Geheimnis leben, aus Angst vor der Reaktion Anderer?
Mein Cousin ist schwul. Das wusste ich bis vor wenigen Wochen nicht. Mein Stand war, dass er einfach keine passende Freundin gefunden hat, aber schon auch Beziehungen mit Frauen hatte und da auch immer geflirtet hat. Ob er jetzt nun bi ist oder das nur eine Art Tarnung war, weiß ich nicht. Als er nun einen Mann gefunden hatte, mit dem er zusammenleben wollte, hat er dies wohl erst ein Jahr getestet und dann erst seiner Mutter gesagt, was los ist.
Diese hat es dann meinem Vater, also ihrem Bruder gesagt und dieser hat es mir im Vertrauen gesagt. Schlimm findet das keiner, also verstehe ich nicht ganz, warum er sich da so verstecken musste und es tut mir auch wahnsinnig leid, da ich mir das wirklich hart vorstelle. Seine Mutter ist nun eigentlich kein besonders verklemmter Mensch, weswegen ich nicht weiß, warum man so ein geheimes Leben führt ohne was zu sagen.
Auf der anderen Seite muss man natürlich auch nichts sagen. Mir ist wichtig, dass er glücklich ist. Leider sehen wir uns nicht mehr sooft, aber ich glaube er hat da wirklich eine harte Zeit hinter sich und das tut mir leid. Habt ihr so etwas auch schon mal erlebt? Findet ihr es richtig ein Geheimnis zu leben, bevor man vielleicht alleine da steht? Niemand würde ihn fallen lassen, wir sind alle glücklich, dass er glücklich ist, aber das scheint ja die Angst gewesen zu sein.
Ich würde nur sehr ungern mit einem Geheimnis leben. Ein Geheimnis zu bewahren, kann emotional und geistig anstrengend sein, da es ständige Anstrengungen erfordert, die Fassade aufrechtzuerhalten und die Wahrheit zu verbergen. Dies kann zu erhöhtem Stress und Ängsten führen. Schließlich kann das Leben mit einem Geheimnis eine Person von persönlichem Wachstum und Selbstakzeptanz abhalten.
In deinem Beispiel mit deinem Cousin kann ich aber verstehen, warum er seine Sexualität eventuell verheimlicht hat, da es eine Vielzahl von Gründen gibt. Einige der häufigsten Gründe sind z. B. Diskriminierung oder die Angst vor dieser. Viele Homosexuelle haben aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierung, Vorurteile oder Gewalt erfahren. Dies kann dazu führen, dass sie sich in bestimmten Umgebungen unsicher oder unwillkommen fühlen, und sie entscheiden sich möglicherweise dafür, ihre Sexualität geheim zu halten, um sich zu schützen.
Zudem wird Homosexualität ist in vielen Teilen der Welt immer noch stigmatisiert, und manche Homosexuelle fühlen sich unter Druck gesetzt, sich den gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen und ihre wahre Identität zu verbergen. Auch wenn dies in Deutschland eigentlich nicht mehr der Fall sein sollte.
Nicht zu vergessen sind die eigenen persönlichen Vorlieben: Manche Homosexuelle ziehen es einfach vor, ihre sexuelle Orientierung geheim zu halten, und fühlen sich nicht wohl dabei, diesen Aspekt ihres Lebens mit anderen zu teilen. In manchen Fällen haben Homosexuelle das Gefühl, dass ihre Familien oder Kulturen ihre Sexualität nicht akzeptieren würden, und verbergen sie, um Beziehungen aufrechtzuerhalten oder Konflikte zu vermeiden.
Ich hoffe, du kannst nun besser nachvollziehen, warum dein Cousin so lange ein Geheimnis daraus gemacht hat. Eventuell hilft es auch, mit ihm persönlich darüber zu sprechen und die Dinge aus seiner Perspektive zu erfahren. Dadurch lernst du seine Hintergründe kennen und kannst diese Geheimniskrämerei besser verstehen.
Muss jeder selber wissen. Wenn ich mir so anschaue, was viele von der Norm irgendwie abweichenden Menschen gerade im persönlichen Umfeld so mitmachen, kann ich schon irgendwie verstehen, dass sich nicht jede/r "outet" und in vielen Familien und Freundeskreisen offene Geheimnisse existieren.
Sprich, jeder außer dem Opa hat es schon lang kapiert, aber Opa ist halt homophob bis dorthinaus und der einzige in der Familie, der Vermögen zu vererben hat. Bei mir ist es eine angeheiratete Tante, die mit ihrer "Arbeitskollegin" aus rein praktischen Gründen eine "WG" hat. Ihr einziger Bruder ist - erraten - homophob bis dorthinaus und ich kann verstehen, dass die Frau mit Ü60 ihre wenigen direkten Verwandten nicht vergraulen möchte. Und eine Freundin von mir hat eine Frau geheiratet mit dem Ergebnis, dass ihre Eltern nicht mehr mit ihr sprechen und sie enterbt haben. Muss man sich leisten können.
