Haben kinderreiche Familien ein Prestigeproblem?
Ich habe einen Artikel gelesen, in dem es um eine Familie mit 7 Kindern ging und bei dem ein Antrag auf Ehrenpatenschaft durch Joachim Gauck angenommen worden ist für das jüngste Kind. In dem Artikel hieß es dann auch, dass kinderreiche Familien es ziemlich schwer in der Gesellschaft hätten, weil sie von vielen anderen Menschen als "unnormal" betitelt würden und schief angeschaut würden. Man hätte wohl automatisch ein Prestigeproblem und ein Imageproblem, wenn man viele Kinder hätte, auch wenn es eine Patchwork-Familie wäre.
Aus diesem Grund hätte man die Ehrenpatenschaft ins Leben gerufen, um das Sozialprestige ein wenig zu verbessern. Ich verstehe aber nicht, was das bitte bringen soll. Also nur weil jemand einen prominenten Ehrenpaten hat, wäre er für mich persönlich auf keinen Fall automatisch angesehener. Ich verstehe die Logik dahinter nicht.
Würdet ihr sagen, dass kinderreiche Familien automatisch ein negatives Image und ein Prestigeproblem haben? Meiner Meinung nach kommt es doch eher darauf an, wie die Kinder erzogen sind. So kenne ich auch eine Familie mit 7 Söhnen, wo die Kinder alle sehr streng und gut erzogen worden sind, auch wenn solche Familien nicht weit verbreitet sind. Es gibt aber auch Familien mit Einzelkindern, wo die Kinder schlecht erzogen sind. Wie seht ihr das? Ändert eine Ehrenpatenschaft was am Prestige und Image?
Für mich kommt es auch auf die Erziehung an. Wenn einer seine Kinder nicht im Griff hat und diese machen was sie wollen und sich nicht benehmen können finde ich das nicht schön, egal wie viele Geschwister für das eine Kind da noch vorhanden sind. Wobei ich einfach denke, dass die Leute auch teilweise von sich auf andere beziehen. So dass sie denken, dass sie das nicht schaffen würden und das man es deswegen gar nicht im Griff haben kann mit so vielen Kindern.
Ich habe beides schon erlebt. Gut erzogene Großfamilienkinder und schlecht erzogene Kinder. Das ist denke ich auch normal, weil es das bei Einzelkindern genauso gibt. Ein berühmter Pate ändert an der Situation auch nichts, zumal das doch eher eine Sache auf dem Papier ist oder?
Natürlich ist es schade, wenn gute Familien unter den schlechten Familien leiden müssen, aber man kann es auch nicht ändern. Man kann die Leute nur durch Taten überzeugen, dass es in der Familie besser läuft.
Natürlich wird man nicht zu einem besseren Menschen, wenn der Herr Gauck die Ehrenpatenschaft für das jüngste Kind übernimmt. Hierbei handelt es sich um eine rein symbolische Geste, die genau das bezwecken soll, was auf dem Etikett steht: Der Herr Bundespräsident möchte darauf aufmerksam machen, dass nicht alle Familien mit mehr als dem Bundesdurchschnitt von 1,38 Kindern verwahrloste Assis in die Welt setzen, weil sie zu dumm sind zum Verhüten oder irgendwelche uralten, verquasten religiösen Auffassungen pflegen, sondern dass auch kinderreiche Familien ein Recht auf Anerkennung haben und einen Beitrag für eine vielfältige Gesellschaft leisten.
Natürlich haben das auch Alleinerziehende, Wohlstands-Bälger, Einzelkinder und in meinen Augen homosexuelle Paare mit Kindern, aber wenn man zu sehr in die Breite streut, verlieren solche Gesten schnell ihre positive Bedeutung. Und der Bundespräsident hat sich eben für eine symbolische Unterstützung von Familien mit vielen Kindern entschieden. Schließlich wird ja auch an allen Ecken und Enden gejault, dass die Deutschen zu wenig gebärfreudig sind und dass uns früher oder später die Leute ausgehen (was ich nicht glaube).
Aber wenn Leute tatsächlich noch einen Haufen Kinder haben, werden sie bespöttelt oder ausgegrenzt. Dass das nicht richtig ist, versteht sich von selber. Und der Herr Gauck setzt eben sein Ansehen und seinen Bekanntheitsgrat dafür ein, dass man zumindest darüber nachdenkt, bevor man die Nachbarn als "Karnickel" bezeichnet. Genauso gut könnte er sich für den Tierschutz oder die Pflege des Volkstanzes stark machen.
