Gesellschaftliches Ideal der gemeinsamen Wohnung sinnvoll?
Mein Cousin hat schon seit ca. 5 Jahren eine Freundin; die beiden wohnen in verschiedenen Bundesländern und mit dem Zug sind es vielleicht 1,5 bis zwei Stunden zu dem jeweils anderen. Sie haben vor zwei Jahren mal probeweise zusammengewohnt und dann entschieden, dass es bei den getrennten Wohnungen bleibt. Das finden manche in der Verwandschaft komisch, aber ich kann es gut nachvollziehen.
Das sind beides Menschen, die ihre Ruhe haben wollen und ihre eigenen Hobbys haben, die sich schwer damit tun, sich auf jemand anderen einzustellen - besonders mein Cousin. Und mir würde es auch ähnlich gehen; ich könnte mir auch nicht vorstellen, mit meinem Freund zusammenzuwohnen. Ich glaube, das wäre nicht meins, wenn man sich da in die Hausarbeit reinteilen müsste und der andere immer da ist. Man kommt von der Arbeit und der andere ist da. Ich wöllte da auch mal meine Ruhe haben, mit niemandem reden müssen, einfach komplett machen können was ich will ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Das geht ja nicht mehr, wenn man zusammenwohnt.
Es ist für mich auch preiswerter, in meiner günstigen Einraumwohnung zu leben und für ihn auch, da er in einer Einliegerwohnung bei seiner Mutter wohnt und keine Miete zahlen muss. Wenn wir eine gemeinsame Wohnung hätten, dann müsste die definitiv zwei Badezimmer haben, weil ich mein eigenes Bad brauche und bräuchte ich noch einen extra Ankleideraum, weil ich aktuell so viele Schuhe und Klamotten habe, dass die schon gar nicht mehr in meine Einraumwohnung passen - vieles habe ich in Garagen gelagert oder in den Kofferräumen der Autos. Und dann hätte die Wohnung aber so viele Zimmer, dass wir da deutlich teurer kämen als jetzt, wo er gar nichts zahlt und ich nur meine 200 Euro im Monat.
Zudem habe ich langfristig das Ziel, mich eher in Richtung meiner Heimat zu orientieren. Ich wollte eigentlich, wenn ich genug Einnahmen habe, meine Arbeitszeiten auf 2-3 Tage in der Woche reduzieren und mich dann mehr zu Hause aufhalten, wo das Haus meiner Eltern sich befindet, was ich auch eines Tages übernehmen möchte. Und mein Freund hat in seiner Heimat Arbeit und dort sein Elternhaus. Weder will ich wegziehen noch will ich, dass er wegziehen muss. Von mir aus kann das bis in alle Ewigkeit weiter so laufen, dass wir uns besuchen fahren.
Warum ziehen eigentlich so viele Paare immer zusammen oder warum wird das suggeriert, dass man als zusammenwohnen müsste? Warum wird das oft als eine Art Zielvorstellung definiert, dass man irgendwann eine gemeinsame Wohnung hat? Man hat doch alleine viel Mehr Freiheiten und man geht sich nicht gegenseitig auf die Nerven, wenn man nicht zusammenwohnt.
Man muss ja nicht zusammen wohnen, aber ich denke, dass man als Paar auch gerne Zeit miteinander verbringt und es im Alltag recht schwierig ist, wenn man sich selten sieht. Die meisten Paare möchten einfach Alltag zusammen haben und ganz ehrlich gesagt brauche ich auch keinen Partner um ab und zu miteinander zu reden und meinen Spaß zu haben.
Beziehung ist für mich mehr und ich denke, dass das auch viele anderen Menschen so sehen, wobei ich damit nicht sagen möchte, dass du eine Beziehung führst, die keine ist, aber für mich wäre das kein erstrebenswertes Beziehungsmodell, weil man ja keinen Alltag zusammen hat und im Prinzip bis auf körperliche Annäherungen nicht mehr als eine Freundschaft genießt.
Eine Beziehung wie du sie führst scheint mir zu viel Rechnerei, kalkuliertes Bedenken der Vor- und Nachteile zu sein. Du scheinst immer einen direkten finanziellen Nutzen haben zu müssen und das ist eine Beziehung nicht. Jedenfalls ist sie dies nicht, wenn man zusammenlebt und auch Alltag zusammen haben möchte. Für mich muss sie dies aber auch nicht sein.
Vorzuschreiben wie eine Beziehung zu laufen hat sollte einem aber keiner. Hauptsache man selber ist glücklich, was andere Leute denken sollte da einem egal sein, aber man muss diese Meinung auch nicht ständig einfordern oder seine eigene nicht ständig verteidigen.
