Habt ihr Verständnis für lange Gerichtsverhandlungen?

vom 08.07.2018, 18:31 Uhr

Laut Medienberichten soll am kommenden Mittwoch das Urteil gegen Beate Zschäpe gesprochen werden. Die Verhandlung hat dann insgesamt fünf Jahre gedauert und umfasst mehr als 430 Verhandlungstage. Habt ihr persönlich Verständnis, warum es teilweise so lange dauert, bis ein Urteil gesprochen wird? Oder meint ihr, dass man das Urteil durchaus hätte schneller finden können?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ganz davon abgesehen, dass es die deutsche Justiz wohl einen Dreck schert, ob die Bürger "Verständnis" dafür haben, wie kurz oder lange ein Verfahren dauert, bin ich durchaus der Meinung, dass man manche Dinge nicht übers Knie brechen darf. Und wenn es um die Aufklärung einer derartigen Verbrechensserie geht, in dessen Vorfeld noch dazu so viel schiefgegangen ist, um nicht zu sagen fahrlässig vermasselt wurde, ist es in meinen Augen durchaus legitim, bei der Gerichtsverhandlung die nötige Sorgfalt walten zu lassen.

Sonst macht sich die deutsche Staatsgewalt ja vollends unglaubwürdig. Und wie gesagt geht es hier nicht ums Falschparken, sondern um Verbrechen und ihre Hintergründe, über die man im Interesse der Demokratie auch nicht so mir nichts, dir nichts hinweggehen kann, damit es ja schnell genug für die Öffentlichkeit vorangeht, die sich schon nach 20 Verhandlungstagen anfängt zu langweilen. In meinen Augen sind die Prioritäten in solchen Fällen falsch gesetzt, wenn es nur möglichst schnell gehen soll, bis ein Urteil gesprochen wird. Es hetzt schließlich keiner, und die Argumentation, was das alles koste, lasse ich angesichts der allgegenwärtigen Verschwendung von Steuergeldern auch nicht gelten.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich finde es vollkommen richtig und in Ordnung, dass man sich die entsprechende Zeit lässt um ein gerechtes Urteil finden zu können. Was bringt es denn, wenn man einen Schnellschuss hinlegt und dann am Ende der Falsche hinter Gittern sitzt? Das funktioniert so auch nicht und so sollten Fälle von allen Seiten beleuchtet werden und dann auch entsprechend behandelt werden, wie lange es dann dauert ist doch egal, Hauptsache man bekommt ein Urteil, das fair und richtig ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich komme ein bisschen aus dem Metier und habe daher auch ein bisschen Einblicke hinter die Kulissen. Zum einen denke ich, dass gerade bei so großen und komplexen Abläufen wie dem Treiben um die NSU sehr viel aufgeklärt werden muss und es von allen Seiten beleuchtet werden muss, wer was wusste, wer was getan hat, ob man angelogen wurde und ob ein anderer Zeuge vielleicht etwas anderes dazu sagen kann.

Da braucht es natürlich auch viel Vorbereitung und viel Organisation, damit man den Überblick behält, denn man kann ja nicht einfach wahllos Zeugen vorladen und dann feststellen, dass sie zwar interessante Dinge ausgesagt haben, das aber für die Tat und das Strafmaß völlig irrelevant ist. Außerdem muss koordiniert werden, welcher Zeuge wozu aussagen soll, damit er nicht fünfmal vorgeladen werden muss, weil man doch noch eine Frage an ihn hat.

Wenn ich mir die Entwicklung in der Justiz so ansehe, dann kommt bei den Richtern aber auch eine gewisse Angst auf, dass ihre Urteile einem Rechtsmittel nicht standhalten könnten. Viele haben Angst, dass ihre Urteile wieder kassiert werden und trauen sich inzwischen gar nicht mehr, eine eigene Entscheidung zu treffen. Fakten einfach als gerichtsbekannt hinzunehmen oder aufgrund der eigenen Lebenserfahrung als richtig zu unterstellen, traut sich kaum noch ein einfacher Richter.

So ein Gutachten erstellen zu lassen, braucht natürlich auch wieder viel Zeit und zieht den gesamten Prozess in die Länge, denn nach der Anfertigung muss das Gutachten natürlich erst einmal besprochen werden. Erfahrungsgemäß terminieren die Richter allerdings viel zu langsam. Es wird den Anwälten endlos lange Zeit gegeben, Schriftsätze hin und her zu schicken, anstatt mal schnell nach den ersten beiden Schriftsätzen einen Termin anzusetzen. Dadurch bläht sich die Akte und damit auch der Prozess auf.

Insofern habe ich also Verständnis, wenn umfangreiche Prozesse auch lange dauern. Aber ich habe kein Verständnis für diese Flut an eher sinnlosen Gutachten, diesem endlosen Schriftwechsel und diesem langen Warten auf einen Termin. Das könnte schneller gehen.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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