sollte man den Deutschen in dieser Hinsicht doch zutrauen können.

Immerhin hat das Buch ja auch einige Menschen dazu gebracht, sich nach Lesen des Buches sogar zum ersten Mal eingehender mit Hitler zu beschäftigen. Dann stößt man ganz zwangsläufig darauf, für welche schrecklichen und unmenschlichen Dinge er verantwortlich war.

Ähnliches könnte nun auch mit der Veröffentlichung des Filmes passieren, da ihn sich sicherlich mehr Leute anschauen werden, als das Buch gelesen haben. Dann wäre der Verfilmung auch tatsächlich etwas Sinnvolles abzugewinnen.

Interessant finde ich zudem die vielen Menschen, die das Buch, den Autor und nun auch den Film verteufeln und ihm zuschreiben, Hitler und seine Machenschaft gutzuheißen oder zu beschönigen. Dabei haben sie aber nie mehr als den Titel des Buches gelesen und können den Inhalt deshalb auch nicht beurteilen.

Das ist wiederum ein Punkt, auf dem im Buch toll eingegangen wird - Bauerfängerei, mit den harschen Kritiken ohne Hintergrundwissen dieses Mal nur eben von der linken Seite des Spektrums. Ganz Unrecht kann der Autor mit seinen Beschreibungen und Beobachtungen dann also doch nicht gehabt haben.

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich denke man sollte da auch vorsichtig bei der Interpretation sein. Das Buch sagt ja nichts über den historischen Hitler aus. Denn es wird zu Anfang des Buches davon ausgegangen, dass ein Toter plötzlich wieder lebendig wird. Dass das alles Fiktion ist, dürfte deutlich zu sehen sein. Deshalb sagt das Buch so rein gar nichts darüber aus, wie der real existierende Hitler war. Es ist lediglich ein Gedankenexperiment, wie die Figur heute handeln könnte, wenn sie wieder lebendig wäre, was sie aber nicht ist. Und da das alles reine Spekulation des Autors ist, lässt das auch keine Rückschlüsse auf die reale Vergangenheit zu. Der Hitler in dem Buch ist und bleibt nur eine Romanfigur, die nicht ganz zufällig so heißt, wie das historische Original. Das bitte ich, klar zu trennen.

Auch wenn der reale Hitler bei uns in der Schule im Geschichtsunterricht als eindimensionales Monster dargestellt wurde, hat er damals nicht diese Wirkung auf alle Menschen gehabt. Sonst hätte er nicht Körbeweise Fanpost von Frauen bekommen, die ihn heiraten wollten und Kinder von ihm wollten. Sonst hätten ihn nicht die Massen zugejubelt. Ich denke, wer das Buch als Verharmlosung sieht, der hat die Satire nicht vollständig entdeckt. Der Witz liegt ja gerade darin, dass bloßgestellt werden soll, wie leicht manipulierbar viele Menschen sind, wenn man ihnen einen Menschen mit Charisma vor die Nase setzt und ihnen plausibel erklärt, was richtig ist.

Übrigens kenne ich auch jemand, dessen Familie zu weiten Teilen durch Hitlers Machtapparat getötet wurde. Und trotzdem konnte diese Person an einigen Stellen bei diesem Buch auch lachen. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass alle Opfer und deren Nachfahren oder Verwandte diese Satire lustig finden müssen oder werden. Das sieht man zum Beispiel an Dieter Graumann, dass da nicht jeder lachen kann. Aber es gibt auch unter den Angehörigen der Opfer Leute, die das Werk eben als Satire sehen und nicht auf das persönliche Schicksal ihrer Angehörigen beziehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


trüffelsucher hat geschrieben:Auch wenn der reale Hitler bei uns in der Schule im Geschichtsunterricht als eindimensionales Monster dargestellt wurde, hat er damals nicht diese Wirkung auf alle Menschen gehabt.

Wurde er denn bei der Mehrheit so dargestellt? Das kann ich für meinen Unterricht nicht sagen. Bei meinem Mann war es auch nicht so und bei meinen Kindern auch nicht. Da ging es eher um die Motive und die Effekte, die erzielt worden sind. Denn ohne zu verstehen, warum etwas so geschehen konnte und warum man wollte, das es geschieht, kann man nicht verhindern, dass es wieder passieren könnte.

Natürlich hat der Buch-Hitler nichts mit der echten Figur aus der Geschichte zu tun. Es ist schließlich ein Roman. Aber ich wundere mich immer wieder über die Erwartungshaltung, dass dieser Mann nur ein Monster gewesen sein kann. Das finde ich feige und absolut unreflektiert. Seine Taten waren monströs, das ist keine Frage. Aber ein sehr ähnliches Persönlichkeitsprofil das haben viele Menschen. Das zu akzeptieren macht das Leben nicht unbedingt einfacher, aber es macht das Leben für alle sicherer.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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