Gibt es Leute, die euch mehr erzählen, als ihr wissen wollt?

Eine ehemalige Kommilitonin von mir erzählte mir vor einiger Zeit immer ihre Beziehungsprobleme und verriet mir auch jede Menge intimer Sachen. Das fand ich immer recht merkwürdig. Zwar freute ich mich, dass sie mir scheinbar so vertraute, aber es war eben nur eine Kommilitonin von mir und keine Freundin und wir hatten an sich recht wenig Kontakt. Da ich weder ihren Partner, noch sie richtig kannte, fand ich das immer recht uninteressant und teilweise wollte ich die privaten Sachen gar nicht wissen.

Es kommt aber öfter vor, dass mir manche Leute mehr erzählen, als ich eigentlich wissen möchte. Das ist besonders dann der Fall, wenn Verwandte beim gemeinsamen Essen von ihren Verdauungsproblemen berichten. Gibt es Leute, die euch mehr erzählen, als ihr eigentlich wissen wollt? Um welche Themen geht es dabei? Und wie reagiert ihr auf so etwas?

Das kenne ich. Ich habe eine ehemalige Klassenkameradin, mit der ich ab und an telefoniere. Ich glaube, sie sieht in mir so eine Art "Kummerkasten-Tante" oder Seelsorger oder so etwas, denn sie lädt bei mir immer ihren ganzen Ballast ab, obwohl mich das nicht wirklich interessiert. Die Beziehungsprobleme sind da noch grenzwertig, aber was absolut gar nicht geht sind alle möglichen Details ihrer aktuellen Schwangerschaft.

Denn da werde ich auch von den intimsten Details nicht verschont, beispielsweise von Geruch, Konsistenz und Farbe ihres Ausflusses und das ist ein Detail, das muss ich echt nicht wissen. Sollte es bei mir mal wegen Schwangerschaft oder so soweit sein, dann merke ich das doch selbst und nehme es zur Kenntnis, aber ich würde das nicht überall herumerzählen. Vor allen Dingen, weil ich für diese ehemalige Klassenkameradin keine freundschaftlichen Gefühle oder so hege und ich eher den Eindruck habe, dass ich eben ihr Seelsorger oder so eine Art "Tagebuch" bin und nicht mehr und nicht weniger.

Gerade das mit den Verdauungsproblemen am Tisch kenne ich auch. Warum muss man das gerade bei Tisch besprechen? Solche Gespräche mag ich eigentlich nicht gerne, aber in der Familie meines Mannes wird von seiner Familie wirklich alles bei Tisch besprochen, wobei es nicht nur um Verdauungsprobleme geht, sondern auch andere Sachen, die ich so vielleicht nicht ansprechen würde.

Wenn es mir dann zu weit geht, dann deute ich das auch an und dann wird auch sofort das Thema gewechselt, also um einen zu ärgern wird das nicht besprochen. Irgendwie ist es ja auch schön, wenn man so viel Vertrauen hat.

Witzigerweise kenne ich solche Menschen zu genüge. In meinem Freundeskreis gibt es eine Reihe von Menschen, die mehr erzählen, als wir alle zusammen wissen wollen. Das Kuriose ist allerdings, dass es grundsätzlich um intimere Gespräche geht, wo ausgepackt wird, was niemanden etwas angehen sollte, außer den beiden Parteien.

Meist geht es ehrlich gesagt darum, dass man uns intime sexuelle Informationen mit gibt, die ich niemanden erzählen würde. Zumal es meist so war, dass die zweite Person wie Ehefrau, Freundin oder der Mann gar nicht anwesend waren. Immer schön irgendwelche Geständnisse raushauen, wo niemand dabei ist oder eben der Gegenüber wie Partner normalerweise sein Okay geben sollte.

Bei uns gibt es zwei junge Burschen, A und B im Alter von 23 und der andere ist 29. Die posaunen auch alle Nase lang heraus, was keiner wissen will. Obwohl man sie darauf aufmerksam macht, dass es zu weit geht, passiert es trotzdem immer wieder.