Was soll das schon bringen? Man bekommt schon eine Urkunde wenn man das fünfte Kind geboren hat, ab dem 7. wird dann noch die Patenschaft übernommen. Deswegen wird ein Herr Gauck auch nie vor der Tür stehen und sein Patenkind mal ansehen, oder auch mal helfen kommen, geschweige denn etwas finanzielles dazu besteuern.
Leider ist es so, dass man bereits ab dem 3. Kind als asozial abgestempelt wird, einfach weil es mehr negative Beispiele gibt als positive. Nicht von der Erziehung her, diese kann ebenfalls missraten sein bei nur einem Kind, sondern vom finanziellen Status her. Wir wissen alle, dass Kinder ein teures Hobby sind. 1-2 kann eine normale Familie mit einem normalen Einkommen noch wuppen, kaum werden es mehr, kommen die ersten Fragen auf wie man sich das denn leisten kann. Bei 7 Kindern wird immer davon ausgegangen, dass man vom Staat Geld kassiert damit man über die Runden kommt, zu blöd zum Verhüten war, denn niemand normales schafft sich 7 Kinder an usw.
Dazu kommt noch das Problem mit den Arbeitgebern. Mit 2 Kindern ist man schon gut dabei, wenn es darum geht das diese krank sind. Bei 7 Kindern hat man einen Anspruch auf 70 Tage frei, für jedes Kind 10, wenn diese mal krank sind. Das ist 1/4 vom kompletten Arbeitsjahr und damit auch ein Problem für Arbeitgeber, diese sich selten jemand ins Boot holen der das am Bein hat und entsprechend lange ausfallen könnte, während sie für ihn munter weiter zahlen dürfen. Ist der andere Elternteil Zuhause, dann wird dort eher mal ein Auge zugedrückt aber nicht wenn beide arbeiten gehen und voll berufstätig sind.
Angesehener ist man damit nicht da eben viel mehr negatives mit schwingt und das vielen noch nicht einmal bekannt ist, dass dann eine entsprechende Urkunde ausgestellt wird die per Post kommt. Ich kenne auch eine Familie mit 7 Kindern, der Vater verdient mehr als nur gut, die Mutter sitzt Zuhause und kümmert sich um die Kinder. Netter Haufen, alles geplante Kinder und gewollt aber dennoch wird und wurde hinter dem Rücken vieles nachgesagt wie auch direkt ins Gesicht, warum man sich noch ein 8. Kind anschafft und ob die gute Dame zu Faul ist zum arbeiten gehen und sich davor nur drücken möchte.
Eine Sache verstehe ich in dieser Begründung, es ginge um eine Anhebung des Images von kinderreichen Familien nicht: Die Ehrenpatenschaft für das siebte Kind einer Familie durch den Bundespräsidenten gibt es schon seit den späten Vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, es ist also gar keine Erfindung der letzten Zeit oder dieser Amtsperiode.
Eigentlich hatte ich persönlich immer das Gefühl, dass gemessen an der historischen Zeit, wo die Patenschaft entstanden ist, eher noch das hoch gehaltene altehrwürdige Ansehen der deutschen Großfamilie damit geadelt werden sollte. Aber möglicherweise hat es ja auch damals schon als unschicklich gegolten sieben oder mehr Kinder zu haben, da habe ich in dem Bereich leider zu wenig Ahnung.
Ich gebe zu, dass das mein Ansehen aber so oder so nicht heben würde und auch meine persönliche Verwunderung über so viele Kinder nicht änderte. Mit einem Vorurteil kann ich aber aufräumen: Die meisten kinderreichen Familien, die ich kenne, also mit vier oder mehr Nachkommen, stammen eher aus den wohlhabenderen Gesellschaftsschichten. Offenbar hat da eine Umkehr stattgefunden und viele arme Leute können und wollen sich so eine Großfamilie gar nicht mehr leisten.
Ich glaube schon, dass man erstmal komisch Bankgeschäft wird, wenn man viele Kinder hat. Viele fängt hier ja heutzutage schon bei drei an. Wenn ich erzähle, dass ich drei Geschwister habe, werde ich auch immer erstmal komisch angeguckt und gefragt, wie meine Eltern das nur geschafft hätten.
Eine Freundin von mir hat sich bewusst für Ihre fünf Kinder entschieden. Die Familie ist sehr harmonisch und sie ist sehr bemüht, dass alles läuft. Sie hat mir aber auch schon oft gesagt, dass sie das Gefühl hat, die Leute würden bei ihr genauer hinschauen.
Wenn man mit einem Kind unterwegs ist und dem Kleinen läuft die Nase, dann ist das ganz normal. Ist man aber mit fünf Kindern unterwegs und eins davon hat einen Fleck auf dem Pullover, dann denken die Leute sofort man sei asozial.
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