Gefühle besser verarbeiten, wenn man darüber schreibt?
Ich las vor kurzem von einer Frau, die ihre drogenabhängige Tochter durch deren Suizid verloren hat und lange Zeit einfach nicht damit klargekommen ist, dass ihr Kind schon mit 18 Jahren gestorben war und nicht mehr gerettet werden konnte. Man hatte der Mutter dann dazu geraten, ein Buch zu schreiben und ihre Gefühle darin zum Ausdruck zu bringen. Das soll tatsächlich geholfen haben, damit klarzukommen.
Man kennt den Effekt sicherlich auch von Tagebüchern, die den Schreibern ja sehr helfen sollen, Situationen und Eindrücke zu verarbeiten. Meint ihr, dass man Gefühle besser verarbeitet, wenn man ein Buch darüber schreibt und es veröffentlicht oder wenn man eher für sich still und leise ein Tagebuch verfasst? Seht ihr da einen Unterschied in der Verarbeitung der Emotionen?
Das muss wohl jeder selber für sich sehen. Es gibt sicherlich einige Methoden um etwas zu verarbeiten. Ich habe bisher nicht wirklich so extreme Sachen erlebt, dass es mehr bedarf als einem Gespräch. Mir hilft es schon sehr, wenn ich über Dinge die mich belasten, reden kann. Wobei ich auch schon viele Bücher gelesen habe, in denen schlimme Schicksale verarbeitet wurden und so kann ich mir auch vorstellen, dass das gut sein kann, wenn das Reden alleine nichts mehr bringt.
Ich glaube schon dass man Gefühle besser verarbeiten kann wenn man seine Gedanken niederschreibt bzw. geht es mir so. Das ist vielleicht auch eine Typsache, andere brauchen ggf. eine Person die ihnen gegenüber sitzt und die einem zuhört und auch antwortet. Die gehen dann lieber in Selbsthilfegruppen oder zu einer Psychotherapie.
Für mich persönlich käme eine Buchveröffentlichung dabei aber weniger in Betracht. Ich könnte mich da glaub ich nicht ganz so gut öffnen wie ich es in einem Tagebuch - nur für mich - machen würde. Aber auch das ist vermutlich eine Typsache. Manche möchten ihr Leid und ihre Gefühle mit der ganzen Welt teilen und andere möchten das Erlebte lieber still verarbeiten. Ich gehöre eher zu letzter genanntem Typ.
Nur weil man sich seine Gefühle von der Seele schreibt, entsteht ja nicht unbedingt ein veröffentlichens- und vor allem lesenswertes Buch. Schicksals-Storys aller Art verkaufen sich zwar gut, aber ich würde meine seelische Verfassung nicht zwangsläufig von den Verkaufszahlen meiner stümperhaft zusammengeorgelten Schmonzette abhängig machen, sei das Schicksal dahinter auch noch so tragisch.
Ich kann mir zwar schon vorstellen, dass Schreiben, egal ob für den Eigengebrauch oder die Allgemeinheit, bei der Verarbeitung aller möglichen schlimmen Erfahrungen hilft und auch anderen Betroffenen helfen kann. Aber ich sehe durchaus einen Unterschied zwischen, sagen wir, "therapeutischem" Schreiben und dem Erzeugen literarischer Qualität, sei sie auch noch so bescheiden. Um es ganz hart zu formulieren: Nur weil dein Sohn im Gartenteich ertrunken ist, werde ich das daraus resultierende Buch garantiert nicht kaufen.
Ich habe als Teenager auch sehr viel Tagebuch geschrieben. Mir hat es total geholfen, auf diese Weise meine Gefühle verarbeiten zu können. Ich hatte zu der Zeit aber auch niemanden, dem ich mich so recht anvertrauen konnte. Mit meinen Eltern habe ich mich damals gar nicht verstanden und viele Freundschaften waren nicht so tief, dass ich alles mit ihnen hätte besprechen wollen. Und einen Partner hatte ich eben nicht.
Durch das Schreiben hatte ich dann eben das Gefühl, quasi über etwas reden zu können und mir etwas von der Seele zu schreiben. Ich habe mich nach dem Schreiben immer sehr erleichtert gefühlt und oft hat es mir auch dabei geholfen, eine klare Sicht über viele Dinge zu bekommen und viele Sachen anders zu sehen.
Mittlerweile schreibe ich schon sehr lange nicht mehr und habe auch nicht das Bedürfnis danach. Wenn mich etwas bedrückt und belastet, dann spreche ich mit meinem Partner darüber, der immer für mich da ist. Ansonsten mache ich Sachen gerne in meinem Kopf aus und mache einen Spaziergang oder gehe joggen, um darüber nachzudenken.