Wenn ich von intim rede, dann meine ich echt intim. Wirklich mehr als Sexualkunde, Soft-Porno und teilweise andere Dinge zusammen. Man kommt sich des Öfteren vor, als sei man mit im Geschehen involviert gewesen und das geht mir persönlich zu weit, wenn Du mich fragst.

Ich selber würde niemanden einfach private Dinge erzählen, die man nicht wissen möchte. Hinzu kommt, dass man auch immer ein gewisses Maß an Privatsphäre genießen sollte oder sehe ich das falsch? Wer von Euch würde schon jemanden erzählen, wie man es gerne im Bett hat, wieso ihr Euch mit dem Partner gestritten habt oder das womöglich sogar Fremdgehen & Co schon thematisiert wurden. Mir wäre das zu doof.

Meine Patienten erzählen mir ständig Kram, den ich nicht hören will. Und nicht nur das - sie zeigen ihn auch noch. Offene Beine zum Beispiel. Oder Ödeme. Oder was sie eben sonst noch so haben.

Ich muss dazu sagen, dass ich zwar ihre Therapeutin bin, aber für so etwas überhaupt nicht zuständig. Diese Dinge sind auch für meine Behandlung nicht relevant. Manche sind aber so froh, mal erzählen zu können, dass sie kein Halten mehr kennen.

Manche erzählen auch recht freigiebig ihre Inhaftierungsgründe. Auch das will ich manchmal gar nicht so detailliert wissen, wie es geschildert wird. Wenn jemand 15 Jahre am Stück in Haft war, dann kann ich mir schon denken, dass er nicht nur Schwarzfahrer ist oder im Supermarkt 'nen Lolli geklaut hat.

Privat kenne ich das am ehesten von meinem Vater. Der redet auch sehr gern über seinen gesundheitlichen Zustand, z.B. über seine Hämorrhoiden oder die schon erwähnte Verdauung. Muss ich echt nicht haben, sage ich dann aber auch und dann ist's (meistens) gut.

Das Thema mit den Verdauungsproblemen, über die man am Tisch berichtet, ist mir auch nicht fremd, nachdem mich mal ein Kunde in der Kantine getroffen hat und darüber berichtete, als ich gerade am Essen war. Das wollte ich dann auch definitiv nicht wissen, aber ich habe es mir angehört, weil ich auch nicht unhöflich sein wollte. Allgemein kenne ich das Problem auch vor allem von Kunden bei der Arbeit, die teilweise schon sehr ausschweifend berichten und das möchte ich dann auch nicht so genau alles wissen.

Ich bin glücklicherweise nicht der Typ, dem andere Menschen ihr Herz ausschütten. Ich weiß auch nicht so genau, woran es liegt, denn gerade bei Familie und Freunden würde ich mich manchmal gerne nicht nur über banale und oberflächliche Themen unterhalten. Ich bin auch keine Plaudertasche, die alles weiterträgt. Aber anscheinend haben die meisten Leute Hemmungen, mir gegenüber private und intime Dinge auszubreiten.

Der große Vorteil dabei ist natürlich, dass ich mit erotischen Anekdoten, gesundheitlichen Problemen, Schwangerschaftssymptomen und Liebeskummer auch verschont werde. Es kommt nur sehr selten vor, dass jemand wirklich so unsensibel ist, derlei Themen in meiner Gegenwart nicht zur anzuschneiden, sondern eher zu Tode zu referieren.

Ich habe allerdings auch keine Hemmungen, im Zweifelsfall darauf hin zu weisen, dass ich dieses oder jenes Thema gerade für nicht angemessen halte. Glücklicherweise bin ich auch nicht im sozialen oder medizinischen Sektor tätig, in dem private und intime Themen und Probleme zum Alltagsgeschäft gehören.