Und es gibt ja noch genügend andere "Geheimnisse", die über die sexuelle Orientierung hinaus oder in eine ganz andere Richtung gehen. Je nachdem, wie engstirnig oder gar diskriminierend das Umfeld ist, ist eindeutig nicht immer anzuraten, mit offenen Karten zu spielen. Man schaue sich beispielsweise nur an, was passiert, wenn jemand eine ernste gesundheitliche Diagnose publik macht. Da kommen eben nicht alle Freunde und Familienmitglieder angerannt und kümmern sich, sondern man riskiert eher, chronisch krank und so gut wie alleine dazustehen.
Ich gehe mal davon aus, dass er nicht erst seit einem Jahr Kontakte mit homosexuellen Männern pflegt. Ich meine damit nicht, dass er sich durch die Betten probiert hat, sondern einfach nur Bekannte oder Freunde hat, die die entsprechenden sexuellen Neigungen haben. Dort werden auch einige von negativen Reaktionen innerhalb der Familie erzählt haben und somit ist sein Versteckspiel auch eine logische Folge davon.
Ich kenne da auch einige Männer und alle konnten durchweg berichten, dass vor allem die männlichen Verwandten ein Problem mit der Homosexualtät hatten. Selbst ein Klassenkamerad war sich in jungen Jahren nicht wirklich sicher in welche Richtung seine Neigungen gehen und hat eben Mann wie Frau mal probiert. Sein Vater hat ihm das bis zu seinem Tod nicht verziehen, dass er mal eine gleichgeschlechtliche Beziehung versucht hat.
Sicherlich geht man davon aus, dass die Gesellschaft heute dafür tolerant und offen ist. Aber hinter verschlossenen Türen gibt es leider noch genug Menschen, die das als Krankheit, Modeerscheinung oder sonstwas ansehen. Und das ist wohl das Traurige an dem ganzen Thema, dass sich viele Menschen als sehr tolerant sehen, solange es nicht die eigene Familie betrifft.
Ich kenne keinen einzigen Menschen, der sich als heterosexuell geoutet hat. Und ich kenne eine ganze Reihe Menschen, die ihre aktuellen Beziehungen oder den aktuellen Mangel einer Beziehung nicht im Verwandtenkreis breit getreten haben. Erst wenn eine Beziehung erst wurde, wurden die Partner der Familie und der erweiterten Familie vorgestellt. In diesen Fällen würde aber kein Mensch von "Geheimnis leben" sprechen, oder?
Anscheinend gibt es immer noch doppelte Standards, auch bei Menschen, die sich für ach so tolerant halten. Homosexuelle sollen sich outen, weil sie ansonsten ja ein "Geheimnis leben" und "Angst haben" und was weiß ich nicht alles, während das gleiche Verhalten bei Heterosexuellen als völlig normal betrachtet wird.
Ich habe entfernte Cousinen, mit denen ich mich nie über meine Beziehungen ausgetauscht habe und die vor meinem aktuellen Partner nie einen Mann kennengelernt haben, mit dem ich eine Beziehung hatte. Ich finde das völlig normal. Auch wenn man verwandt ist steht man sich nicht unbedingt besonders nah. Oder nicht mehr.
Als heterosexuelle Frau finde ich es schwierig über homosexuelle Menschen zu sagen, dass sie sich gefälligst outen sollen. Ich verstehe schon, warum man so etwas geheim hält und darüber auch nicht sprechen möchte. Da kann man meiner Meinung nach verständnisvoller reagieren. Ich fühle mich nicht so, als hätte ich ein Anrecht darauf zu wissen, wer wen liebt oder wer wen gerne im Schlafzimmer hat.
Ansonsten bin ich in einer Position, in der ich kein schweres Geheimnis mit mir herumtragen muss: Aus Angst vor Diskriminierung, Abstoßung, Konsequenzen oder Streit. Aber ich verstehe, warum einige Menschen ihre Gedanken, Gefühle oder Lebensumstände geheim halten.
Im Fall des Eröffnungsposts ist es doch auch so, dass etwas im Vertrauen weitergesagt wurde und nun spielen alle stille Post und erzählen das Geheimnis weiter. Das muss für jemanden, der vielleicht seine eigene Sexualität noch nicht so ganz akzeptieren kann, doch auch anstrengend sein. Ich finde, dass Menschen das Recht auf kleine und große Geheimnisse haben - ohne die Wertung von ihren Mitmenschen.
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