Gibt es ein Messi-Gen?
Ich bin ein großer Fan der Serie Private Practice. In einer Folge kommt eine Frau vor, die ein Messi ist und wo der Arzt Cooper eine Kindeswohlgefährdung bei deren Sohn sieht. Er spricht mit der Psychiaterin Violet darüber und empfindet diese Mutter als total verantwortungslos und überhaupt nicht als Mutter geeignet. Er möchte das Jugendamt einschalten und ist der Meinung, dass das Kind da raus soll, was aber auch mit einer Entzündung einer Wunde zu tun hat, wofür er das Messi-Verhalten und die Unordnung verantwortlich macht.
Während er sich über die Messi-Mutter aufregt und es so darstellt, als wäre es ihre eigene Entscheidung, so zu leben, wird die Messi-Mutter jedoch von Violet verteidigt. Violet argumentiert damit, dass hinter diesem Messi-Syndrom auch traumatische oder genetische Ursachen liegen könnten, die man erst einmal ergründen müsste.
Das hat mich irgendwie zum nachdenken gebracht. Denn ich hatte immer gedacht, dass für ein Messi-Verhalten nur traumatische Erlebnisse ursächlich sind. Von genetischen Ursachen hatte ich bis dahin noch nichts gehört. Was meint ihr dazu? Gibt es tatsächlich ein Messi-Gen? Wie wird dieses vererbt?
Es ist durchaus denkbar, dass ein Messi durch traumatische Erlebnisse in diese "Sammelwut" oder in deren Augen Leidenschaft geraten ist, welche früher oder später kaum zu kontrollieren ist. Ich habe dort Dinge schon gehört, weil ein befreundeter Kumpel ein Entrümpelungsunternehmen führt, da schlackerst Du mit den Ohren, wirklich.
Es war zum Beispiel eine Räumung bei einer alten Frau angesetzt. Dort war die Wohnung voller Zeitungen. Wirklich voll. Es waren Zeitungen noch aus anderen Jahrzehnten dort zu finden sowie alte Schmankerl aus der Weltkriegszeit, also auch durchaus wahre Sammlerschätze. Es war die Rede von einer 1,5 Raum Wohnung wo man schon Tonnen von Zeitungen herausgeholt hat. Letzten Endes kam ein zweiter Raum zum Vorschein, der durch die Zeitungen nur nicht zu sehen war. Dort lagen bereits die mumifizierten Überreste des Ehemannes.
Das war so traurig, das beschäftigt meinen Kumpel noch heute. Wenn er von seinem Beruf erzählt, dann sagt er sehr viel über Messis, aber die Dame hat ihn wirklich berührt, weil er das Gefühl hatte, dass sie zum einen sehr klar ist, aber gleichwohl etwas mit ihr nicht stimmte, dass man so leben kann.
Es kann sicherlich ein Traumata sein, wieso Menschen viel sammeln und sich nicht trennen können. Das Trennen ist hier das entscheidende Problem, weil sie es nicht können. Sie bauen Bindungen dazu auf, obwohl sie die Sammlerartikel teilweise gar nicht mehr zu ordnen können, nichts damit anfangen können usw.
Womöglich sind Trennungsangelegenheiten daher durchaus verstörte Momente in der Kindheit beispielsweise bei einer Scheidung der Eltern gewesen, die für das Verhalten gesorgt haben. Möglich ist wahrscheinlich vieles, sodass man sagen muss, dass es nur traurig ist, wenn man sieht, wie alleine solche Menschen meist gelassen werden.
Angeblich soll es laut einer Studie der Hopkins University tatsächlich eine Anomalie auf einem bestimmten Chromosomenabschnitt geben, der bei Betroffenen signifikant häufiger auftritt als bei Nichtbetroffenen. Das wirft ein ganz neues Licht auf das Phänomen. In Hirnscans kann man ja schon feststellen, dass dort bestimmte Areale aktiver bzw. weniger aktiv sind als bei der Kontrollgruppe.
So gesehen stimmt es also, dass ein Messie "unschuldig" an seiner Veranlagung ist. Aber wäre er schuldiger oder weniger bzw. mehr verantwortlich, wenn sein Messie-Dasein durch ein traumatisches Erlebnis begünstigt wurde? Ich persönlich glaube, dass es trotzdem auch noch eine psychische Komponente geben muss, denn von einem durch und durch zufriedenen und stabilen Messie mit einer leidlich glücklich Kindheit hört man nicht so oft.
Wie schon gesagt wurde, sind Traumata überdurchschnittlich oft vertreten und da vor allem die Bindungsstörungen. Viele Messies tun sich auch sehr schwer damit, tragfähige Beziehungen aufzubauen und zu halten, und ich weiß nicht, inwiefern da nur die Gene dran schuld sein sollen.
Es ist eine generelle Erkenntnis aus der Persönlichkeitsforschung, dass Charaktermerkmale zum Teil durch Erlebnisse bedingt sind und zum Teil durch genetische Veranlagung. Das gilt nicht nur für psychische Störungen, wie Depressionen oder Angststörung, sondern für alle Merkmale des Verhaltens. Also auch die Frage, ob jemand sehr gesellig ist oder neugierig ist oder dazu neigt zu viel zu schlemmen, das sind alles Dinge, die sowohl genetisch als auch durch Erfahrung bedingt sind.
Meistens ist es aber nicht ein Gen, sondern es ist eine Sammlung an Genen die da einen Einfluss haben. Und mit Erfahrung meine ich auch nicht traumatische Erfahrung, sondern ganz normal die Prägung, die man im Leben erhält. Von daher wundert es jetzt nicht, dass auch bei sehr starker Unordnung eine genetische Beteiligung angenommen wird. Es wäre komisch, wenn das nicht der Fall wäre. Das heißt aber nicht dass man an seinem Verhalten nichts ändern kann.