Ein besonderes gesellschaftliches Ideal, dass Paare zusammen wohnen müssen, gibt es doch gar nicht mehr. Mittlerweile sind über ein Drittel der Wohnungen Singlehaushalte, um genau zu sein 41 Prozent. Man muss schließlich schon lange nicht mehr verheiratet sein, um eine Wohnung beziehen zu dürfen. Entweder bei den Eltern oder sehr überwacht in Wohnheimen oder Pensionen müssen Alleinstehende doch nicht mehr leben.
Das Paare oft bevorzugt zusammen leben, das liegt doch an anderen Gründen. Zu den häufigsten Gründen dürften die Gefühle für den anderen zählen. Manchmal ist das Geld ein gutes zusätzliches Argument. Ich finde es beispielsweise überhaupt nicht unangenehm, alleine zu wohnen. Aber mit dem richtigen Partner reicht mir besuchen nicht aus. Da möchte ich das Leben teilen. Das geht nicht jedem so, aber viele Menschen haben diesen Wunsch.
Mich hat das Finanzielle nie interessiert. Aber das gemeinsame Wohnen ist hier in der Region definitiv billiger. Eine Singlewohnung kostet hier mindestens 230 Euro ohne Nebenkosten. 90 Quadratmeter gibt es für 370 Euro kalt. Manche Wohnung für Singles ist teurer. Nur eine Küche, eine Waschmaschine, einmal Grundgebühr für Strom, Telefon und Gas und so weiter. Für manche ist das überzeugend.
Mir wurde in Bezug auf meine Partnerschaft nie suggeriert, dass es vielleicht besser oder gesellschaftlich anerkannter oder was auch immer sei, wenn ich mit meinem Partner einen gemeinsamen Haushalt aufmache. Wenn ich ehrlich bin, hat sich sowieso kaum jemand für meine Lebensverhältnisse interessiert, und die paar Leute, die mir nahe genug standen, sind wohl davon ausgegangen, dass ich schon weiß, was ich tue.
Und ich bin erst nach 15 Jahren Beziehung mit meinem Partner zusammen gezogen, es mangelte also nie an Gelegenheiten, mir gesellschaftliche Ideale zu suggerieren. Ich glaube auch, dass im Großen und Ganzen die Zeiten vorbei sind, in der Singlehaushalte nicht mehr als eine befremdliche Übergangslösung darstellen, bevor man endlich in den Hafen der Ehe einläuft.
Von daher bin ich auch der Meinung, dass man sich heutzutage nicht mehr so viel darum schert (oder scheren sollte), was die Nachbarn sagen, wenn man alleine oder mit jemandem zusammen lebt, bei seinen Eltern wohnt oder mit 45 noch von einer WG zur nächsten tingelt. Dennoch habe ich den Eindruck, dass viele Leute deswegen mit ihrem Partner/ihrer Partnerin zusammen leben, weil sie es einfach gern mögen und der Meinung sind, dass die Vorteile die Nachteile aufwiegen.
Es mag also beispielsweise schon sein, dass man in dieser Wohnsituation weniger Zeit zum Puzzle legen hat und Bescheid geben muss, wenn man mit Alkohol und Drogen die Nacht zum Tage machen möchte, aber viele Leute haben eben eine persönliche Bindung an ihre PartnerInnen und genießen es, Zeit mit ihnen zu verbringen. Und wenn man sowieso schon die meiste Zeit gemeinsam verbringt, hat es natürlich auch finanzielle Vorteile, wenn man nur einen Haushalt am Laufen halten muss.
Wenn Geld keine Rolle spielt und man lieber Zeit mit Hobbys und Freunden zubringt als mit dem Partner, muss man natürlich nicht zusammen ziehen. Aber ich würde behaupten, dass trotz unterschiedlicher Beziehungs- und Wohnmodelle, die mittlerweile alle gesellschaftlich kein Aufsehen mehr erregen, einfach relativ viele Leute Freude und Erfüllung darin finden, nicht alleine zu leben.
Ich kann es auch nicht nachvollziehen warum die Paare immer direkt zusammen ziehen und dann sich wundern wenn es nicht mehr klappt. Ich bin dort auch eher wie du und bevorzuge den Freiraum für mich den ich auch brauche und daher habe ich mich dazu entschieden solange kein Kind da war, auch weiterhin für die getrennten Wohnungen und nicht aufeinander kleben wie es andere machen.
Das hat nichts damit zu tun, dass ich meine Partner nicht mochte und sie auch nicht sehen wollte. Aber man kann den Alltag auch so miteinander verbringen mit getrennten Wohnungen, denn wenn man auf Arbeit ist sieht man sich auch nicht. Abends kann man sich besuchen oder am Wochenende, aber da muss man nicht miteinander wohnen um das gleiche zu erreichen für den "Alltag" wie es hier suggeriert wird.
