Gibt es auch hierzulande Hikikomori?

vom 22.03.2017, 16:48 Uhr

Hikikomori bezeichnet in Japan meist männliche Jugendliche, die sich am Ende der Adoleszenz komplett von der Gesellschaft abwenden und quasi als moderne Eremiten im elterlichen Jugendzimmer ohne Kontakte zur Außenwelt wohnen. Sie brechen ihre Schule oder Ausbildungen ab oder fangen sie gar nicht erst an und entziehen sich im Groben jeglicher Verpflichtung, die die Welt an sie stellen könnte.

Dementsprechend verlassen sie auch das Haus nicht mehr, gehen keinen Hobbies jenseits der eigenen Wände nach und haben außerhalb des Internets keinerlei soziale Kontakte. Soweit die Theorie. Mittlerweile hat das Phänomen so stark um sich gegriffen, dass es überall im Land spezielle Therapieinrichtungen hierfür gibt. Nun frage ich mich, ob es das in Deutschland respektive Europa in der Form auch gibt. Oder ob wir es dann einfach nur anders nennen würden? Würde so jemand dann einfach als Sozialphobiker, Agoraphobiker oder Depressiver laufen oder gibt es das Phänomen in der Form hier fast gar nicht?

Ich persönlich glaube, dass es das auch bei uns gibt, nur zum einen nicht so verbreitet, zum anderen vielleicht auch nicht in diesen extremen Formen, dass Leute über Jahrzehnte ihr Zuhause nicht mehr verlassen. Habt ihr jemals in eurem Umfeld oder von Erzählungen von solchen Fällen gehört? Wenn das hier kaum verbreitet sein sollte, woran mag das eurer Ansicht nach liegen?

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Findest du überall auf der Welt wenn auch der Schwerpunkt immer noch im asiatischen Raum liegt und hier nur vereinzelte Fälle davon auftreten. Hier findest du einen Bericht von einer Dame mit 22 Jahren aus dem Jahr 2006 und somit ebenfalls schon 11 Jahre lang her, darunter findet man auch weitere Berichte jüngeren Datums von genau solchen Fällen.

Wie ich davon in meinem Umfeld mitbekommen sollte, wenn diese Menschen nicht aus dem Haus kommen und keine sozialen Kontakte pflegen wüsste ich nicht. Oder wie willst du mit jemanden Kontakt haben, der keinen Kontakt hat und für die Außenwelt quasi nicht existent ist? Wie du dem Bericht entnehmen kannst, wusste auch der Verfasser erst mit 16 Jahren das es sie gibt und das Thema wird in der Familie totgeschwiegen. Ich glaube kaum, dass jemand mit solch einem Verwandten bei sich in der Familie hausieren geht und das an die große Glocke hängt, dass es diese Person gibt.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich glaube auch, dass man das nicht einfach so mitbekommt, weil kaum jemand erzählen wird, dass der eigene Sohn (oder die Tochter) sich zu Hause verschanzt hat und nicht mehr raus ins Leben will. Ich denke, dass auch in Asien die Eltern darauf nicht gerade stolz sind.

Einen Jungen, mittlerweile Mann, aus meinem Abschlussjahrgang könnte man so bezeichnen. Nach dem Schulabschluss, der sogar recht gut war, ist er in eine tiefe Depression verfallen. Während andere Schüler jahrelang rückwärts zählen, wann endlich die Schulzeit vorbei ist und das "echte" Leben anfängt, hat der nicht mehr verkraftet, dass sein alleiniger Lebensinhalt plötzlich weg war. Während sein Geschwister ein völlig normale Leben führt, ist er nicht dazu in der Lage. Das Haus hat er lange Jahre nur verlassen um zum Arzt zu gehen oder zur Therapie. Die Schule hat er zwar nicht abgebrochen. Aber den Versuch, eine Ausbildung aufzunehmen, den hat er nur wenige Wochen durchgehalten und dann abgebrochen und nie einen weiteren Versuch gestartet.

Mein ehemaliger Mitschüler wurde hier wirklich als Depressiver geführt. Vermutlich würde das anderen Fällen auch ähnlich passieren. Ob das unbedingt Menschen mit sozialen Phobien sind, weiß ich nicht. Der betreffende Mitschüler war in der Schule eigentlich völlig normal, hatte Freunde, war von den allermeisten gemocht, ganz normal also. Aber das muss auch nicht zwangsläufig was heißen, weil wer hat als Schüler schon die Möglichkeit, einen Mitschüler so intensiv psychologisch einzuschätzen, dass man eine Störung erkennen würde?

Wie selten hier so etwas ist, würde ich nicht einschätzen wollen. Vielleicht gibt es dazu ärztliche Statistiken, was ich aber bezweifeln würde. Und selbst wenn, würde ich bezweifeln, ob die vollständig sind, denn vermutlich ist so ein Lebensstil nicht meldepflichtig. Und so lange die Eltern noch fit sind und den Betroffenen finanzieren können, oder ausreichend Erbschaft vorhanden ist, wird das auch dem Staat schwer auffallen, wie viele Leute das wirklich betrifft.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^