Wir alle haben doch irgendwelche Neigungen oder Dispositionen, die dazu führen, dass wir uns im Alltag so verhalten, wie wir eben sind. Und sich anders zu verhalten stellt eine gewisse Hürde dar und wäre anstrengend oder erfordert ein bewusstes Überwinden der Gewohnheiten, was den meisten Menschen schwer fällt. Unmöglich ist es aber natürlich nicht. So kann z.B. auch jemand, der von Natur aus wenig gesellig ist, trotzdem lernen auf andere zuzugehen und jemand, der z.B. nicht gerne aufräumt, kann sich dennoch überwinden, dies zu tun, selbst wenn es dann schwer fallen würde.
Bei dem Messie-Syndrom würde ich aber auch noch sagen, dass diese Begriff häufig überstrapaziert wird. Für mich ist ein Messie-Syndrom dann vorliegend, wenn wirklich extreme Unordnung vorhanden ist, wenn Dinge gesammelt werden, die überhaupt keinen Nutzen haben, z.B. eben Müll und wenn Räume schon gar nicht mehr betretbar sind. Manchmal wird aber auch schon vom Messie-Syndrom gesprochen, wenn jemand sehr unordentlich ist, weil er vielleicht Gegenstände, die man normalerweise nicht auf dem Fußboden lagert, dort stapelt. Das kann aber sehr schnell zu einem Zustand kommen, der so aussieht, denn wenn man manchmal gar nicht genug Platz hat oder keine Zeit zum Aufräumen, dann sieht eine kleine Wohnung schnell etwas katastrophal aus.
Ich hatte beispielsweise lange Zeit eine Einraumwohnung und bin inzwischen umgezogen, weil ich mehr Platz braucht. Bis dahin reicht mir die Einraumwohnung, aber je mehr Gegenstände sich in meinem Leben angesammelt haben, desto schwieriger wurde es, die alle unterzubringen. Und da rede ich z.B. von Kleidung oder von Schuhen oder auch von Materialien die ich für meine Promotion brauchte. Ich habe einen ganzen Schrank mit Aktenordnern und Unterlagen, die für meine Promotion wichtig sind und da kam alle paar Monate ein neuer Aktenordner hinzu und irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wo ich die hinstellen soll, dann lagen die irgendwann erst Stapel auf dem Sofa oder ich habe sie in einem Regal, was eigentlich schon voll war, obendrauf gestopft, was natürlich nicht so schön aussah.
Jetzt kann man natürlich sagen, dass ein Teil davon bestimmt hätte weggeschmissen werden können, weil ich das gar nicht alles brauche oder weil manche Dinge nur mal durchgelesen werden und dann nicht mehr benötigt werden. Das ist sicherlich so, z.B. habe ich ganz viele Studien und die Studien habe ich durchgelesen habe Wichtiges abgeschrieben und dann hätte man die eigentlich entsorgen können. Aber um diesen Prozess zu durchlaufen, braucht man auch Zeit. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich noch Vollzeit gearbeitet und weil ich pendeln musste und eine Strecke von 1,5 Stunden zur Arbeit zurücklegen musste, hatte ich subjektiv kaum Zeit für solche Prozesse.
Als ich noch studiert habe, habe ich jeden Freitag einen Großputz veranstaltet. Das heißt ich habe die komplette Wohnung gewischt und alle Verunreinigungen, die durch meinen Hasen entstanden sind, weg geschrubbt, habe alles entsorgt was ich nicht mehr brauche und was ich in dieser Woche angesammelt hatte. Aber als ich dann Vollzeit gearbeitet habe, habe ich das nicht mehr geschafft, denn diese Putzaktion dauerte immer mehrere Stunden und die habe ich meistens nachts durchgeführt und bin dann früh gegen um 5 Uhr schlafen gegangen - hatte ja frei am nächsten Tag. Das konnte ich ja nicht mehr machen, als ich dann so viel arbeiten musste, da fehlte einfach die Zeit. Und das fühlte relativ schnell dazu, dass es nicht mehr so ordentlich aussah und manchmal war ich so erschöpft vom Arbeiten, dass ich es noch nicht mal geschafft hatten, den Staubsauger zu benutzen.
Wie es aussieht, wenn man Tiere mit Fell hat und dann ein Monat lang kein Staubsauger zum Einsatz bringt, kann sich sicherlich jeder denken. Das sieht dann tatsächlich schnell sehr schlimm aus, ich kam auch manchmal nicht dazu neu gekaufte Sachen einzusortieren, sondern die lagerten dann auf dem Sofa und haben sich da gestapelt. Dennoch bin ich kein Messie, sondern das lag eben daran dass ich es nicht geschafft habe. Ich weiß dass es Leute gibt die viel mehr arbeiten und dann vielleicht noch Kinder haben und es dennoch schaffen, aber ich bin eben nicht für ständige Höchstleistung gemacht.
Es ist gar nicht so leicht, in einem vollen Arbeitsalltag alles ordentlich und sauber zu halten. Jetzt, da ich nur noch in Teilzeit arbeite und ansonsten von zu Hause aus, habe ich Zeit dafür zu putzen und zu reinigen und Ordnung zu halten, aber hätte ich weiter diese Vollzeitstelle behalten, bei der ich pendeln musste, dann wäre bei mir sicherlich auch irgendwann ein Zustand herausgekommen, der ein wenig anders Messie-Syndrom erinnert, obwohl ich keine wahnsinnig schlimm Erlebnisse in meinem Leben hatte. Sondern es wären dann einfach die äußeren Umstände gewesen, die dazu geführt hätten, dass ich mich nicht aufraffen konnte, regelmäßig alles in Ordnung zu bringen.
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