Haus erst interessant, wenn es abgerissen werden soll?

Bei uns wurde am Wochenende in der Nachbarschaft ein altes Haus abgerissen. Es war hier so eine Art Wahrzeichen und stand schon über 100 Jahre. Ursprünglich wurde es wohl mal als Hotel gebaut. Es stand dann aber lange leer und die Sanierungskosten wären sehr hoch gewesen, so dass es auch niemand kaufen wollte.

Mir ist dann aufgefallen, dass gerade in sozialen Netzwerken plötzlich die Empörung über den Abriss kundgetan wurde. Vorher hat sich kaum jemand für das Haus interessiert. Aber als es hieß, dass der Abriss bevor stünde, wurden dann einige laut, dass dies doch nicht sein dürfte und es ja eine Schande sei, so ein altes Gebäude mit einer gewissen Geschichte dem Erdboden gleich zu machen. Man hätte dieses Haus doch retten müssen.

Ich muss sagen, dass ich das Gebäude auch sehr hübsch fand und es nun wirklich komisch ist, wenn man an dem riesen Schuttberg vorbeifährt, der nun über geblieben ist. Aber ich kann auch verstehen, dass sich ein normaler Mensch die Instandsetzung einfach nicht leisten kann. Da bleibt dann ja auch eigentlich nicht viel mehr als der Abriss.

Könnt ihr verstehen, dass ein Haus erst wieder interessant wird, wenn der Abriss bevor steht? Ist das durchaus normal so, weil das Gebäude ja ansonsten einfach immer da ist? Wie erklärt ihr euch das plötzliche Interesse, wenn etwas eben bald nicht mehr vorhanden sein wird?

Ich kann das manchmal auch nicht nachvollziehen, warum solche Entscheidungen sein müssen. Gerade wenn der Altbau auch äußerlich einen gewissen Charme hat. Aber leider ist neu und schlicht bauen oft deutlich preiswerter, als Altbauten liebevoll mit zig Details zu sanieren. Das unterschätzt man leicht. Außerdem weiß man auch nicht, was im Haus so los war. Wenn das Gebäude zum Beispiel so marode war, dass akute Einsturzgefahr bestand, wird es auch schwierig, mit ausreichend finanzieller Ausstattung so eine Ruine wieder zu beleben. Oder wenn sonstige massive Probleme wie Hausschwamm oder extreme Feuchtigkeit im Mauerwerk vorlagen, kann eine Sanierung schwer bis nahezu unmöglich werden. Da ist leider der Abriss oft die einzig vernünftige Idee.

Ich verstehe allerdings auch nicht, warum man es so weit kommen lässt. Die Leute, die sich jetzt beschweren, hätten ja schon vorher eine Initiative zur Rettung des Gebäudes gründen können und das ganze als gemeinnütziges Projekt auf Basis von Spenden, Fördermitteln und Eigenleistung renovieren können. Aber wenn man sich dann beschwert wenn es zu spät ist, wirkt es schon seltsam. Denn wenn das Gebäude wirklich ein Schätzchen ist, merkt man ja schon lange vorher, dass der Zustand bedrohliche Züge annimmt.

Ich glaube das liegt einfach daran, weil das Haus als selbstverständlich wahrgenommen worden ist von den Anwohnern. Wenn das Haus schon über 100 Jahre alt war, dann werden viele Kinder es auf dem Schulweg mitbekommen haben und es einfach kennen, wenn sie in der Gegend aufgewachsen sind. Es war einfach selbstverständlich immer da und anwesend, sodass man sich da keine Gedanken machen musste.

Jetzt ist bekannt, dass es weg muss und jetzt ist der Aufschrei groß, weil sich plötzlich viele an die früheren Schulwege erinnern, oder wie man als Kind in der Nähe gespielt hat oder was auch immer. Das finde ich schon schade, dass manche Sachen erst dann wirklich geschätzt werden, wenn die Leute merken, dass es nicht selbstverständlich ist und auch jeder Zeit wieder genommen werden kann.

Das ist so ein typisches "aus den Augen aus dem Sinn" was da abläuft. Vorher war es immer da und es hat niemanden interessiert was da genaues gelaufen ist. Erst wenn so etwas offiziell bekannt gemacht wird, dass etwas abgerissen ist kommt jeder mit einer (Fach-) Meinung um die Ecke und will es besser wissen, oftmals auch ohne Hintergründe zu kennen.

Ist hier nicht anders. Es hat sich niemand für die alte Brauerei interessiert nachdem diese abgebrannt ist und der Rest stehen geblieben ist. Sie wurde einige male verkauft und auch da hat niemand etwas gemacht. Als es dann um den Abriss ging, waren alle vorne mit dabei, sogar Hausbesetzungen gab es dann, damit der Abriss gestoppt wird. Im Endeffekt war das alles sinnloses Zeug was die Leute sich da zusammen gereimt haben, das Haus war schon nach dem Brand Einsturz gefährdet und finanziell nicht mehr rentabel es nochmals zu richten. Da kann man es sich so schön reden wie es ist, entsprechend hat auch niemand damit anfangen.

Man meint halt immer zu aktuellen Dingen seinen Senf gegen zu müssen, auch wenn man keine Ahnung hat. Da werden dann Emotionen und Erinnerungen mit verbunden die breit getreten werden und mehr ist das nicht. Ein wichtig machen, aufspielen und gesehen werden in den Netzwerken um dort noch das eine oder andere Like für einen Kommentar zu kassieren. Aber viel steckt da eh nicht dahinter, wenn jemand seinen Senf mit abgibt und einen Kommentar postet.