Bei jedem Menschen ist das ja aber anders und ich finde, dass es jeder einmal ausprobieren sollte, über die Gefühle zu schreiben. Man muss ja nicht zwangsläufig klassisch Tagebuch schreiben, wenn man das nicht möchte. Man kann seine Gefühle auch in einer fiktiven Geschichte verarbeiten, Gedichte oder auch Lieder schreiben. Da sollte für jeden etwas dabei sein.
Jeder Mensch ist anders, daher kann man nicht pauschal sagen, ob ein Tagebuch oder ein veröffentlichtes Buch hilfreicher für die Verarbeitung von Emotionen ist. Es gibt Menschen, welche ihre Gefühle nur in einem privaten Tagebuch aufschreiben würden und niemals dieses veröffentlichen würden. Andere dagegen möchten unbedingt eine Veröffentlichung und möglichst viele Leser. Hier muss jeder für sich selbst entscheiden, welcher Weg besser ist.
Egal welchen Weg man nimmt, kann das Schreiben eine Hilfe bei der Verarbeitung von Emotionen sein. Dadurch, dass man die Gedanken aufschreibt, muss man diese vorher ordnen. Dadurch verarbeitet man seine Gefühle anders, als wenn man nur darüber nachgedacht hätte. Außerdem stellt man Schreiben möglicherweise vor, dass jemand anderes den Text lesen würde und Anteil nimmt. Auch das hat einen tröstenden Effekt.
Das Aufschreiben von Gefühlen hat aber auch einen Nachteil. Es findet kein Dialog mit einen anderen Menschen statt. Man bleibt bei seiner eigenen Sichtweise, die naturgemäß immer einseitig ist. Deshalb suche ich lieber den offenen Dialog mit Freunden, wenn ich etwas schlecht verarbeiten kann.
Für manche Menschen ist es vielleicht gut, Gefühle schriftlich zu verarbeiten. Manchen hilft ein persönliches Gespräch mehr und manche sind Verdrängungskünstler, was auch nicht unbedingt schlecht sein muss. Die beste Strategie muss jeder für sich herausfinden. Man kann diese Methoden natürlich auch kombinieren.
Wenn es schwierige Dinge sind, die man verarbeiten muss, ist wahrscheinlich eine professionelle Bearbeitung durch einen Psychologen ratsam, der einem vielleicht wiederum rät, alles aufzuschreiben. Ob man das dann veröffentlichen sollte, ist wiederum eine andere Sache. Das hängt davon ab, ob man sich zutraut, mit den unausweichlichen Reaktionen, die auch negativ sein können, zurechtkommt.
Vielen Menschen fällt es wirklich leichter, wenn sie über Dinge reden/schreiben, die sie erlebt haben, um so die Verarbeitung auch voranschreiten zu lassen. Manche müssen es anderen mitteilen, vielleicht um auch als Warnung zu dienen und andere müssen es einfach nur rauslassen. Viele können derweil nicht darüber reden, sodass sie darüber schreiben.
Es ist also denke ich wirklich personenabhängig, wie jemand mit Erfahrungen umgeht. Ich kann zum Beispiel darüber reden, aber auch schreiben. Beides trifft auf mich zu. Mir geht es dadurch aber nicht besser. Ich habe gelernt mit all den Erfahrungen und Erlebten umzugehen, aber es hat keinen Einfluss darauf, wem oder wie ich es sage, dass dies eine positive Entwicklung auf mich mit sich bringt.
Das ist leider nicht der Fall, aber war es auch nie. Ich kann halt mit Dingen immer anders umgehen. Ich nutze meine Erlebnisse vielleicht auch als Warnung, aber sie verändern nichts an mir. Auch wenn ich es sage und jemanden helfen konnte, verändert es nichts.
Da ich ja im sozialen Bereich eben aktiv bin, kommt es nicht selten vor, dass ich mit denselben Geschichten konfrontiert bin, die ich durchgemacht habe. Ich kann anderen mit Gesagtem dann helfen, auch Geschriebenem, aber auf mich hat das weitreichend keinen Einfluss. Und ob es das jemals gab? Das weiß ich nicht einmal mehr.
Ich finde es aber immer legitim, wenn jeder seinen Weg findet, um Dinge besser zu verarbeiten. Immer zu! Solange es einem hilft, dann schreibt, sprecht, helft anderen oder macht beides, um euch auch zu helfen. Finde ich super.
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