Haben durchschnittliche Schüler den größten Erfolg im Leben?

Bei Facebook werden ja immer wieder so Bildchen mit angeblichen Fakten oder Sprüchen geteilt. Ich habe erst heute so einen Spruch gelesen, der angeblich ein Fakt sein soll. Dort hieß es, dass durchschnittliche Schüler, also solche mit einem 3er Durchschnitt auf dem Zeugnis, im späteren Leben angeblich am erfolgreichsten sein sollen. Eine Begründung oder so etwas stand jetzt nicht dabei und das bringt mich schon zum Nachdenken.

Ist es tatsächlich so, dass durchschnittliche Schüler später erfolgreicher im Leben sind als von mir aus Einserkandidaten? Oder soll dieser Spruch nur dem Durchschnitt Mut machen und da steckt nicht wirklich Wahrheit dahinter? Was für einen Schnitt hattet ihr in der Schulzeit und würdet ihr euch selbst in eurem bisherigen Leben als erfolgreich bezeichnen? Wärt ihr genauso erfolgreich geworden mit einem besseren oder schlechteren Notenschnitt?

Nein, durchschnittliche Schüler sind weder per se erfolgreicher oder weniger erfolgreich als Schüler mit guten Noten. Die Noten sagen verdammt wenig aus und zählen für den beruflichen Erfolg überhaupt nicht mehr. Wenn man überhaupt etwas zur Aussagekraft von Noten sagen möchte, dass sich statistisch belegen lässt, dann muss man weit zurück.

Denn wenn überhaupt dann sagen die Noten aus der dritten Grundschulklasse etwas über den späteren Erfolg aus. Hier gibt es tatsächlich einen Zusammenhang, denn das sind die Noten, die oft unter ziemlichen Anstrengungen entstehen, damit es mit dem Gang auf das Gymnasium klappt.

Das sagt nichts über die Intelligenz aus, aber es zeigt, dass Lernen unter Druck und für ein Ziel in weiter Ferne klappt. Diese Noten korrelieren tatsächlich meist mit dem späteren Erfolg und Pubertät und Lustlosigkeit verschlechtern den späteren Weg nicht mehr, sowie viel Lernen und Nachhilfe ihn meist nicht verbessert.

Schulnoten sagen durchaus etwas über die Fähigkeit aus, ein Studium zu überstehen. Jemand mit besseren Noten lernt meist leichter, hat eine gute Selbstorganisation und Durchhaltevermögen. Sein Studium beendet er also wahrscheinlicher als jemand mit mittelmäßigen Noten.

Aber wenn das Studium geschafft ist, dann sagt das wieder wenig aus. Denn wie sich die Karriere im Berufsleben entwickelt, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Tendenziell ist jemand mit einem Schulabschluss nicht ganz verblödet. Und jemand mit Studium hat zumindest einen gewissen IQ. Aber auch das heißt wenig, denn im Beruf geht es wieder um etwas anderes.

Hochintelligente Menschen landen in allen Schulformen und beenden Arbeiten mit allen Noten. Viel wichtiger ist die Neugier. Wenn ein bestimmtes Fach/eine Tätigkeit den Menschen interessiert, dann wird er gut darin sein.Seine Noten helfen da nicht weiter.

Wer viel Anerkennung benötigt, der wird in einer anonymen Großuniversität ebenso versagen wie in einem Großkonzern ohne entsprechende Strukturen. In einem anderen Umfeld blüht er auf und überflügelt alle. Genauso ist es bei Menschen, die ein Ziel vor Augen haben. Wer ein Ziel hat liefert unter Umständen mit schlechten Noten bessere Leistungen ab als jemand, dem es egal ist.

In der Schule kommt man oft mit Massenlernen aus. Das reicht in vielen Berufen nicht, dort muss man gezielt lernen und altes Wissen abrufen und neu verknüpfen können. In Schulnoten zeigt sich diese Fähigkeit oft nicht. Gute Noten sind kein Garant für den späteren Erfolg und schlechte Noten bedeuten nicht, dass auch der Karriere nichts wird oder man später automatisch erfolgreich wird.

Also ich persönlich finde nicht, dass durchschnittliche Schüler erfolgreicher im Leben sind. Mich würde gerne interessieren, was "den größten Erfolg im Leben" bedeutet. Ich bin derzeit noch Schüler und zähle mich persönlich auch zu den sehr guten Schülern und ich hoffe schon, dass ich einmal im Beruf Erfolg haben werde. Immerhin lerne ich schließlich viel und auch mehr als "durchschnittliche" Schüler für meine Noten.

Eine wissenschaftliche Studie wird hinter dem Facebook-Sprüchlein wohl kaum stecken. Wenn doch, würde sie mich durchaus interessieren. Aber generell bin ich ebenfalls nicht der Ansicht, dass Schulnoten tatsächlich ausschlaggebend für den späteren Erfolg im Leben sind.

Der Begriff "Erfolg" alleine ist sowieso höchst individuell und schwammig und lässt sich meines Erachtens nicht alleine daran messen, ob man einen hoch bezahlten und prestigeträchtigen Job an Land zieht. Für viele Menschen mag dies der Inbegriff eines erfolgreichen Lebens sein, andere sind in der gleichen Situation kreuzunglücklich und träumen von ganz anderen Dingen. In dieser Situation ist es doch eigentlich völlig egal, ob man anno dazumal jetzt einen Einser oder einen Vierer in Mathe hatte.

Zudem kann ich mir vorstellen, dass Menschen, die in den Augen der Welt als erfolgreich gelten, mehr oder weniger verpflichtet sind, sich bescheiden und bodenständig zu geben, um die Neider klein und die Bewunderer bei der Stange zu halten. Da ergibt es sich von ganz alleine, dass man bei jeder Gelegenheit darauf hinweist, dass man aus "einfachen Verhältnissen" stammt, irgendwo in der Provinz in der Schule war und natürlich da den üblichen Blödsinn gemacht und bestenfalls mittelmäßige Noten kassiert hat. Reine Imagefrage. Dass man beispielsweise schon immer Top-Noten in Musik hatte und nicht aus purem Zufall Sänger geworden ist, wird oft verschämt verschwiegen.

Ich selber war von den Schulnoten her leicht überdurchschnittlich, aber das hat global gesehen natürlich so gut wie nichts zu bedeuten. Schließlich muss einen nur mal ein Lehrer nicht mögen, oder der Liebeskummer zuschlagen, und die Noten sind im Keller, ohne dass man gleich zu einem Vollversager wird. Ganz im Gegenteil: Die Strebertypen mit den Spitzennoten, zu denen ich noch vage Kontakt habe, haben mittlerweile auch eher durchschnittliche Jobs, was ich auch darauf zurück führen würde, dass viele Einserschüler damals grenzenlos arrogant waren oder ein völlig bizarres Sozialverhalten zeigten. Für beruflichen ebenso wie privaten Erfolg ist es ja oft wichtiger, dass man sich gut benimmt und gut verkaufen kann, als dass man gut Fakten reproduzieren kann.