Gehandicaptem Kind aus Sorge viele Arbeiten verbieten?

vom 10.01.2021, 14:21 Uhr

Kürzlich gab es ganz unterschiedliche Diskussionen in unserer Arbeitsgruppe und dabei kam das Thema auf, dass eine Arbeitskollegin eine gehandicapte Tochter hat. Die Tochter hat generell keine motorischen Störungen, sondern ist das Handicap im Hirn, sodass ihr Stand ewig eines „Kindes“ gleicht. Sie ist lernfähig, aber hinkt ihrem Alter immer stark hinterher und wird es im Leben hier und dort nicht leicht haben.

Trotzdem möchte die Kleine (mittlerweile 14 Jahre) im Haushalt helfen. Spülen usw. Das lässt die Arbeitskollegin auch zu. Doch auch beim Thema Renovierung ist die Kleine wohl sehr gerne mit dabei, mag die Tapeten abreißen, kleistern und zurechtschneiden. Doch da hört bei der Arbeitskollegin der Spaß wohl auf.

Soll bedeuten, das sie solche Arbeiten eben nicht tun darf. Die Mama hat einfach Angst, dass sich die Tochter verletzen könnte, gleichwohl die behandelnden Ärzte schon meinten, dass man sie auch im Hinblick auf ihre Zukunft mit solchen Aktivitäten fördern kann. Sie möchte nicht, dass sie beim renovieren, schwer Tragen usw. hilft. Hausflur putzen geht auch nicht, Fensterputzen usw. ebenso wenig.

Sicherlich verstehe ich die Sorgen der Arbeitskollegin, aber die Kleine ist wirklich wissbegierig, lernfähig und hat deswegen ihr Hirn durchaus positiv beeinflusst in der Vergangenheit. Sie benötigt viel weniger Hilfe in alltäglichen Dingen, als Ärzte ihr das zugetraut hätten, da ihre linke Hirnhälfte stark geschwächt ist.

Deswegen möchte ich gerne von Euch wissen, ob Ihr dem Kind verbieten würdet, gewisse Aktivitäten neu zu erlernen, weil es gehandicapt ist? Oder denkt Ihr, dass die Mama gar so gewisse Fortschritte niedermachen würde? Wie würdet Ihr diese Situation beurteilen?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich finde deine Frage ganz besonders spannend, weshalb ich sie gerne ausführlich beantworten möchte. Ich würde dem Kind mehr Freiheiten lassen. Vor Allem, wenn es nicht körperlich beeinträchtigt ist, sondern "nur" geistig. Gerade, weil sie gewisse geistige Aufgaben vielleicht nicht ganz so gut meistern kann, wie andere Kinder in ihrem Alter, sollte sie sich körperlich austoben können.

Auch gibt ihr das Meistern von körperlichen Aufgaben womöglich genau das Selbstbewusstsein, das sie durch ihre geistige Einschränkung verliert. Beeinträchtigt oder nicht, ich bin ein Verfechter davon es Kindern zu ermöglichen sich bei allen Möglichen Aufgaben zu beteiligen und so ihre Umwelt selbstständig kennenlernen und testen können. Vor Allem in diesem Fall, wenn sogar durch Ärzte bewiesen wurde, dass sich diese Aktivitäten positiv auf das Gehirn der Kleinen auswirken oder in der Vergangenheit ausgewirkt haben.

Außerdem: wenn das Kind es sich zutraut und solche Aufgaben erledigen MÖCHTE sehe ich keinen Grund, warum sie das nicht machen sollte. Wenn es wirklich schwierige oder gefährliche Dinge sind, dann eben unter Aufsicht der Mutter oder mit Unterstützung derer. Auf der anderen Seite verstehe ich die Mama genauso. Sie will eben nicht, dass ihrem Schützling etwas passiert. Jedoch sollte man die eigene Angst gegen das Kindeswohl abwägen.

» chatty25 » Beiträge: 15 » Talkpoints: 2,52 »


Ich musste schon ein bisschen stutzen, als ich das gelesen habe. Ich verstehe die Sicht der Mutter, die sich einfach nur sorgt, aber man muss Kinder machen lassen, egal wie beeinträchtigt sie sind. Es liest sich fast so als hätte sie mit diesem Kind eine Aufgabe übernommen, die sie ewig so machen möchte, die ihr Anerkennung gebracht hat, die sie nicht verlieren will. Das klingt gemein, aber jede Mutter würde ihr Kind doch Sachen testen lassen. Man möchte sie doch möglichst eigenständig bekommen.

Warum ich das so schroff schreibe ist weil das Kind doch helfen möchte, es ist zurück im Geistigen, also heißt dass das sie kindlicher ist und damit noch in einer Phase oder dauerhaft in einer Phase, in der helfen wichtig ist, in der man nachahmen will. Das sollte man nutzen, wenn man das Kind irgendwann mal selbstständig haben möchte, was ja wichtig ist, wenn es größer wird. Man selber lebt ja auch nicht ewig und da sollte es gerade bei einem gehandicapten Kind wichtig sein, dass es auch etwas kann um zu überleben und das Leben möglichst selbstbestimmt hinzubekommen.

Ich lasse meine Kinder ja auch mithelfen. Fenster putzen dürfen die beiden an manchen Fenstern auch schon, beim Kochen helfen oder auch Tapete abmachen. Solche Sachen sind für meine Kinder ja auch nicht unnormal und die sind 2 und 4. Wenn sie helfen wollen, dann dürfen sie es. Natürlich keine Tapete schneiden, das muss ja auch passen, aber abnehmen habe ich in dem Alter auch schon gemacht. Das macht ja auch Spaß.

Tatsächlich glaube ich aber einfach auch, dass man als Mutter mit einem behinderten Kind schon auch mehr Nähe sucht, um die harte Welt weiß und das Kind schützen will. Ich will ihr also keinen Vorwurf machen, aber sie muss da deutlich mehr zulassen und auch auf das Kind zu gehen. Das Kind scheint den Willen zu haben etwas zu machen, dann muss man da auch gewähren lassen, man ist doch dabei und kann Regeln aufstellen. Wenn sie Angst hat, dann lässt sie das Kind eben nur im Beisein die Fenster putzen. Das ist okay und man hat es das Kind machen lassen, ein super wichtiger Schritt, auch für das kindliche Selbstbewusstsein.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann hier nur aus der Sicht meiner Eltern berichten. Sie sind beide Schwerbehindert. Sie haben immer versucht so viel wie möglich alleine zu machen. Sie wollten nicht auf andere angewiesen sein.

Und das kann ich mir bei Kindern auch vorstellen, dass das sehr wichtig ist. So kannst du ihr Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit stärken. Kinder sollten auf ihre Weise kennenlernen, wo ihre Grenzen sind - egal ob mit Handicap oder ohne. Das schult sie schon mal für das weitere Leben.

» hello20 » Beiträge: 8 » Talkpoints: 0,78 »



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