Gute Gesprächskultur oder Diskussion "gewinnen"?
In einer Diskussion geht es ja bekanntlich nicht nur darum, den eigenen Standpunkt vehement zu vertreten, das Ziel ist auch, andere ehrlich davon zu überzeugen. Wie gut das allerdings gelingt, hängt in nicht geringem Maße von den eigenen rhetorischen Fähigkeiten - oder deren Fehlen - ab. Wenn man also will, dass die eigene Ansicht mehr Gewicht bekommt, passiert das allerdings oft durch mehrmaliges Wiederholen der eigenen Standpunkte, selbst wenn dabei meist gar nichts Neues gesagt wird, kann das andere Leute von der eigenen Ansicht durchaus wirkungsvoll überzeugen, das haben mittlerweile sogar Forschungen bewiesen.
Ich muss aber sagen, dass ich es trotzdem nicht gerade für gute Gesprächskultur halte und mir sowas eher auf die Nerven geht. Wie seht ihr das? Rüberbringen der eigenen Meinung um jeden Preis? Für mich ja lieber nicht.
Irgendwann ist alles gesagt und das Wiederholen der Argumente bringt dann auch keine Gesprächskultur, sondern nur noch ein genervtes Gefühl auf beiden Seiten. Eine Diskussion oder die kontroverse Betrachtung gewisser Themen ist absolut in Ordnung, aber man muss das Ganze nicht übertreiben, nicht auf die Spitze bringen und alles bis ins Detail bestimmen wollen. Man kann nicht immer nur gewinnen wollen, weil das zu Lasten des Gesprächs geht.
Je häufiger etwas wiederholt wird, desto schneller prägt es sich auch ein. Erzählt also jemand bereits zum fünften Mal seinen Standpunkt und ein anderer nur einmal, wessen Argumente bleiben eher im Kopf hängen? Aber auch wenn man keine Lust hat dauerhaft alles zu wiederholen, dann kann man mit Argumenten und Beispielen dafür sorgen, dass man es beim ersten mal bereits schafft andere zu fesseln und sich bei ihnen im Kopf breit zu machen.
Ich wiederhole gerne am Schluss alles nochmals in einem kurzen Resumé als Kurzform von meinen Argumenten als Zusammenfassung aber das war es dann auch schon. Um jeden Preis eine Diskussion "gewinnen" und anderen meine Meinung aufzwängen muss ich nicht, denn davon hat ohnehin jeder seine eigene aber ich kann mit meinen Argumenten überzeugen und meinen Standpunkt auch klar machen. Wie diesen dann jeder selbst sieht und annimmt, ist jedem selbst überlassen aber gerade durch die Beispiele kann man so etwas halt besser vermitteln und belegen, als wenn man nur leere Behauptungen in den Raum stellt.
Es ist doch einfach die Frage, worum es geht. Diskussionen als Übung, die bepunktet wird und bei der es am Ende einen Sieger gibt, ist eine verdammt gute Übung. Denn eine schlüssige Argumentationskette und eine schlagfertige Erwiderung zu so ziemlich jedem Thema und jedem Standpunkt zu beherrschen, das bringt schon Vorteile.
Davon profitiert ein geübter Mensch sein Leben lang. Das bedeutet nun nicht, dass man sein Gegenüber ständig in Grund und Boden argumentieren muss oder sollte. Aber so ein Schlagabtausch kann sehr interessant sein, auch wenn es um nichts geht und nur die Freude an der Diskussion eine Rolle spielt.
Ich diskutiere nicht gerne und ich mag es auch nicht, wenn ich im Alltag in irgendwelche Diskussionen hineingezogen werden. Angenehm finde ich es höchstens, wenn man über ganz abstrakte Dinge redet, etwa über irgendwelche Werte oder religiöse Ansichten oder eben Dinge, die man theoretisch auseinander nehmen kann. In dem Fall ist es ja nur ein Gedankenaustausch, man muss niemanden überzeugen, weil es ohnehin kein Richtig oder Falsch gibt.
Aber ich mag es gar nicht, wenn man bezogen auf den Alltag Diskussionen anfängt und dann an Dingen herummäkelt. Man kann gerne mal sagen, dass man etwas nicht gut findet oder versuchen, eine schnelle Lösung zu finden, aber wenn das in eine ewigen Schlagabtausch übergeht, dann ist das für mich anstregend und nervig. Es gibt auch Leute in meinem Umfeld, denen erzähle ich bestimmte Dinge bewusst nicht, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen.
