Hauptschulabschluss nichts mehr wert - wo soll das hinführen

vom 19.03.2015, 13:34 Uhr

Nicht jeder Mensch ist dafür geeignet das Abitur zu machen und viele Leute sind einfach auch nicht für den Realschulabschluss geeignet. Aber wenn man heutzutage etwas lernen will und eine Ausbildung genießen will, braucht man mindestens einen Realschulabschluss. Jugendliche "nur" mit einem Hauptschulabschluss dürfen nicht mal Friseur oder Anstreicher werden. Das wurde heute im Fernsehen gesagt.

Der Hauptschulabschluss ist nichts mehr wert. Wo man früher noch mit einem Hauptschulabschluss eine Ausbildungsstelle bekommen hat, wie in Handwerkerberufen, wird heute Abiturienten und Fachabiturienten noch den Realschulabsolventen bevorzugt. Hauptschulabsolventen fallen meist komplett durch das Raster.

Findet ihr es richtig, dass so sehr auf die Schulbildung geschaut wird? Jemand mit geringer Schulbildung kann doch dennoch Talent haben und gerade im Handwerk sehr gut sein. Warum aber bevorzugt man einen guten Schulabschluss? Warum nehmen Arbeitgeber noch eher Abiturienten oder Fachabiturienten?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



MissMarple hat geschrieben:Wo man früher noch mit einem Hauptschulabschluss eine Ausbildungsstelle bekommen hat, wie in Handwerkerberufen, wird heute Abtiturienten und Fachabiturienten noch den Realschulabsolventen bevorzugt.

Ich habe noch nie so einen Schwachsinn gehört, tut mir Leid. Mag sein, dass das so in den Medien verklickert wird, die Realität sieht oftmals aber anders aus. Ich habe erst mit Fachabitur und ein Jahr später mit Abitur versucht eine Ausbildung zu bekommen.

Ich kenne sehr viele Personen aus meinem Umfeld, die dann das Studium abgebrochen haben und dann versucht haben mit Abitur noch eine Ausbildung zu bekommen. Man bekommt nur noch Absagen mit der Begründung, man sei mit Abitur bzw. Fachabitur zu "überqualifiziert". Eine Freundin von mir hat sogar mehrere Jahre eine Ausbildung gesucht und war nicht erfolgreich. Durchschnittliche Haupt- und Realschüler werden dagegen genommen.

Was viele auch verschweigen ist, dass es eine inoffizielle Quote gibt für die Arbeitgeber. Demnach muss immer ein bestimmter Prozentsatz aus den unterschiedlichen Schulformen eingestellt werden. Daher glaube ich nicht, dass Hauptschüler tatsächlich durchs Raster fallen.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Das ist kein Schwachsinn und heute und schon vor ein paar Jahren so gewesen, dass man mit einem Hauptschulabschluss hier in NRW nicht gerade gut da steht. In dem Betrieb, wo meine Tochter Tischlerin gelernt hat, wurden nur Gymnasiasten nach der 11. Klasse oder Abiturienten genommen. Da hat nicht mal jemand von den Auszubildenden einen Realschulabschluss, weil das zu wenig ist für diesen Beruf.

Ich habe neulich mit meiner Friseurin gesprochen und da wird keine Auszubildende genommen, die nicht mindestens einen Realschulabschluss aufweisen kann. Gymnasiasten mit einem Realschulabschluss werden bevorzugt, weil die sich angeblich besser mit den Kunden unterhalten können.

Der Sohn einer Bekannten von mir hat Realschulabschluss und wollte Maler und Lackierer lernen. Er wurde nicht genommen. Es wurden Abiturienten bevorzugt, weil die Kunden es so wollen und Handwerker sind eben auf die Kunden angewiesen. Ich finde es auch ziemlich traurig, dass es so ist und mir wäre egal, ob hier ein Hauptschulabsolvent meine Wohnung streicht oder ein Abiturient. Ordentlich sollte es sein.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ein Freund von mir hat letztes Jahr einen Auszubildenden für seine Möbelschreinerei gesucht und ihm war es nun wirklich egal, ob der sich mit Kunden unterhalten kann oder nicht. Dafür hat er schließlich eine Sekretärin.

Was ihm aber wichtig war ist ein Auszubildender, der die Ausbildung auch schafft um später als vollwertiger Mitarbeiter in den Betrieb einsteigen zu können und das bedeutet nun mal nicht nur mit Holz arbeiten sondern auch drei Jahre Berufsschule. Wenn dann ein Hauptschüler ankommt, der in den wichtigen Fächern schlechte Noten auf dem Zeugnis stehen hat und der es im Test nicht schafft einfache Dinge zu berechnen, dann taugt der einfach nichts für die Ausbildung.

Natürlich ist das Schade für so jemanden, weil der natürlich trotzdem handwerklich begabt sein kann und den Beruf mit Freude machen würde, aber in einem kleinen Betrieb hat man eben keine Zeit für solche Problemfälle, die man speziell fördern müsste. Aber es gibt ja Programme für solche Schüler, wenn sie das wirklich wollen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Mein Cousin hat Abitur und sucht schon seit einigen Jahren erfolglos eine Ausbildung. Er hat viele Bewerbungsgespräche und Probearbeiten gemacht, wurde dann aber mit der Begründung verabschiedet, er sei für diesen Beruf überqualifiziert und man bevorzuge Auszubildende mit einem Haupt- oder Realschulabschluss.

