Großeltern bitten vom zweiten Weltkrieg zu erzählen?
Der Nationalsozialismus liegt ja nun schon sehr lange und weit zurück. Die Anzahl der Zeitzeugen wird immer weniger. Bis zum Jahre 2045 wird nahezu jeder Zeitzeuge auf der Welt verschwunden sein, keiner wird dann mehr aus den Kriegstagen und Erlebnissen der damaligen Zeit mehr berichten können. Um so wichtiger ist es natürlich, den eigenen Kindern oder Enkeln möglichst viel Wissen aus der Zeit mitzugeben, welches sie wiederum der Nachfolgegeneration weitergeben können.
Doch was ist, wenn die eigenen Enkelkinder einen zuvor kommen und selbst kommen, fragen wie es damals so in der Zeit war, der Alltag sich gestaltet hat und warum man Menschen damals gehasst, verfolgt und getötet hat. Sollte man den Großeltern zuvor kommen und drum bitten, davon zu erzählen oder könnten da alte Traumata wieder hervorkommen, welche dann in einen Nervenzusammenbruch enden könnten? Welche Rolle seht ihr in dem Zusammenhang bei den Eltern der Kinder sowie den Großeltern? Kann man überhaupt Kindgerecht erzählen, was damals vorgefallen war? Literatur zu diesem Thema findet sich leider nur schwer im Internet oder in Buchhandlungen.
Ich glaube man sollte nicht nur die Kinder am Tisch sitzen haben, sondern auch die Eltern der Kinder, die Oma oder Opa dann eben auch stützen können und vielleicht auch das Kind vorher darauf vorbereiten, dass das keine leichte Zeit war und da einige schlimme Dinge auch mit den eigenen Großeltern passiert ist.
Ich habe das Thema irgendwann von mir aus angesprochen bei meiner Ur Oma. Bei meiner Oma und meinem Opa hatte ich das als Hausaufgabe in der Grundschule und da bin ich recht froh gewesen, dass er mir eine vermeintlich harmlose Geschichte erzählt hat. Sicherlich hat er noch einiges mehr erlebt, aber er hat mir eine kindgerechte Sache erzählt, die ihn auch geprägt hat, aber es gab ja deutlich schlimmere Sachen.
Danach habe ich das nicht mehr angesprochen, auch weil ich damals gemerkt habe, dass das ein unangenehmes Thema war. Meine Ur Oma hat das nicht gestört. Es war zwar eine sehr schlimme Zeit und ihr standen beim erzählen auch die Tränen in den Augen, aber sie war immer eine Frohnatur und konnte es daher erzählen ohne am Ende des Gesprächs zerstört zu sein. Wohl auch, weil wir einfach darüber geredet haben. Das schien ihr auch gut zu tun.
Ich denke ein geleitetes Gespräch ist da aber besser, da das eine schwere Zeit war und das auch für keinen einfach war und je nach Mensch kann das dann wirklich auch zu einem großen Down führen, Ängsten und so weiter. So nebenbei würde ich das aus heutiger Sicht auch nicht mehr ansprechen, aber es ist einfach nicht für Kinder so greifbar. Deswegen ist ein bisschen Aufklärung seitens der Eltern wichtig.
Klar sollten die Enkel ihre Großeltern fragen, wie ihre Kindheit und Jugend so war. Wenn diese nicht darüber sprechen möchten, dann tun sie es auch nicht. Drängen sollte man sie dann nicht. Ich bereue es mittlerweile, meine Eltern, die leider schon verstorben sind, nicht mehr über ihre Kindheit gefragt zu haben. Aber es hat mich als Kind und Jugendliche nicht besonders interessiert. Das geht wahrscheinlich vielen Kindern so. Aber wenn es sie interessiert, sehe ich keinen Grund dagegen, sich alles erzählen zu lassen.
Meine Mutter hat den Krieg als Kind erlebt und freiwillig viel erzählt, es uns praktisch aufgezwungen, was mich immer sehr erschreckt hat. Das Bild von einem kopflosen Radfahrer, der trotzdem noch weiter in die Pedale getreten hat, verfolgt mich immer noch in meinen Träumen. Es wäre besser gewesen, wenn meine Mutter das nicht erzählt hätte. Mein Vater war als ganz junger Soldat im Krieg und danach in Gefangenschaft. Er hätte seinen Enkeln auch nichts darüber erzählt, wenn sie ihn gefragt hätten.
Das müssen dann aber sehr alte Großeltern bzw. wohl eher Urgroßeltern sein, die man heute noch fragen könnte. Die Generation, die den zweiten Weltkrieg bewusst als Jugendliche oder Erwachsene erlebt hat, dürfte doch mittlerweile irgendwo zwischen Mitte 90 und 100 aufwärts sein. Aus meiner Familie lebt niemand mehr, der so alt wäre, jedenfalls keiner aus den direkten Linien.
Ansonsten erinnert mich das an eine Unterhaltung, die ich als Mädchen mal mit meinen Cousin hatte und ich ihm meine Beobachtung mitteilte, dass, entgegen aller Vorurteile, alte Leute redeten nur über alte Zeiten, ich das für unsere Großeltern nicht bestätigen kann. Dass sie nämlich eigentlich von sich aus nie darüber redeten, die eine Seite noch weniger als die andere. Vielleicht war vieles zu traumatisch besetzt, vielleicht sahen sie auch nicht die Notwendigkeit uns Kindern von ihrem jungen Erwachsenen Leben zu berichten.
Aber ich habe als Teenager meinen ältesten Opa dann doch mal befragt und später auch meine Großeltern gemeinsam. Sie waren beide sehr auskunftswillig und haben locker erzählt. Ich glaube für mich war die größte Überraschung, dass mein Opa absolut und vollkommen freiwillig in den Krieg gezogen ist und dass sicher auch als eine Form der damaligen Ehre empfunden hat. In meiner Vorstellung waren alle Leute damals die Opfer einer zwanghaften Diktatur und bestenfalls Mitläufer. Das war schon komisch, wenn man merkte, dass man da einem falschen Narrativ in der Schule aufgesessen war.
Direkte Gräueltaten waren kein Thema, nicht mal ansatzweise, obwohl mein Großvater in Polen, Russland, Belgien und Frankreich sicher so einiges gesehen hat. Ich habe mehrere Fotoalben aus der Kriegszeit geerbt, auch mit Aufnahmen von den Feldzügen, aber leider kann ich ihn nicht mehr befragen. Juden- und Fremdenhass waren keine Themen, meine Großmutter erwähnte nur mal beiläufig den Klassiker des uninformierten Bürgers, der von Konzentrationslagern keine Ahnung hatte. Für sie waren das reine Arbeitslager. Was doch eigentlich schon schlimm genug sein sollte, selbst wenn es nur so gewesen wäre.
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