Das finanziell ist dabei auch nicht gerade zu verachten, da hier die kleinen 1 Zimmer Wohnungen auch billiger sind als wenn man eine größere 3 Zimmer Wohnung an mietet. So waren es vorher 800 Euro für beide Wohnungen zusammen und mit der größeren gemeinsamen Wohnung dann auf einen Schlag 1200 Euro ohne die Nebenkosten.
Somit war das zusammen wohnen auch teurer und ich habe mich nur dazu entschieden, da das Kind seinen Vater häufiger sehen sollte um ein Verhältnis aufzubauen. Sprich für das "Familienleben" habe ich meine Freiheit aufgegeben und für nichts weiteres, ansonsten wäre das auch wunderbar weiterhin so gegangen und hinterher habe ich erkannt, dass es auch mit Kind und diesem Modell nach wie vor super klappen würde wenn denn jeder mitmacht.
Auf diese Weise hätte die Trennung ggf. sogar umgangen werden können, da mir dann nicht sein ständiges vor dem Rechner sitzen aufgefallen wäre wenn er es bei sich gemacht hätte, und er auch weniger an mir zu Nörgeln gehabt hätte. Somit war die gemeinsame Wohnung eigentlich nur noch die Spitze vom Eisberg die zur Trennung geführt hat.
Das muss jeder für sich entscheiden und ich finde es absolut in Ordnung, wenn Paare für sich entscheiden, nicht zusammenwohnen zu wollen. Jeder braucht eben auch unterschiedlich viel Freiraum und hat ein unterschiedliches Nähebedürfnis. Paare, bei denen beide sehr viel Zeit für sich selbst brauchen, kein so starkes Nähebedürfnis haben und auch gerne einfach mal alleine sind, tun sich oft besser damit, nicht zusammenzuwohnen.
Allerdings gibt es aber eben auch viele Paare, die gerne den Großteil ihrer Freizeit mit ihrem Partner zusammen verbringen und die ein sehr starkes Nähebedürfnis haben. Da ist eine gemeinsame Wohnung natürlich praktischer, anstatt sich jeden Tag gegenseitig zu besuchen. Da ist es oft einfach günstiger und weniger aufwändig, direkt zusammenzuziehen. Allgemein ist eine Zweizimmerwohnung oft günstiger als eben zwei Einzimmerwohnungen zu haben. Das wird für viele Paare auch ein Grund sein, zusammenzuziehen.
Und gerade dann, wenn man sich Kinder wünscht, ist es natürlich besser, zusammenzuwohnen, damit das Kind auch direkt mit beiden Elternteilen aufwachsen kann. Vielen Paaren reicht es ja auch nicht aus, sich einfach nur zu besuchen, sondern sie wollen ja zusammenleben, gemeinsam kochen und jeden Tag gemeinsam einschlafen. Das ist ja auch alles Geschmacksache und ich würde niemanden für seine Sichtweise verurteilen. Wie andere leben, ist mir egal und wenn es für andere Paare funktioniert, nicht zusammenzuleben, dann ist das doch toll.
In den meisten Fällen ist zusammen wohnen schon günstiger und je nach Wohnort ist es auch deutlich einfacher eine größere Wohnung zu finden als eine kleine Singlewohnung. Und dazu kommen auch noch die Kosten für die Fahrten zum Partner, die dann weg fallen würden.
Wir würden eine ganze Menge sparen wenn wir beide in der selben Stadt einen Job finden könnten. Aber zwei Jobs und ein passendes Haus fallen halt leider nicht vom Himmel und da wir nicht unter der aktuellen Situation leiden besteht keine Motivation einen weniger guten Job anzunehmen oder andere Kompromisse zu schließen.
Was du völlig zu vergessen scheinst ist, dass es immer noch viele Menschen gibt, die eine Partnerschaft mit dem Ziel eingehen irgendwann mal gemeinsame Kinder zu haben. Da wird der finanzielle Aspekt dann noch wichtiger und vor allem entscheidet man sich doch nicht bewusst für Kinder um sie dann nur stundenweise zu sehen.
Übrigens wohne ich aktuell mit meinem Partner ständig zusammen, wenn er arbeiten muss bei ihm, ansonsten bei mir. Weil ich Dank Corona zu 100% von zu Hause aus arbeiten muss und deshalb den Arbeitsplatz frei wählen kann. Bisher sind wir uns nicht auf die Nerven gegangen und ich fühle mich auch nicht in meinen Hobbys, denen ich ohne ihn nachgehe, eingeschränkt. Obwohl wir in der aktuellen Zeit natürlich deutlich mehr Zeit als üblich zu Hause verbringen.
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