Ich möchte einfach in meinem normalen Alltag meine Ruhe haben und mit anderen großartig zu diskutieren empfinde ich als stressig. Viele sind ja auch so drauf, dass sie dann anfangen, laut zu werden oder beledigend oder Dinge, die man mal geäußert hat, gegen einen verwenden, weil sie in ihrer Argumentation nicht weiter wissen oder so einen miesen Charakter haben, dass sie gerne auf anderen herumhacken. Mit solchen Leuten möchte ich erst recht nichts zu tun haben.
Ich diskutiere eher gerne, aber bitte verbal. Da kann man nicht so oft in Wiederholungen verfallen und ich finde schnell eine Lösung. Da kann ich auch Standpunkte besser verstehen, es kommt zu weniger Missverständnisse und auch ich drücke mich da eben korrekter aus, als beispielsweise hier im Forum.
Ich habe nun einmal mehr gelernt, alles persönlich zu machen. Deswegen tue ich mich im Forum immer etwas schwer. Dann habe ich irgendwie immer das Gefühl, ich werde missverstanden, drücke mich auch dazu doof aus, sodass man mich in Schubladen steckt in denen mich viele nicht stecken würden, wenn sie mich im Alltag kennen würden.
Ich möchte aber keine Diskussionen gewinnen. Jeder hat seinen Standpunkt und eine Meinung. Das ist für mich Okay. Ich mag es aber nicht, wenn man mich in Ecken prescht, in denen ich persönlich mich nicht sehe, keinen Bezug zu habe oder sonst etwas. Das nervt mich an Gesprächskulturen jeglicher Art an, dass es immer nur Schwarz/weiß gibt. Oder rechts/links/ oder sonst was, das nervt schon.
Wenn ich ehrlich bin, möchte ich Diskussionen schon ganz gerne gewinnen, wenn es um Themen und Standpunkte geht, die mich ehrlich betreffen. Bei einer Diskussion darüber, ob Medienstar X ein unwahrscheinlich begabter, engelsschöner Gott unter Würmern ist (meist die Meinung der anderen) oder ein überglorifizierter Laiendarsteller, der sich gut verkaufen kann (meistens meine Meinung), lasse ich mein Gegenüber schon mal "gewinnen" und versuche nicht, mit allen möglichen Tricks und Kniffen meinen Standpunkt durchzusetzen.
Wenn aber dagegen jemand beispielsweise die Meinung vertritt, was weiß ich, alle Homosexuellen gehören kastriert oder ähnlich Absurd-Kontroverses, fliegen bei mir alle Regeln der guten Gesprächskultur zum Fenster hinaus. Dann ist es bei mir vorbei mit "Du hast deine Meinung, ich habe meine, und die sind natürlich beide gleich viel wert!"
Aber wenn ich so darüber nachdenke, diskutiere ich eher selten, um zu "gewinnen", sondern um meinen Standpunkt mit anderen zu vergleichen und die Argumente und Ansichten der Gegenseite zu hören, Wenn sie logisch und überzeugend vorgebracht sind, lasse ich mich sogar hin und wieder von meiner Meinung abbringen. Aber "gute Gesprächskultur" setze ich dafür eher voraus. Wenn jemand das Zicken anfängt oder Argumente bringt wie "Das war schon immer so!", machen mir Diskussionen auch keinen Spaß mehr.
Diskussionen, nur um zu "gewinnen", bringen meiner Ansicht nach gar nichts. Denn es gibt auch Gesprächspartner, die schalten dann auf stur und beharren so dermaßen - egal wie viele und welche guten Argumente man vorbringt - auf stur und lassen alle Argumente an sich abprallen. Da bringt diskutieren auch nichts, wenn die Person gar nicht offen für andere Meinungen und Argumente ist.
Mein Interesse an Diskussionen besteht oft überwiegend im Austausch gegensätzlicher Argumente und gegenseitigem Kenntnisgewinn. Dabei muss nicht unbedingt am Ende ein "Sieger" feststehen. Auch wenn ich meinen Gesprächspartner nicht überzeugen kann, habe ich nach solchen Diskussionen zumindest dazugelernt, wie andere Menschen mit anderen Ansichten denken, und welche Motivationen hinter ihren Meinungen stecken. Damit bin ich häufig schon zufrieden und kann so eine Diskussion auch beenden, ohne darauf zu beharren, Recht haben zu müssen.
Das kommt immer auf das Thema an. Politische Diskussionen werden anderswo entschieden. Da gibt es keinen Sieger. Wenn es um Gesundheit oder Partnerschaft geht, sollten letztlich alle Sieger sein. Da ist eine Lösung wichtig. Vor allem sollte man immer bereit sein, sich auch mal eine andere Meinung anzuhören, auch wenn die einem nicht unbedingt passt. Ich empfehle jedem das Video von Didi Hallervorden über die AFD (Aktionsgemeinschaft Freunde der Diktatur).
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