Grenzen der Geschwisterliebe?
Vor einem Jahr hat sich die Schwester meiner Tante von ihrem Mann scheiden lassen, oder eher, er hat sich scheiden lassen, weil seine Frau ihn über fünf Jahre lang betrogen hatte und nun lieber mit ihrem "neuen" Freund zusammen leben wollte. Die beiden haben zwei Kinder und eigentlich hat sie von ihm alles bekommen, was sie nur wollte und ich meine wirklich ALLES, egal, wie teuer.
Zuerst war in der Familie nach dieser Bekanntgabe großes Tränen fließen, die Mutter meiner Tante (eine sehr christliche Familie) hat nicht glauben können, dass ihre Tochter eine Ehebrecherin ist. Viele Leute aus deren Umfeld wollten mit der Schwester meiner Tante nichts mehr zu tun haben und haben stattdessen ihrem Mann ihr Mitleid ausgedrückt und ihm, der durch die Scheidung so ziemlich alles abgeben musst (schlechter Ehevertrag), dabei geholfen, wieder Fuß zu fassen.
Kurz nach dieser riesen Bombe stand ein großes Familienfest an, auf dem, wie immer bei uns, viele Reden gehalten wurden. Und, unglaublich, aber wahr, meine Tante hat sich vorne hin gestellt und darüber gesprochen, wie toll ihre Schwester sei. Sie hat zwar nicht behauptet, wie ihre Schwester es natürlich getan hatte, dass deren Mann schuld an der Scheidung gewesen wäre, aber sie hat immer und immer wieder gesagt, wie wunderbar ihre Schwester wäre und wie lieb sie sie hat und dass doch auch alle Anwesenden ihre Schwester immer gern gehabt hätten (ich fühlte mich nicht angesprochen).
Bis heute kann ich das einfach nicht nachvollziehen. Ich habe meine Geschwister auch lieb und egal, wie oft wir streiten, ich verzeih ihnen auf die ein oder andere Weise. Aber sowas würde für mich einfach zu weit gehen. Anstelle meiner Tante hätte ich nicht einfach ein paar Wochen nach so einer Nachricht sagen können "Ich hab dich lieb", zumal der betrogene Mann wirklich ein sehr netter Mensch ist und ohnehin niemand es verdient hat, so behandelt zu werden.
Wie seht ihr das? Könnten ihr, wenn ihr Geschwister habt, denen so eine Sache innerhalb von ein paar Tagen verzeihen? Könntet ihr es überhaupt? Oder bräuchtet ihr dafür vielleicht auch einfach länger?
Was geht es mich denn an? Ich meine ich habe 2 Brüder, beide verheiratet und sie haben auch Kinder, aber wenn sie ihre Frauen betrügen würden oder sich scheiden lassen würden, wäre das ihre Entscheidung und ich würde sie dafür auch nicht ächten. Die Beziehung hat dann sicherlich nicht mehr funktioniert, was man ja auch überspielen kann und klar gibt es schönere Wege, aber das würde man nicht mehr ändern können.
Wenn ich dann mitbekommen würde, dass bei einer Familienfeier einer meiner beiden Brüder gemieden wird, wäre ich auch sauer und würde da entsprechend etwas dazu sagen. So verhält man sich einfach nicht, weil man ja nicht den Hintergrund der Tat kennt und man kann es auch nicht gut finden und dennoch zu seinen Geschwistern stehen. Ich denke, dass das jeder selber entscheiden muss.
Ich würde meine Brüder beispielsweise nicht mehr in Schutz nehmen, wenn sie einen Mord begehen würden oder jemanden schlagen würden, aber bei einem Betrug bin ich sicherlich nicht in der Lage mir da wirklich eine Meinung zu bilden, da das sicherlich auch alles Gründe hat.
Was juckt es mich, wenn meine Geschwister ihre Partner betrügen? Es ist ihr leben und wenn sie in ihrer Beziehung nicht glücklich sind und nicht das bekommen was sie brauchen und möchten, dann sucht man es sich woanders. Zu sagen, dass sie alles bekommt was sie will, lässt sich von Außen immer einfacher sagen als wie es in Wirklichkeit ist oder es diese betroffene Person empfindet.
Noch alberner finde ich es, dass auf einmal so getan wird als wenn die Dame die Person ist die am meisten gehasst wird für eine persönliche Entscheidung von ihr. Sie ist damit doch kein Besen geworden nur weil sie sich für einen anderen Mann entschieden hat und kann dennoch lieb und nett sein.
Hier wird so getan, als wenn man selbst der verlassene und betrogene Ehemann ist und legt alles auf die Goldwaage, und stellt diesen als Heiliges Opfer dar, welches nichts dafür kann. Da muss man mal mehr als nur Schwarz und Weiß sehen, jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass eine Beziehung funktioniert oder eben nicht und das Unschuldslamm ist er auch nicht, ansonsten wäre sie nicht Fremdgegangen wenn doch alles passen würde.
Diese ganze Familiendynamik kann ich nicht nachvollziehen. Ich kenne es beispielsweise gar nicht, dass auf Familienfeiern Reden gehalten werden, bei denen einzelne Mitglieder gelobhudelt werden, wie "lieb" man sie doch habe. Ich würde für meine Schwestern alles tun, aber dieses öffentliche Zur-Schau-Stellen von familiärem Zusammenhalt und Gefühlsduselei ist mir völlig fremd.
