Gefühlen nur an bestimmten Orten freien Lauf lassen?

Ich habe neulich eine Folge meiner Lieblingsserie angeschaut und dort wurde gesagt, dass Frauen oftmals nur an bestimmten Orten ihren Emotionen freien Lauf lassen. Wenn sie bei einem Abendessen im Restaurant sind gehen sie dazu beispielsweise zusammen auf die Toilette, da sie dort ihre Gefühle rauslassen können, ehe sie sich wieder fassen und zurück zum Tisch gehen.

Es ist ja vermutlich so, dass man seine Emotionen nicht immer und überall an die Luft lässt. Deswegen kann ich mir schon vorstellen, dass man das mitunter eher an bestimmten Orten macht, wo man dann auch mal alleine ist.

Mir würde es immerhin auch nicht einfallen, mitten in einer vollbesetzten Bahn meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Da warte ich doch lieber, bis ich Zuhause bin. Darüber hinaus gibt es aber auch Menschen, die dazu beispielsweise auch einen schönen Wald oder etwa ein bestimmtes Zimmer aufsuchen.

Habt ihr auch einen (vielleicht sogar festen) Ort, an dem ihr euren Emotionen freien Lauf lassen könnt? Oder tut ihr das immer und überall, wenn es gerade sein muss?

Ich mache das nur an Orten, wo ich mich sicher fühle und das ist bei mir unweigerlich zu Hause. Ich halte nichts davon, seine Gefühle rauszulassen, wenn Publikum da ist, sei es in der Uni, auf Arbeit oder in der Bahn von mir aus. Ich kann mich in der Regel auch zusammen reißen bis ich zu Hause bin.

Wenn ich in diesem Kontext von "Gefühlen" rede, meine ich nicht nur so etwas wie Traurigkeit oder Frustration, sondern auch Wut und Enttäuschung.

Ich persönlich bin ein Mensch, der seine Gefühle in der Öffentlichkeit nicht nach draußen lässt. Es ist einfach so, dass ich kein Mensch bin, der jeden wissen lässt, was er fühlt. Es wäre mir in der Öffentlichkeit sehr unangenehm, wenn andere Leute mitbekommen, dass ich sehr traurig bin und dann noch versuchen mich zu trösten oder noch schlimmer: auszufragen. Es gibt einfach Sachen, die niemanden etwas angehen.

Deshalb lasse ich meine Gefühle immer nur in der Privatsphäre freien Lauf. Das heißt, dass ich es nur bei mir zu Hause oder irgendwo anders mache, wo ich alleine sein kann beziehungsweise nur in der Gegenwart von Leuten, die mich kennen und bei denen ich kein Problem damit habe, wenn sie mich traurig oder weinend sehen.

Ich mache es eigentlich auch so, dass ich meistens nur zu Hause oder eben da, wo mich nicht jeder sieht und wo ich quasi abgeschirmt bin, meinen Gefühlen freien Lauf lasse. Wenn mir beispielsweise wortwörtlich zum Heulen zumute ist, ich aber gerade unterwegs bin, dann versuche ich immer, mich soweit zusammenzureißen, dass ich eben nicht in der Öffentlichkeit weinen muss, da mir das total unangenehm wäre und das ja nun wirklich nicht sein muss. Dafür platzt es dann zu Hause aus mir raus.

Gerade weinen würde ich nicht unbedingt in der Öffentlichkeit wollen, wenn es sich denn irgendwie vermeiden lassen würde. Ich würde nun aber auch nicht in der Öffentlichkeit meiner Wut freien Lauf lassen wollen. Wenn ich beispielsweise total sauer auf meinen Freund wäre, dann würde ich ihm auch nicht so einfach mitten in einem Geschäft eine Szene machen. Ich finde, dass man mit so etwas auch warten kann, bis man zu Hause ist.

Es kommt eben immer drauf an, inwieweit man sich zusammenreißen kann. Ich muss sagen, dass ich da meine Emotionen immer soweit im Griff habe, dass es quasi nicht aus mir heraus bricht. Das spare ich mir dann quasi für zu Hause auf und dann kommt das auch schon automatisch.

Wieso nur Frauen? Ich hoffe doch sehr, dass die dünne Schicht des erlernten Sozialverhaltens, welches uns davon abhält, uns gegenseitig mit dem eigenen Kot zu bewerfen, noch tragfähig genug ist, dass erwachsene Menschen beiderlei Geschlechts sich verpflichtet fühlen, ihre Gefühle in der Öffentlichkeit zu beherrschen. Ich finde es immer höchst unangenehm, wenn sich jemand nicht im Griff hat und in der Öffentlichkeit herum pöbelt oder sich vor lauter kreischender Begeisterung über das lustige Katzenvideo praktisch einnässt. Ich bin auch mit dem Vorurteil nicht einverstanden, dass eine Frau kein Abendessen im Restaurant übersteht, ohne mindestens einmal aufs Klo zum Weinen zu gehen.

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass ein Großteil unserer Kultur und unseres Sozialverhaltens darauf basiert, dass wir unsere Gefühle nur unter bestimmten Umständen offen ausleben. Etwa beim Sport, beim Verfassen sarkastischer Kommentare im Internet oder in der Intimität der eigenen vier Wände. Nicht umsonst sind viele Gefühlsäußerungen wie etwa der "Stinkefinger", der Geschlechtsakt nachmittags um halb drei auf dem Spielplatz oder das Grölen von Hassparolen vor der Asylbewerberunterkunft sogar strafrechtlich verfolgbar.

Ich habe meine Gefühle in der Öffentlichkeit gut im Griff und kann, so schlecht es mir auch geht, ein Pokerface aufsetzen. Freien Lauf lasse ich ihnen nur im Privaten. Das heißt bei mir zuhause oder in der Wohnung meines Partners, falls wir uns gerade streiten. Alles andere wäre mir äußerst peinlich. Auch gemeinsam mit einer Freundin auf der Toilette verschwinden, wäre für mich bestimmt keine Option.

Leider habe ich auch schon Paare erlebt, die sich zum Beispiel beim Einkaufen lautstark gestritten und beschimpft haben. Da habe ich mich schon fremdgeschämt. Auch wenn Leute in der Öffentlichkeit weinen, ist mir das sehr unangenehm. Obwohl es dafür natürlich auch Gründe geben kann. Ich bin da aber ein Freund von Selbstbeherrschung.