Gesprächsverhalten beim Friseur
Wer kennt es nicht? Man wartet beim Friseur, liest die ausliegenden Zeitschriften und währenddessen hört man eine Vielzahl von Geschichten mit, welche man von diesen Leuten persönlich nie erfahren hätte.
Die betrogene Ehefrau berichtet der Friseuse weinend von den Eskapaden des Ehemannes, der pubertierende Teenager lässt an Eltern und Lehrern kein gutes Haar, und die sonst eher schüchterne Oma erzählt in beachtlicher Lautstärke von diversen Krankheitsgeschichten.
Leute, die an sich sehr zurückhaltend und schüchtern sind, bei einem Vortrag ihr Manuskript zitternd in den Händen halten und stottern, brüllen fast in voller Lautstärke ihre intimsten Geheimnisse, Feindschaften, Vermögensverhältnisse und Probleme durch den Friseursalon.
Ich finde es einfach faszinierend, wie die Atmosphäre im Friseursalon Menschen zeitweise stark zu verändern scheint. Ist euch dies auch aufgefallen? Verhaltet ihr euch selbst so? Und was ist eure Erklärung für dieses Verhalten?
Ich selber bin eigentlich jemand, dem diese locker-flockige Smalltalk-Atmosphäre beim Friseur eher unangenehm ist. Das liegt vielleicht daran, dass meine Besuche dort eher sporadisch als regelmäßig ausfallen und dass ich auch nie einen "Friseur meines Vertrauens" hatte, sondern mir die Besuche eher nach Bedarf und so gelegt habe, wie und wo sie gerade für mich am günstigsten wahrzunehmen waren. Dementsprechend konnte sich zwischen mir und dem Dienstleister nie ein Vertrauensverhältnis aufbauen, und ich wurde immer von anderen Leuten bedient. Da wäre ich mir wirklich seltsam vorgekommen, wenn ich plötzlich meine privatesten Details und seelischen Wehwehchen in aller Ausführlichkeit einem völlig fremden Menschen berichtet hätte. Solche Dinge bespreche ich zum Großteil nicht mal mit meinen engsten Freunden, sodass solch eine Vorstellung für mich gänzlich weltfremd ist.
Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass die etwas vereinsamte Oma, deren wöchentlicher Friseurbesuch wahrscheinlich mit der regelmäßigste Kontakt im Alltagsleben ist, diese Chance gerne wahrnimmt, um zwischenmenschlichen Austausch zu genießen und über Gott, die Welt und ihre eigenen Sorgen und Probleme zu reden. Meistens haben Stammkunden ja auch irgendwann ihr Stammpersonal, und je länger man miteinander zu tun hat, desto besser lernt man sich kennen und baut Hemmungen in der Kommunikation ab. Dagegen ist auch nichts einzuwenden.
Offensichtlich hast du noch nie jemanden wie mich beobachtet beim Friseur. Wenn ich mal zum Friseur gehe, dann erzähle ich nie persönliche Sachen über mich. Ich halte mich und mein Privatleben sowie Berufsleben da komplett raus und bin da auch kurz angebunden.
Bei mir ist es eher so, dass ich die Fragen stelle und dann den Friseur über seinen Beruf ausfrage. Also wie stressig der Beruf ist, ob demnächst Urlaub geplant ist, wie er zu diesem Beruf gekommen ist, ob die Kunden alle nett sind, was genau der Friseur an seinem Job am schönsten und was am weniger schönsten er findet.
Oft erzählen die Friseure dann Details aus dem Privatleben, was Haustiere, Probleme mit den Nachbarn und Details über die eigene (gegründete) Familie. Also ich kann den Spieß sehr gut umdrehen und ich kann es gar nicht leiden, öffentlich über mich und mein Leben zu sprechen. Das geht niemanden etwas an.
Ich halte das schon für Klischee pur. Möglicherweise funktioniert das vielleicht unter Umständen in der Konstellation eines Dorffrisörs und den Omis, die einsam dort von Zeit zu Zeit ihre Locken ondulieren lassen, aber in der Stadt habe ich solche Gespräche noch nie mitbekommen. Oft reden die Leute nicht mal viel mit der Frisörin, sondern vertiefen sich lieber in ihrem Smartphone oder der Zeitschrift.
Ich selbst habe auch überhaupt keine Lust auf Smalltalk beim Frisör, geschweige denn auf tiefgehende Gespräche, es ist ja keine Therapie oder Supervision. Auch als ich noch als Teenager öfter bei einem dörflich geprägten Frisör war, waren die Gesprächsinhalte der anderen Kunden meist total banaler Natur und drehten sich darum, wann der Garten bepflanzt wird oder dass man nächstes Wochenende beim Schwiegersohn zum Geburtstag eingeladen ist.
Ich schreibe zu diesem Beitrag, da mir direkt eine eigene Geschichte dazu einfällt. Ist schon etwas her, dass ich mir einen Friseurbesuch leistete, mit allem Zipp und Zapp. das heißt, waschen, schneiden, Strähnchen und föhnen - also volles Programm. Nun habe ich einen Termin bei einem mir unbekannten, neuen Friseur vereinbart! Und was ich dort erlebte, ging schon sehr weit.
Denn meine Friseurin hatte wohl Gesprächsbedarf und wie... Da meine Haare machen gute 3 Stunden dauerte, war ich an der Grenze meiner Geduld. Denn nach diesen drei Stunden wusste ich alles - aber wirklich ALLES von meiner Friseurin und nein, ich habe KEINE Fragen gestellt... Ich wusste, wie alt sie ist, wie viele Kinder sie hat, wie alt ihr Mann ist, was er beruflich macht und, und, und.
Doch die Krönung war, dass sie mir tatsächlich auch zu guter Letzt noch ihr Liebeslieben erzählte, Vorlieben etc. Ich bin, als ich dann fertig war, so oder so, schnell aus dem Laden raus und bin nie mehr dorthin gegangen. So etwas ist mir weder davor, noch danach jemals passiert und das brauche ich auch nicht!
Wer kennt Smalltalk beim Friseur nicht. Aber so extrem, wie der Threadersteller es hier darstellt, habe ich es noch nie erlebt und ich war eine Zeitlang jeden Tag dort, weil ich für eine Prüfung eines Auszubildenden das Modell war. Sicher habe ich schon einige Geschichten gehört, aber eher belanglos und nicht so privat, wie es hier dargestellt wird. Anscheinend gehe ich da zu dem richtigen Friseur. .Denn so sehr ins Private möchte ich gar nicht gehen und von meinen unbekannten Mitmenschen erfahren. Ich kenne eher oberflächliche Geschichten.
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