Gute Idee, Schulnoten und Hausaufgaben abzuschaffen?
Die Linken sind jetzt mit einer Idee vorgeprescht, die für mich schon einen sensationellen Charakter hat. Sie wollen nämlich die Schulnoten und Hausaufgaben abschaffen und somit dem Bildungsnotstand in Deutschland entgegenwirken. Was haltet ihr von dieser Idee und wird diese in der Praxis überhaupt durchsetzbar sein?
Nicht nur das. Die Forderungen nach gleichem Niveau bis zur 10. Klasse, und dass Übungen in der Schule stattzufinden haben, sind nicht nur der Stoff, aus dem Pennälerträume gemacht sind, sondern kochen eine uralte, bereits erledigt geglaubte Diskussion wieder auf. Dabei hat es in der Nach-68-er-Zeit doch genügend Versuche am lebendigem Objekt "Schule" gegeben, die mittlerweile allesamt praktisch als verfehlt gelten mussten. Ich wüsste jedenfalls nicht, was von der früheren Bildungsreform so großartig noch übrig geblieben wäre.
In der Zwischenzeit dürfte es sich doch herumgesprochen haben, dass "Schule" Zuträger zu gesellschaftlichen Positionen darstellt, und dass ein gesunder Selektionsmechanismus rechtzeitig genug greifen muss. Denn, wenn nun alle dasselbe Niveau haben, dann haben schlussendlich alle Abitur, dann brauchen die Schüler keine Eins, um bestimmte Wunschfächer studieren zu können, dann wird noch der Numerus Clausus abgeschafft, dann kommt wieder das berühmt-berüchtigte Gespenst mit Namen Akademikerschwemme, weil ja alle das Zeug zum Doktor und Generaldirektor haben, und so weiter.
Und plötzlich sind dann aus den linken Revoluzzern wieder Mitglieder des von ihnen einst bekämpften Establishments geworden. Und wählen dann mehr rechts statt links in Eigentormanier. Und die unbequemen, schlechter bezahlten Tätigkeiten und die Drecksarbeit machen dann wieder die gebietsfremden Underdogs, die man früher so verniedlichend "Gast"-arbeiter nannte. Kennen wir schon, nichts Neues.
Also, sehr kurz gedacht, was sich die Linken da wieder zusammengeschustert haben. Den Zweck hat diese Meldung ja jetzt schon erfüllt: Die Linken sind wieder in aller Munde. Und anderes als Publicity hatten die Parteistrategen ja nicht im Sinne.
Gorgen, warum muss denn bitte ein Selektionsmechanismus rechtzeitig greifen? War das echt so toll? Bei uns wurden durchaus weniger kluge Köpfe zum Gymnasium geschickt, weil die Eltern dahinterstehen werden und die unweigerlich notwendige Nachhilfe bezahlen können. Und andere, durchaus schlauere Kinder wurden von den Lehrern zur Hauptschule geschickt, weil die ungebildeten Eltern nicht helfen können und wohl auch keine Nachhilfe bezahlen. Das ist nun wirklich dämlich. So verhindert man den gesellschaftlichen Aufstieg und verschenkt Potenzial, während man Dummheit fördert.
Außerdem zeigen andere Schulsysteme doch, dass es funktioniert. Finnland ist beispielsweise ganz vorne dabei. Und da gibt es erst sehr spät Noten und die Kinder lernen neun Jahre zusammen. Oder nimm die Niederlande. Die sind super in der Lesekompetenz und da bleibt man acht Jahre zusammen. Hierzulande kann jeder vierte Viertklässler nicht ansatzweise lesen und nach der strengen Selektion wird es nicht besser. Mit 15 Jahren kann dann jeder Fünfte nur gerade so einfachste Sätze lesen.
Natürlich liegen die besseren Ergebnisse nicht nur daran, dass man später selektiert. Da gehört viel mehr zu. Aber da kommen dann eben die Hausaufgaben ins Spiel! Wer braucht die denn bitte? Wer den Kram verstanden hat, wird von stumpfer Wiederholung nicht besser. Und wer es im Unterricht nicht gerafft hat, braucht Hilfe. Gibt es die daheim nicht, ist das dann Pech. Bei immer mehr Ganztagsschulen muss sowieso ein Umdenken her. Oder soll die Schule danach immer noch nicht zu Ende sein?
Wenn schon eine Reform, dann richtig. Ich rede mir schon Jahrzehntelang den Mund fusselig, dass ein modulares Bildungs- und Ausbildungssystem mit gestaffelten anerkannten Berufsabschlüssen, die zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit berechtigen, bestimmt insgesamt gerechter wäre, als das bislang perpetuierte Drei-Klassen-System: Handwerk, Angestellte, Akademiker.
Schafft beispielsweise ein angehender Akademiker nicht die letzte Prüfung, hat er garnichts in der Hand, was ihn zur Ausübung einer Tätigkeit qualifizieren würde. Da von gerechten Bildungschancen zu sprechen, geht an der Realität vorbei. Oder besser gesagt, die Diskussion setzt zu spät an.
Ein solider Ausbildungsstock, dann Weiterqualifizierung, die bereits Berufseinstieg erlaubt. Wer mehr will, wer Aufstiegschancen nutzen möchte, kann dann auf die entsprechenden Angebote zugeifen. Im Endeffekt läuft das auf eine ganz radikale Umstrukturierung hinaus.
Wozu braucht man dann noch Universitäten mit dem jetzigen Konzept von Lehre. Forschung wird ja schon ganz woanders wesentlich effektiver betrieben. Und wenn ich mir das Gejammere des akademischen Nachwuchses so anhöre, dann glaube ich kaum, dass jemand, der etliche Zeit in ein Studium investiert hat, dann mit einem mittelmäßig bezahlten Assistentenposten zufrieden sein kann.
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