Da frage ich mich nur, wie diese Leute erst so spät merken können, dass er Abitur hat. Ich meine das Abschlusszeugnis liegt doch eigentlich der Bewerbung bei. Sie wissen also genau, dass er eine höhere Qualifikation hat, als sie tatsächlich suchen, laden ihn aber trotzdem zu Bewerbungsgesprächen ein. Und erst Wochen nach dem Bewerbungsgespräch kommt eine telefonische Absage. Da habe ich absolut kein Verständnis für.

Dabei sagt man doch, mit Abitur stehen einem alle Türen offen. Ich denke von daher schon, dass Leute mit Hauptschulabschluss teilweise eher genommen werden als Abiturienten. Das also der Hauptschulabschluss schon noch seinen Wert hat. Abitur hingegen ist fehl am Platz, wenn man nicht vor hat, nach dem Abitur auf eine Universität zu gehen, um dort zu studieren.

» Lapricia » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 19.03.2015, 22:49, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

@Diamante: Als deine Tochter ihre Ausbildung begonnen hat, war das noch etwas anders. Aber in den letzten fünf Jahren hat sich die Situation so verändert, dass man in vielen Betrieben die Ausbildungsstellen gar nicht mehr besetzen kann, da es zu wenige Bewerber gibt. Wo noch vor acht bis zehn Jahren die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit den Firmen die Türen eingerannt haben, ob man nicht doch noch einen Azubi mehr nehmen kann, ist es heute umgekehrt der Fall.

Das geht schon soweit, dass man zukünftigen Auszubildenden diverse materielle Dinge verspricht, wenn sie sich für die entsprechende Ausbildung entscheiden sollten. Die Zeiten, wo man mit einem Hauptschulabschluss teilweise mehrere Jahre suchen musste, sind lange vorbei. Wobei man auch bei uns gar nicht mehr so viele Schüler hat, die in Richtung Hauptschulabschluss gehen.

Wo man bis vor zwei Jahren an jeder Oberschule noch eine Klasse pro Jahrgang hatte, werden mittlerweile die Schüler nach der 6. Klasse von zwei bis drei Schulen zu einer neuen Klasse vereint. So haben die jeweiligen Schulen eben auch nicht mehr in jeder Klassenstufe eine Hauptschulklasse, sondern nur noch die Realschulklassen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


In Bayern kam die starke Abwertung der Hauptschule (die wohl jetzt Mittelschule genannt wird) erst mit der Einführung der sechsstufigen Realschule. Dadurch sind viele Schüler, die nach der Grundschule zunächst zwei Jahre auf die Hauptschule gingen, direkt auf die Realschule. Das hat die Qualität vor allem der ersten zwei Jahrgänge stark geschwächt.

Auf der anderen Seite gibt es schon lange die Möglichkeit, auf der Hauptschule die mittlere Reife zu bekommen. Damit hat man auch gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz, der sonst eher Realschülern vorbehalten ist.

In meinem Umfeld beobachte ich eher den Trend, dass die Firmen eher ungern Abiturienten für eine Ausbildung einstellen, da den Leuten ein Gesellenjob zu wenig ist und sie dann doch studieren gehen. Dann haben die Firmen umsonst in die Ausbildung investiert. In diesem Fall nimmt man dann doch lieber den "schlechteren" Real- oder Hauptschüler, da dort die Gefahr nicht ganz so groß ist.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich kann jetzt eigentlich nicht sehen, dass sich die Situation in NRW groß verändert hat. Damals in der Berufsschule, das ist bei mir jetzt wirklich lange her, hatte ich schon zu mehr als 50 % Abiturienten in der Klasse. Das war ein Beruf, für den ein Hauptschulabschluss ausreichend ist.

Die letzte offizielle Statistik des Landes NRW umfasst das Jahr 2012/2013: Dort sind insgesamt 101 958 Ausbildungsstellen erfasst, davon sind 5 457 Stelen unbesetzt geblieben. Dem gegenüber stehen 143 958 bei den Arbeitsämtern gemeldete Bewerber. Von denen sind 6 327 komplett unversorgt geblieben. Aber die Zahlen sagen deutlich, dass es viel weniger Stellen als Bewerber gab. Fast jeder dritte Bewerber musste sich eine andere Alternative suchen, weil es eben keine Ausbildungsplätze gab.

Der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung von 2014 ist in diesem Punkt auch mehr als deutlich. Immer mehr Bewerber bleiben unversorgt und landen in Maßnahmen, mit denen sie nicht zufrieden sind. Das betrifft auch genügend Schüler mit Abschluss. Denn die Zahl der angebotenen betrieblichen und nicht-betrieblichen Ausbildungsstellen sinkt immer weiter ab.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Diese Situation musste ich auch schon miterleben. Für viele Ausbildungsstellen werden viel zu hohe Abschlüsse verlangt. Selbst ich mit meinem erweiterten Realabschluss mit 2,1 Schnitt habe Probleme eine Ausbildung zu finden, weil es hier einfach zu hohe Anforderungen an die Bewerber gibt. Zwar bekomme ich öfter gesagt, dass ich damit fast alles machen könnte, doch diese Leute kommen meistens aus einer älteren Generation.

Hier soll es im Landkreis auch immer mehr unbesetzte Ausbildungsstellen geben, doch die Arbeitgeber werden immer fordernder, sie wollen selbst für eine Ausbildungsstelle am liebsten jemanden, der bereits alles über die angebotene Ausbildung weiß und keinerlei Führung benötigt. Heutzutage ist es wirklich ein Kampf, eine gute Ausbildung zu bekommen.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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