Des Weiteren bin ich auch äußerst skeptisch, wenn bei einer Scheidung/Trennung einer Partei komplett der Schwarze Peter zugeschoben wird. Nur weil der Typ seiner Frau "alles, egal wie teuer" gekauft hat und mit ihr Kinder hatte, ist er deswegen noch lange kein Heiliger. (Lieber Himmel, die klassische Versorgungsehe feiert bei euch noch fröhliche Urständ', nicht wahr? ) Natürlich ist etwas gravierend schiefgegangen in dem Arrangement, aber jemanden nur deswegen zu ächten und auszugrenzen, weil der Rest der Familienbagage es so will, finde ich auch weder besonders "christlich" noch menschlich nachvollziehbar.
Meine "Geschwisterliebe" hätte natürlich auch Grenzen, aber mich derart in anderer Leute Beziehung einzumischen und Partei zu ergreifen, finde ich generell auf verschiedene Arten peinlich und widerwärtig. Ich würde wohl einfach die Klappe halten und schon gar nicht auf Feiern irgendwelche Reden schwingen, solange nicht eindeutig geklärt ist, wer hier der "Böse" ist. In den meisten Fällen ist das sowieso nicht klar zu unterscheiden.
Der Umgangston ist ja mal wieder arg rau hier. Das finde ich doch etwas unangemessen, zumal man die Familie des Threaderstellers/der Threaderstellerin ja überhaupt nicht kennt.
Das Argument, dass nicht immer nur einer die Schuld hat ist zwar häufig richtig, manchmal aber eben auch einfach nicht. Es gibt Situationen, da ist tatsächlich eine Seite die Böse und die andere ist es nicht. Und in der oben geschilderten Situation haben wir eben nur die Details vom Threadersteller. Und diese Situation würde ich so bewerten, dass es tatsächlich einen Bösen gibt. Seinen Partner über fünf Jahre zu betrügen ist falsch. Das muss festgestellt sein.
Das alte Gegenargument: "Aber wenn man nicht glücklich ist, muss man sich doch seine Freude anderswo suchen!" ist Unsinn. Wenn man nicht zufrieden ist, kann man sich die Zeit nehmen, dass seinem Partner vorher mitzuteilen. Und dann kann man ja loslegen damit, seine Freude anderswo zu suchen. Keiner ist genötigt, den anderen zu hintergehen. Bisher konnte dazu noch niemand etwas gegenteiliges dartun.
Richtig ist es, zu sagen, dass das im Verantwortungsbereich der Betroffenen liegt. Man sollte sich wohl besser da raus halten, wenn mal eine Feier ansteht. Eine Meinung haben kann man aber schon, wenn der Fall abschließend geklärt ist. Deshalb finde ich es albern, da Schadensbegrenzung betreiben zu wollen und Reden darüber zu halten, wie toll der andere doch trotz seiner Trennung sei. Das bringt schlicht nichts.
Die Geschwisterliebe sollte von so einem Fall allerdings nicht beeinträchtigt werden. Zwar kann man dem Bruder/der Schwester ruhig mitteilen, was man von dem Verhalten hält. Aber gleich die Beziehungen aufkündigen? Halte ich für übertrieben.
Hier haben wir ja die Situation, dass man als Außenstehender miterlebt hat, wie die Schwester irgendwelche Dinge gemacht hat, die man selber nicht tun würde, die man generell als schlecht empfindet. Aber sie hat diese Dinge eben nicht ihrer Schwester angetan, sondern einer anderen Person. Also zu verzeihen gibt es daher überhaupt gar nichts. Wenn einem nichts angetan wurde, ist man nicht an der Reihe mit dem Verzeihen.
Was da natürlich passieren kann, ist, dass man die Person in einem anderen Licht sieht. Dass sie etwas getan hat, dass man ihr nicht zugetraut hätte. Dass man von ihrem Charakter enttäuscht ist, sozusagen. Das kann das Verhältnis natürlich beeinflussen. Je nach Schwere kann das die Grenzen der Geschwisterliebe überschreiten. Die ist ja sehr individuell.
Da würde für mich so eine persönliche Geschichte definitiv nicht ausreichen. Da steckt immer so viel dahinter, wo man als Außenstehender keinen Einblick hat. Ja, es gibt keine Entschuldigung dafür, seinen Ehemann fünf Jahre lang zu betrügen, aber es gibt Erklärungen. Und ich versuche immer, andere nicht so sehr zu verurteilen. Sie sind nicht ich, ich bin nicht die Ehefrau dieses Mannes. Wer weiß schon, wie ich reagiert hätte, wenn ich die gleichen Empfindungen in der gleichen Ehe gehabt hätte.
Und dann muss ich sagen, dass es mich durchaus dazu provozieren kann, auf der Seite einer Person zu stehen, wenn sie von allen anderen Seiten angefeindet wird. Da werden dann pauschal irgendwelche Anschuldigungen geäußert, die überhaupt nicht bewiesen sind. Da wird Partei ergriffen, obwohl es einen überhaupt nichts angeht. Und da wird nicht eingeladen oder gemieden, obwohl man eben selbst überhaupt nicht Leidtragender war.
Ich verstehe nicht, warum es alle Familienbeziehungen verändern muss, wenn die Frau ihren Mann betrügt. Gerade die Schwester hat doch so viele Erinnerungen und gemeinsamen Erlebnisse mit ihr gehabt. Das wird doch davon nicht getrübt. Wie hier schon gesagt wurde: nur weil die Frau diese eine Sache getan hat, ist sie ja nicht rundherum ein neuer Mensch und von nun an ein Besen.
All das Positive, was man mit der Person verbindet, was man an ihr gemocht hat, das besteht doch weiter. Gerade eben bei so einer persönlichen Sache. Anders ist es, wenn beispielsweise ein unpolitischer Mensch plötzlich sehr extreme Ansichten entwickelt, diese bei jeder Gelegenheit äußert und sich grundsätzlich verändert. Dann hat man wirklich irgendwann einen neuen Menschen vor sich und das verändert dann wirklich alle Beziehungen.
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